Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsstrafenklausel im Formulararbeitsvertrag. Herabsetzung der Strafe wegen „einseitiger” Vertragsverletzung
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Wirksamkeit eines Strafversprechens, das der Arbeitgeber sich in einem Formulararbeitsvertrag vom Arbeitnehmer für den Fall des Nichtantritts der Arbeit geben lässt, ist nach seiner Funktion, Druck- und Sicherungsmittel für die Erbringung der Arbeitsleistung zu sein, auf das Interesse des Arbeitgebers an der Vollziehung des Arbeitsvertrages abzustellen. Etwaige Schwierigkeiten des Arbeitgebers, einen ihm durch den Nichtantritt der Arbeit entstandenen Schaden darzulegen und zu beweisen, legitimieren nicht die Vereinbarung einer Vertragsstrafe. Das Interesse des Arbeitgebers an der Vollziehung des Arbeitsvertrages kann im Hinblick auf dessen kurzfristige Kündbarkeit und die anfänglich begrenzte Einsetzbarkeit des Arbeitnehmers einerseits und die gleichzeitige Belastung des Arbeitgebers mit den Lohnkosten andererseits fehlen.
2. Eine dem Arbeitgber (Verwender) einseitig günstige Gestaltung des Formulararbeitsvertrages kann zur Unwirksamkeit des Strafversprechens, jedenfalls aber zur Herabsetzung der Strafe nach § 343 BGB führen.
Normenkette
BGB § 309 Nr. 6, § 310 Abs. 4, §§ 339, 343
Verfahrensgang
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom26.07.2002 wird kostenfällig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe eines Bruttomonatsgehalts in Anspruch. Die Beklagte reklamiert die Unwirksamkeit der Vertragsstrafenabrede nach § 309 Nr. 6, § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB und beantragt im übrigen die Herabsetzung der Strafe nach § 343 BGB.
Die Klägerin, ein Textilhandelsunternehmen mit Sitz in O., ist damit befasst, weltweit DOB-Artikel für Ihre Muttergesellschaft zum Vertrieb über deren Filialkette einzukaufen. Im Februar 2002 suchte sie per Zeitungsinserat eine Empfangs- und Geschäftsleitungssekretärin. Der Beklagten, die sich auf das Inserat gemeldet hatte, schlug die Klägerin die Einstellung auf einer anderen Position, als Einkaufssachbearbeiterin, vor.
Am 08.04.2002 schlossen die Parteien einen von der Klägerin vorformulierten Anstellungsvertrag. Die Vertragsurkunde enthält auf 7 Seiten 19 Paragraphen. § 1 sieht Einstellung der Beklagten zum 01.05.2002 als Einkaufssachbearbeiterin in der Verwaltung O. der Klägerin vor. § 2 befristet das Arbeitsverhältnis zum Zwecke der Probe für die Dauer vom 01.05 bis 31.10.2002 mit einer beiderseitigen Kündigungsfrist von zwei Wochen während der Probezeit. § 3 legt das Bruttomonatsgehalt auf Euro 1.687, 27 fest. Unter „§ 11 Vertragsstrafe / Vertragsbruch” bestimmt der Vertrag wörtlich:
„Im Falle der schuldhaften Nichtaufnahme, der vertragswidrigen Beendigung der Tätigkeit oder der fristlosen Kündigung der Arbeitnehmerin aufgrund von vertragswidrigem Verhalten, ist die Arbeitnehmerin verpflichtet, dem Arbeitgeber eine Vertragsstrafe in Höhe von 1 Bruttomonatsgehalt zu zahlen. Weitergehende Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers bleiben vorbehalten.”
Am 25.04.2002 teilte die Klägerin der Beklagten telefonisch mit, dass sie das Arbeitsverhältnis nicht antreten werde Am 26.04.2002 leitete sie der Klägerin per Telefax ein auf den 25.04.2002 datiertes Schreiben mit dem Betreff „Rücktritt vom Arbeitsvertrag” zu. In dem Schreiben wiederholte sie, das Arbeitsverhältnisses am 02.05.2002 nicht anzutreten, nannte als „Rücktrittsgründe geringere Entfernung, höheres Gehalt etc. beim neuen Arbeitgeber” und bedankte sich bei der Klägerin für deren „Einverständnis, sie aus dem Vertrag zu nehmen”. Dem widersprach die Klägerin mit Antwortschreiben vom 30.04.2002. und machte die Verwirkung der Vertragsstrafe nach § 11 des Arbeitsvertrages geltend, da die Beklagte unmissverständlich zum Ausdruck gebracht habe, den Arbeitsvertrag nicht erfüllen zu wollen. Als Schaden führte die Klägerin ihre Aufwendungen (Schaltung einer Zeitungsanzeige, zeitliche Inanspruchnahme von mit der Einstellung befassten Mitarbeitern) im Zusammenhang mit der Einstellung der Beklagten bzw. der Neueinstellung einer anderen Kraft an.
Nachdem die Beklagte die Vertragsstrafe nicht innerhalb der ihr bis zum 15.05.2002 gesetzten Frist leistete, hat die Klägerin vor dem Arbeitsgericht Oberhausen Klage auf Zahlung von 1.687,27 Euro erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, dass Vertragsstrafenabrede nach § 309 Nr. 6, § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB wirksam sei und dass die Beklagte die Strafe in voller Höhe verwirkt habe.
Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt. Sie hat die Unwirksamkeit der Vertragsstrafenklausel reklamiert und im übrigen die Herabsetzung der Strafe beantragt: Mit ihrem Schreiben vom 25.04.2002 sei jedenfalls das Arbeitsverhältnis fristgemäß zu 10.05.2002 gekündigt worden. Das wirtschaftliche Interesse der Klägerin an der Arbeitsleistung für sieben Arbeitstage s...