Entscheidungsstichwort (Thema)
Gratifikation. Freiwillikgeitsvorbehalt. betriebliche Übung
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Gratifikationsanspruch entsteht aufgrund ständiger Übung nicht schon, wenn der Arbeitgeber drei Jahre hintereinander vorbehaltlos Gratifikationen nach Gutdünken in jährlich und individuell unterschiedlicher Höhe gewährt hat (im Anschluß an BAG, Urteil vom 25.04.1991 6 AZR 183/90, EzA Nr. 84 zu § 611 BGB Gratifikation. Prämie, zu III d. Gr.).
2. Setzt der Arbeitgeber in späteren Jahren der Gratifikationsgewährung einen Freiwilligkeitsvorbehalt hinzu und nimmt der Arbeitnehmer dreimalig widerspruchslos dies hin, ist regelmäßig zwischen den Parteien eine konkludente Vereinbarung über die Aufhebung des aus der früheren betrieblichen Übung entstandenen Gratifikationsanspruchs zustandegekommen.
Normenkette
BGB §§ 242, 611
Verfahrensgang
ArbG Düsseldorf (Urteil vom 22.02.1995; Aktenzeichen 10 Ca 4610/95) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 22.02.1995 wird kostenfällig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Weihnachtsgeld.
Der Kläger ist seit dem 06.03.1973 als gewerblicher Arbeitnehmer bei der Beklagten beschäftigt.
In den Jahren 1975, 1976 und 1977 zahlte die Beklagte an ihn als Weihnachtsgeld DM 1.000,–, DM 1.100,– und DM 1.400,–. Zur damaligen Zeit entschied der Geschäftsführer jährlich nach Gutdünken über das Weihnachtsgeld: Bei der Höhe der Zuwendung machte er individuelle Unterschiede; erst kurz beschäftigte Arbeitnehmer erhielten kein oder ein nur geringes Weihnachtsgeld.
Seit 1978 gewährte die Beklagte den Arbeitnehmern ein Weihnachtsgeld auf der Basis von 160 Bruttostundenlöhnen, nach der Arbeitszeitverkürzung im Jahre 1991 auf der Basis von 156 Bruttostundenlöhnen. Die Verdienstabrechnungen der Auszahlungsmonate November 1978 und Dezember 1979 enthielten den Hinweis „Die Zahlung des Weihnachtsgeldes erfolgt freiwillig und begründet keinen Rechtsanspruch”. Seit 1980 lautet auf den Dezember-Abrechnungen den Hinweis „Auf Weihnachtsgeld, Prämien und Tantiemen besteht kein Rechtsanspruch”. Dieser Vorbehalt erschien ab 1984 auf jeder Monatsabrechnung.
Als die Beklagte im Jahr 1992 das Weihnachtsgeld auf 75 % kürzte und für 1993 gar nichts zahlte, erhoben der Kläger und weitere Arbeitskollegen Widerspruch. Die Beklagte verwies auf den Freiwilligkeitsvorbehalt, die Verschlechterung der Auftragslage und Erschöpfung des Finanzrahmens.
Mit der Klage, soweit sie noch Gegenstand des Berufungsverfahrens ist, verlangt der Kläger für 1992 restliches Weihnachtsgeld von DM 998,40 (25 %) und für 1993 DM 3.993,60. Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 22.02.1995 die Klage mit der Begründung abgewiesen, daß wegen des Freiwilligkeitsvorbehalts kein Anspruch auf das volle Weihnachtsgeld bestehe. Die kraft Übung bis 1979 entstandene Verpflichtung der Beklagten, ein Weihnachtsgeld in einer nach Ermessen festgesetzten Höhe zu gewähren, sei von den Parteien konkludent beseitigt worden; im übrigen richte sich das Klagebegehren nicht auf ein solches nach Ermessen festgesetztes Weihnachtsgeld.
Mit der form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung greift der Kläger das Urteil an. Die Beklagte könne – so meint er – das Weihnachtsgeld nicht wegen eines Freiwilligkeitsvorbehalts verweigern. Die auf den Abrechnungen gesetzte Floskel sei nicht klar und unmißverständlich gewesen, ihre ständige Wiederholung auf allen Abrechnungen seit 1984 lasse einen speziellen Willen, hinsichtlich des Weihnachtsgeldes eine künftige Bindung auszuschließen, nicht erkennen. Zumindest stehe ihm aufgrund der vorbehaltlosen Zahlung von 1975 bis 1977 ein Weihnachtsgeld von DM 1.400,– zu. Auf diesen Anspruch habe er zu keiner Zeit verzichtet. Der Kläger macht geltend, daß die wirtschaftliche Lage der Beklagten, die in erheblichem Umfang Überstunden verfahren lasse, die Zahlung von Weihnachtsgeld gestatte.
Die Beklagte hält daran fest, schon wegen des Vorbehalts kein Weihnachtsgeld zu schulden. Seit 1992 habe sie starke Umsatzeinbußen erlitten und jährliche Verluste in sechsstelliger Höhe erwirtschaftet. Die finanzielle Belastung, die ihr aus einer Zahlung von Weihnachtsgeld an die Belegschaft entstünde, würde sie zur Konkursreife bringen. Daher sei auch die Geschäftsgrundlage für diese Leistung weggefallen.
Die Beklagte hat in der Verhandlung die vom Kläger nachträglich aufgestellte Behauptung, daß den Angestellten ein volles Weihnachtsgeld gezahlt worden sei, bestritten.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Dem Kläger steht kein Weihnachtsgeld zu. Daher schuldet die Beklagte weder für 1992 den Differenzbetrag zwischen dem gezahlten und dem „vollen” Weihnachtsgeld noch für 1993 überhaupt ein Weihnachtsgeld.
I. Der Kläger hat keinen Weihnachtsgeldanspruch aufgrund betrieblicher Übung erworben.
1. Unter einer betrieblichen Übung v...