Entscheidungsstichwort (Thema)

Tarifliche Fahrtkostenabgeltung. Begriff der „ständigen Vertretung des Arbeitgebers”

 

Leitsatz (amtlich)

Für die Annahme eines „Betriebes” i.S.v. § 7 Nr. 2.2 RTV-Gerüstbau ist nicht Voraussetzung, daß in der Betriebsstelle die Arbeitgeberfunktionen wahrgenommen werden und die Einstellung des Arbeiters von einem zur Einstellung befugten Mitarbeiter der Betriebsstelle vorgenommen ist (entgegen BAG, Urteil vom 28.4.82, 4 AZR 78/82, AP Nr. 38 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Vielmehr ist erforderlich und ausreichend, daß es sich um eine ortsfeste und für eine gewisse Dauer, regelmäßig für unbestimmte Zeit eingerichtete Arbeitsstätte handelt, die über Betriebsmittel, Betriebsräume und einen Leiter mit der Befugnis zu selbständigem Handeln in nicht ganz unwesentlichen Angelegenheiten verfügt.

 

Normenkette

RTV-Gerüstbau § 7 Nr. 2; BRTV-Bau § 7 Nr. 2.2

 

Verfahrensgang

ArbG Wesel (Urteil vom 24.08.1995; Aktenzeichen 6 Ca 1901/95)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 11.11.1997; Aktenzeichen 3 AZR 210/96)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Wesel vom 24.08.1995 wird kostenfällig zurückgewiesen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger nach dem RTV-Gerüstbau Fahrtkostenabgeltung zusteht.

Die Beklagte befaßt sich mit Gerüstbau. Sie hat ihren Sitz in W.. Dort befindet sich der Hauptbetrieb mit der Verwaltung. Die Beklagte beschäftigt regelmäßig ca. 40 Arbeitnehmer.

Seit 17 Jahren unterhält sie – 40 km entfernt vom Hauptbetrieb – eine Betriebsstelle auf dem Gelände des Chemie-Unternehmens S. in D.-H. Die Betriebs stelle besteht aus einem angemieteten Platz, der durch eine Umzäunung und ein Tor abgetrennt und gesichert ist. Auf dem Platz steht ein Container, in dem sich das Büro des Leiters der Betriebsstelle sowie der Aufenthaltsraum nebst Toilette für die Mitarbeiter befinden. Auf dem Platz lagert die Beklagte das Gerüstbaumaterial. Außerdem verfügt die Betriebsstelle über Fahrzeuge, nämlich einem Gabelstapler, eine Zugmaschine mit Hänger und einen Lkw. Im Bedarfsfall werden von W. zusätzlich Fahrzeuge und Gerüstbaumonteure nach D. entsandt.

Die Betriebsstelle ist mit einem Stamm von neun Mitarbeitern besetzt, die dort ausschließlich und ständig arbeiten. Die Mitarbeiter sind dem Betriebsstellenleiter unterstellt. Dieser erteilt die Arbeitsanweisungen, legt die Einsätze und Urlaubsdispositionen fest. Die Einstellung von Mitarbeitern für die Betriebsstelle geschieht regelmäßig in der Weise, daß diese sich auf der Betriebsstelle vorstellen. Wenn Personalbedarf besteht und der Betriebsstellenleiter sich für die betreffende Person entschieden hat, stimmt er telefonisch mit dem Hauptbetrieb die Einstellung ab und gibt die persönlichen Daten durch. Der Hauptbetrieb, der in der Regel keine Einwendungen gegen die Einstellung erhebt, fertigt den schriftlichen Arbeitsvertrag aus. Der Vertrag wird vom Geschäftsführer unterzeichnet und alsdann der Betriebsstelle zwecks Unterzeichnung durch den Mitarbeiter zugeleitet. Vereinzelt werden Monteure für die Betriebsstelle auch direkt im Hauptbetrieb durch den Geschäftsführer eingestellt.

Die Betriebsstelle ist ganz überwiegend für die Firma S. tätig. Der Betriebsstellenleiter nimmt Antragen des Kunden entgegen, kalkuliert die Angebote und sorgt – nach Annahme der Aufträge – für deren Ausführung. Dabei kann er ggf. einen Subunternehmer einschalten. Er leitet die von ihm handschriftlich erstellten Rechnungen dem Hauptbetrieb zu. Dort werden die Rechnungen EDV-mäßig ausgefertigt. Gelegentlich führt die Betriebs stelle Aufträge für andere Kunden aus, nämlich solche in D. und im Einzugsgebiet dieser Stadt.

Der Kläger war in den Jahren 1988/89 bei der Beklagten, und zwar im Hauptbetrieb in W., beschäftigt. Zum 09.06.1992 wurde er gemäß einem auf sechs Monate befristeten Zeitarbeitsvertrag und einem „Nebenvertrag” als Gerüstbaumonteur erneut eingestellt. Zur damaligen Zeit saß er in der JVA M. ein und durfte als Freigänger eine Arbeitsstelle annehmen. Nach einem Telefonat seiner Ehefrau mit dem Geschäftsführer der Beklagten einigten sich die Parteien unter Beteiligung der Leitung der JVA M. über die Neueinstellung des Klägers. Der Zeitarbeitsvertrag wurde vom Geschäftsführer der Beklagten und vom Kläger, der Nebenvertrag auch vom Leiter der JVA M. unterzeichnet. Dabei gingen die Beteiligten davon aus, daß der Kläger auf der – täglich von der JVA M. aus erreichbaren – Betriebsstelle in D.-H. beschäftigt werden würde.

Im Juni 1992 war die Position des Betriebsstellenleiters kurzzeitig vakant gewesen. Der bisherige Leiter hatte gekündigt und war von der Beklagten freigestellt worden. Sein Nachfolger, der jetzige Betriebsstellenleiter, mußte bei der Kundenfirma S. noch eingeführt werden.

Der Kläger wurde über die vertragliche Befristungsdauer hinaus und auch nach seiner späteren Entlassung aus der Justizvollzugsanstalt in der Betriebsstelle D.-H. weiterbeschäftigt. Dort ist er noch heute beschäftigt und als Kolonnenführer eingesetzt.

Anfang Mai 1...

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