Entscheidungsstichwort (Thema)

Teilnichtigkeit der Ablösung des BAT (§ 40 S. 1) durch den TV-V

 

Leitsatz (amtlich)

Die ersatzlose Ablösung des § 40 BAT durch den TV-V verstößt jedenfalls dann gegen den Vertrauens- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, wenn es dem bisher beihilfeberechtigten Angestellten aus sozialversicherungsrechtlichen Gründen verwehrt ist, sich freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung zu versichern und der Arbeitgeberzuschuss nach § 257 SGB V nur zu einem Bruchteil die Beiträge für die nunmehr erforderliche private Vollversicherung abdeckt.

 

Normenkette

TVG § 1; SGB V §§ 9, 257; BAT §§ 1a, 40; TV-V §§ 21-22; BVO Ang NRW § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Oberhausen (Urteil vom 26.07.2002; Aktenzeichen 2 Ca 1223/02)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Oberhausen vom 26.07.2002 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass festgestellt wird, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger über den 01.04.2002 hinaus für die Dauer des Arbeitsverhältnisses Beihilfeleistungen nach dem Beihilferecht für Angestellte im Land Nordrhein-Westfalen zu gewähren.

Die Kosten der Berufung trägt die Beklagte.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte nach der Ablösung des BAT durch den TV-V verpflichtet bleibt, dem Kläger Beihilfeleistungen nach der BVO Ang NW zu gewähren.

Der Kläger ist seit dem 01.09.1983 bei der Beklagten, einem in der Rechtsform der Aktiengesellschaft betriebenen kommunalen Versorgungsunternehmen, angestellt. Nach § 2 des Arbeitsvertrages vom 01.09.1983 finden der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) in der jeweils geltenden Fassung oder die an seine Stelle tretenden Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Nach § 7 gelten für die Beitragsleistungen zu Sozialversicherung die gesetzlichen Vorschriften. § 9 verlangt für Änderungen und Ergänzungen des Arbeitsvertrages sowie für Nebenabreden die Schriftform. Seit dem 01.10.2001 besteht Tarifgebundenheit auch des Klägers.

Die Beklagte gewährte nach Maßgabe des § 3 des Gesetzes über die Anwendung beamten- und besoldungsrechtlicher Vorschriften auf nichtbeamtete Angehörige des öffentlichen Dienstes (AbubesVG NW) vom 06.10.1987 (GV NRW S. 342) und der Verordnung über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen an Angestellte, Arbeiter und Auszubildende (BVO Ang NW) vom 09.04.1965 (GV NRW S. 108) in der jeweiligen Fassung den beihilfeberechtigten Angestellten Beihilfeleistungen.

Der Kläger erhielt von Beginn des Arbeitsverhältnisses an Beihilfe. Wegen Überschreitens der Beitragsbemessungsgrenze unterfiel und unterfällt er nicht der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht. Von der anfänglich nach § 165 Abs. 1 Nr. 2 RVO gegebenen Möglichkeit, sich freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu versichern und den Arbeitgeberzuschuss nach § 405 RVO (jetzt: § 257 SGB V) zu erhalten, hatte der Kläger abgesehen. Die Beklagte erteilte ihm unter dem 10.01.1984 folgende Bescheinigung: „… Er hat Anspruch auf Beihilfe nach dem Beihilferecht für das Land NRW. Herr v. S. ist nicht krankenversicherungspflichtig. Ein Zuschuß zu seinem privaten Krankenversicherungsbeitrag wird nicht gezahlt.”

Am 05.10.2000 schlossen die Tarifvertragsparteien mit Wirkung ab 01.04.2002 den Tarifvertrag Versorgungsbetriebe (TV-V). Außerdem wurde durch den mit 76. Änd.-TV zum BAT vom 29.06.2001 eingefügten § 1 a BAT bestimmt, dass der TV-V, soweit er in Betrieben für Arbeitnehmer gelte, den BAT ersetzt.

Seit dem 01.04.2002 gewährt die Beklagte dem Kläger, dessen Beihilfesatz zuletzt 70 % betrug, keine Beihilfe mehr. Sie zahlt seither an ihn als Zuschuss zur privaten Krankenversicherung monatlich Euro 227,81. Dem Kläger ist die freiwillige Versicherung in der GKV gemäß § 9 SGB V verschlossen, weil er nicht die erforderlichen Vorversicherungszeiten in der GKV aufweisen kann; er war vor seiner Einstellung bei der Beklagten Berufssoldat gewesen. Zum 01.04.2002 ist er von der privaten Zusatzversicherung (30 %) für sich, seine Ehefrau und seine zwei Kinder in die private Vollversicherung gewechselt. Der Monatsbeitrag für die Vollsicherung beläuft sich auf Euro 1.160,00.

Mit der vor dem Arbeitsgericht Oberhausen erhobenen Klage will der Kläger die Beklagte verpflichtet wissen, Beihilfe nach dem Beihilferecht des Landes Nordrhein-Westfalen zu gewähren, und beruft sich dafür auf eine mit der Bescheinigung vom 10.01.1984 bestätigte einzelvertragliche Abrede.

Die Beklagte bestreitet eine solche Abrede. Die Bescheinigung, die inhaltlich der damals im Unternehmen geltenden Regelung entsprochen habe, habe der Kläger offenbar zur Vorlage bei seiner Krankenkasse benötigt. Die Beklagte ist der Auffassung, dass, indem seit dem 01.04.2002 der BAT und damit die Verweisungsnorm des § 40 BAT auf das Arbeitsverhältnis keine Anwendung mehr finde, ein Anspruch des Klägers auf Beihilfe entfallen sei.

Durch Urteil vom 26.07.2002 hat das Arbeitsgericht Oberhausen der Klage stattgegeben. Mit der form- u...

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