Entscheidungsstichwort (Thema)
Überraschende Klausel in Arbeitsvertrag. Formularmäßige Vereinbarung einer Altersbefristung unter der Überschrift "Beendigung des Arbeitsverhältnisses" kein überraschendes Prozedere
Leitsatz (amtlich)
Eine Altersbefristungsklausel in einem Formularvertrag ist nicht allein deshalb überraschend im Sinn des § 305c Abs. 1 BGB, weil sie sich in einer Regelung befindet, die mit "Kündigung" überschrieben ist.
Normenkette
BGB § 305c Abs. 1; TzBfG § 15 Abs. 3; ArbGG § 64
Verfahrensgang
ArbG Essen (Entscheidung vom 27.08.2020; Aktenzeichen 1 Ca 1463/20) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Essen vom 27.08.2020 - 1 Ca 1463/20 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund einer Befristung beendet ist.
Der am 25.12.1954 geborene Kläger war bei der Beklagten seit Februar 2012 zuletzt als Head of Regulatory Affairs F.&Q gegen ein Monatsbruttogehalt von 9.270,00 € beschäftigt. Er ist promovierter Biologe. Seine Tätigkeit bei der Beklagten betraf die Normen, welchen die Produkte und Rohstoffe unterfallen, mit denen die Beklagte handelt. Er war Ansprechpartner für die Veterinärbehörden und gegenüber der Bundesopiumstelle; zudem war er Datenschutz- und Qualitätsbeauftragter. Grundlage des Arbeitsverhältnisses bildete der Arbeitsvertrag vom 19.12.2011 (Bl. 17 ff. d. A.), in welchem es wie folgt heißt:
"§ 4 Kündigung
(1) Der Vertrag kann von beiden Seiten unbeschadet des Rechts zur fristlosen Kündigung mit einer Kündigungsfrist von mindestens 3 Monaten zum Monatsende gekündigt werden.
(2) Eine fristlose Kündigung gilt gleichzeitig vorsorglich als ordentliche Kündigung für den nächstzulässigen Termin.
(3) Der Mitarbeiter erklärt sich damit einverstanden, von der Firma im Falle einer Kündigung (auch Eigenkündigung) von der Arbeitsleistung unter Anrechnung etwaiger Urlaubsansprüche freigestellt werden zu können.
(4) Verlängerte Kündigungsfristen aufgrund tarifvertraglicher Bestimmungen gelten für beide Vertragspartner.
(5) Sofern dem Mitarbeiter während der Dauer der Beschäftigung ein Fahrzeug als Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt wurde, ist dieses mit Ausspruch der Kündigung und Freistellung entschädigungslos zurückzugeben. Es besteht kein Zurückbehaltungsrecht am Fahrzeug.
(6) Das Anstellungsverhältnis endet ohne Kündigung mit Ablauf des Monats, in dem der Mitarbeiter die Altersgrenze für eine Regelaltersrente in der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht hat, oder in dem Zeitpunkt, ab dem er eine Altersrente, gleich aus welchem Rechtsgrund, tatsächlich bezieht. Das Anstellungsverhältnis endet ebenfalls ohne Kündigung mit Ablauf des Monats, in dem die Mitarbeiter der Bescheid eines Rentenversicherungsträgers über eine Rente auf Dauer wegen voller Erwerbsminderung zugeht. Die vorstehenden Sätze berühren nicht das Recht zur ordentlichen Kündigung."
Im August 2020 erreichte der Kläger die gesetzliche Regelaltersgrenze von 65 Jahren und 8 Monaten.
Mit seiner am 15.06.2020 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass sein Arbeitsverhältnis nicht durch eine Altersbefristung endet. Er hat sich darauf berufen, eine Befristung sei nicht wirksam vereinbart. Die entsprechende Vertragsklausel sei überraschend: Unter der Überschrift "Kündigung" müsse keine Regelung zu einer Vertragsbefristung und damit zu einem automatischen Ende des Vertrages erwartet werden. Bei einer Kündigung handele es sich um ein einseitiges Rechtsgeschäft. Es hätte eines besonderen Hinweises in der Überschrift bedurft. Dies gelte umso mehr aufgrund seines Alters bei Vertragsschluss. Er hat weiter gemeint, die Regelung sei unklar und verstoße gegen das Transparenzgebot. Es handele sich um eine Kombination einer Zeitbefristung und einer auflösenden Bedingung, ohne dass deren Verhältnis festgelegt werde. Die Regelung könne auch so verstanden werden, dass ihm ein Recht eingeräumt werde, mit dem Hinausschieben des Rentenbezugs eine Verlängerung des Vertrages zu bewirken.
Der Kläger hat - soweit für die Berufungsinstanz von Bedeutung - beantragt:
Es wird festgestellt, dass das zwischen dem Kläger und der Beklagten begründete Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der in § 4 (6) des Arbeitsvertrages vom 19.12.2011 vereinbarten Altersbefristung zum 31.08.2020 endet.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, die Befristung sei wirksam vereinbart. Weder nach dem Erscheinungsbild der Vertragsregelung noch aufgrund sonstiger Umstände sei die vereinbarte Altersbefristung so ungewöhnlich, dass der Kläger mit ihr nicht habe rechnen müssen. Die Überschrift "Kündigung" mache die Befristungsklausel nicht zu einer überraschenden im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB, da hier erkennbar Regelungen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses getroffen würden. Die Befristungsregelung befinde sich nicht an einer unerwarteten Stelle des Vertrages. Auch seien Befristungsabreden, die auf ...