Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilzeit in der Elternzeit. Ablehnungsgründe. Rückwirkende Verringerung der Arbeitszeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Seit Inkrafttreten des § 311a BGB in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001 kommt auch die Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung in Betracht, mit der ein Vertragsangebot angenommen werden soll, das rückwirkend auf eine Vertragsänderung zu einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt gerichtet ist.
2. An das objektive Gewicht der Ablehnungsgründe nach § 15 Abs. 7 S. 1 Nr. 4 BEEG sind erhebliche Anforderungen zu stellen. Das verdeutlicht der Begriff „dringend”. Mit ihm wird ausgedrückt, dass eine Angelegenheit notwendig, erforderlich oder sehr wichtig ist. Die entgegenstehenden betrieblichen Interessen müssen zwingende Hindernisse für die beantragte Verkürzung der Arbeitszeit sein.
3. Geht es um die Unteilbarkeit des Arbeitsplatzes oder die Unvereinbarkeit der gewünschten Teilzeitarbeit mit den betrieblichen Arbeitszeitmodellen, ist das Prüfungsschema anzuwenden, das das BAG für die betrieblichen Ablehnungsgründe i.S.v. § 8 TzBfG entwickelt hat. Das ergibt sich aus der vergleichbaren Interessenslage.
Normenkette
BGB § 311a; BEEG § 15 Abs. 7
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Urteil vom 09.09.2010; Aktenzeichen 7 Ca 203/10) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 09. September 2010 – 7 Ca 203/10 – teilweise (soweit nicht anerkannt) hinsichtlich des Tenors Ziffer 1 des Urteils abgeändert:
Die Klage wird im Übrigen abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 97/100, die Beklagte 3/100.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über die Gewährung von Teilzeit in Elternzeit.
Die 1968 geborene Klägerin ist bei der Beklagten seit 2006 auf Grundlage des Arbeitsvertrages vom xx.yy. 2006 (Anlage K 1, Bl. 5 d. A.) bei einem regelmäßigen Bruttomonatsgehalt von zuletzt EUR 5.149,– beschäftigt. Die Klägerin ist Personalreferentin und u.a. mit der alleinigen Betreuung arbeitsrechtlicher Fragestellungen beauftragt. Daneben ist sie mit Verhandlungen in betrieblichen Gremien befasst. Die Beklagte ist ein technisches Beratungsunternehmen mit mehr als 900 Mitarbeitern in Hamburg.
Die Klägerin brachte 2008 ihre Tochter L. zur Welt. Sie beantragte zunächst Elternzeit für zwei Jahre, d.h. bis zum 4. Juni 2010. Außerdem stellte sie mit ihrem Schreiben vom 6. November 2008 (Anl. BB 3, Bl. 105 d. A.) einen Antrag auf Teilzeit, und zwar für die Zeit vom 01. Januar 2009 bis 31. Mai 2009 mit 15 Stunden pro Woche und für die Zeit vom 1.Juni 2009 bis 4. Juni 2009 mit 20 Stunden pro Woche. Die Beklagte stimmte diesem Teilzeitbegehren am 3. Dezember 2008 ausdrücklich zu (Anlage K 2, Bl. 11 d.A.).
Mit Schreiben vom 07. April 2010 (Anlage K 3, Bl. 12 d.A.) beantragte die Klägerin Verlängerung der Elternzeit für die Zeit vom 5. Juni 2010 bis zum 4. Juni 2011 und gleichzeitig die Beibehaltung einer Teilzeittätigkeit von 20 Stunden pro Woche. Gleichzeitig regte sie an, die bisherige Verteilung der Arbeitszeit beizubehalten. Auf den Wortlaut des Schreibens wird Bezug genommen.
Die Beklagte erklärte mit Email vom 12. Mai 2010, dass der gewünschten Teilzeitregelung nicht entsprochen werde, es komme nur eine Vollzeittätigkeit oder eine Reduzierung auf Null in Frage.
Mit der am 27. Mai 2010 beim Arbeitsgericht Hamburg eingegangenen und später erweiterten Klage hat die Klägerin beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, dem Antrag der Klägerin, in der Zeit vom 05.06.2010 bis zum 04.06.2011 ihre vertragliche Arbeitszeit weiterhin auf 20 Stunden pro Woche, verteilt auf montags 7.30 Uhr bis 14.45 Uhr sowie mittwochs und donnerstags von 7.30 Uhr bis 15.00 Uhr zuzustimmen;
- die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin ein Zwischenzeugnis zu erteilen.
Die Beklagte hat
den Antrag zu 2. anerkannt
und beantragt im Übrigen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen, dass sie die Struktur des Bereiches Personal zurzeit auf eine sog. Shared Services Organisation umstelle; damit kämen auf die Klägerin neben ihrem normalen Tätigkeiten noch weitere Aufgaben im Rahmen der Umorganisation zu.
Soweit das Aufgabengebiet der Klägerin die Bearbeitung von außergerichtlichen sowie gerichtlichen Streitigkeiten umfasst, erfordere dies eine enge Abstimmung mit den jeweiligen Führungskräften aus dem Linienmanagement. Diese seien in der Regel nicht in der Lage, das eigene Tagesgeschäft auf die Teilzeit-Anwesenheit der Klägerin abzustimmen. Dies führe immer wieder zu langen Bearbeitungszeiten und Nachfragen der Führungskräfte bei den anderen Mitarbeitern der Beklagten im Personalbereich. Dieser Mehraufwand stelle für die Mitarbeiter eine nicht hinzunehmende Belastung dar.
Die Verhandlungen in betrieblichen Gremien stellten eine hohe Anforderung an die Verfügbarkeit der Klägerin dar. Aufgrund der Komplexität solcher Verhandlungen sei es...