Entscheidungsstichwort (Thema)
Höhe der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bei tariflicher Verweisung auf „die gesetzlichen Bestimmungen” und Krankengeldzuschußregelung
Leitsatz (amtlich)
1. In der bloßen Verweisung des Tarifvertrags auf die „gesetzlichen Bestimmungen” liegt grundsätzlich keine eigenständige (konstitutive) Tarifregelung. Dabei ist unerheblich, ob der Verweisung die Formulierung „jeweils gültigen” hinzugefügt ist oder nicht (im Anschluß an BAG Urteil vom 29.01.1991, 3 AZR 44/90, EzA § 3 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag, Nr. 6).
2. Ob eine tarifliche Krankengeldzuschußregelung, die für die Zeit nach der gesetzlichen Entgeltfortzahlung den bisherigen Nettoverdienst weiter absichert, den Willen der Tarifvertragsparteien erkennbar macht, daß dem Arbeitnehmer auch in den ersten sechs Wochen Entgeltfortzahlung in voller Höhe (100 %) zustehen soll, hängt von dem jeweiligen Tarifwerk ab.
Hinsichtlich § 5 MTV-Betonsteingewerbe ist dies zu verneinen.
Normenkette
EFZG § 4
Verfahrensgang
ArbG Duisburg (Urteil vom 14.08.1997; Aktenzeichen 2 Ca 1623/97) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 14.08.1997 wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger Krankenvergütung lediglich in gesetzlicher Höhe (80 %) oder aufgrund Tarifvertrages in voller Höhe (100 %) zusteht.
Der Kläger ist seit dem 08.05.1967 als angestellter Meister zu einem Monatsgehalt von zuletzt DM 5.793,– brutto bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der „Manteltarifvertrag für die Angestellten in der Beton- und Fertigteilindustrie und dem Betonsteinhandwerk (Betonsteingewerbe) Nordwestdeutschlands” vom 14.09.1993 Anwendung. Der Kläger war im März 1997 an 23 Arbeitsstunden und im April 1997 an 133 Arbeitsstunden arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte leistete für diesen Zeitraum Entgeltfortzahlung gemäß § 4 Abs. 1 EFZG in Höhe von 80 %.
Mit der im Mai 1997 vor dem Arbeitsgericht Duisburg erhobenen und im Juni 1997 erweiterten Klage hat der Kläger unter Hinweis auf § 5 Abschnitt I Nr. 1 MTV-Betonsteingewerbe die Fortzahlung des vollen Arbeitsentgelts begehrt und die Differenzbeträge auf – unstreitig – DM 144,44 brutto und DM 814,67 brutto beziffert. Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 14.08.1997 die Klage abgewiesen. Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter. Er macht geltend, daß es Wille der Tarifvertragsparteien beim Abschluß des MTV-Betonsteingewerbes gewesen sei, die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bis zu sechs Wochen in voller Höhe zu sichern. Dieser Wille sei in der Tarifregelung, namentlich in Ziff. 2 des § 5 Abschnitt I, erkennbar geworden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Duisburg vom 14.08.1997 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn DM 959,11 brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt mit Rechtsausführungen das erstinstanzliche Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den von den Parteien vorgetragenen Inhalt ihrer Schriftsätze verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. § 5 Abschnitt I MTV-Betonsteingewerbe begründet für die Angestellten und Meister in der Beton- und Fertigteilindustrie und dem Betonsteinhandwerk keinen Anspruch auf volle Entgeltfortzahlung, sondern verweist für die ersten sechs Krankheitswochen deklaratorisch auf die jeweils geltende Gesetzesregelung. Damit richtet sich der Anspruch nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EFZG in der seit dem 01.10.1996 geltenden Fassung und beträgt 80 % des normalen Arbeitsentgelts. In dieser Höhe hat die Beklagte Entgeltfortzahlung geleistet.
I. Der MTV-Betonsteingewerbe bestimmt, soweit hier von Interesse, folgendes:
„§ 5
Gehaltszahlung bei Krankheit und im Todesfall
I. Krankheit
- Es gelten die gesetzlichen Bestimmungen.
Verheiratete erhalten nach ununterbrochener 5jähriger Betriebszugehörigkeit als Angestellte bis zur Dauer von weiteren 6 Wochen den Unterschiedsbetrag zwischen den Beträgen, die dem Angestellten aus Anlaß der Erkrankung zufließen und 90 % des tatsächlichen Nettogehaltes als Zuschuß. Der Anspruch besteht nur einmal innerhalb von 12 Monaten.
Soweit der Angestellte kein Krankengeld bezieht, ermäßigt sich der Zuschuß um die Höhe des Krankengeldes, das er erhalten würde, wenn er versicherungspflichtig wäre.
II. Sterbegeld
Stirbt ein Angestellter, so ist sein Gehalt vom Todestage bis zum Ablauf des Sterbemonats zu zahlen. Dieser Anspruch besteht nicht, wenn dem Angestellten im Sterbemonat keine Ansprüche auf Gehalt oder auf Zuschuß gemäß Abschnitt I Ziffer 2 zustanden ….”
Die Auslegung des § 5 Abschnitt I MTV-Betonsteingewerb...