Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Urteil vom 10.11.1998; Aktenzeichen 7 Ca 2237/98)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 10.11.1998 – 7 Ca 2237/98 – teilweise abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen, soweit die Beklagte in Ziffer 2 des Tenors des erstinstanzlichen Urteils zur Zahlung eines über 3.740,65 DM nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag seit dem 14.07.1998 hinausgehenden Betrages verurteilt worden ist.

Im übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt 267/1000 und die Beklagte 733/1000 der Kosten des Rechtsstreits.

Für die Beklagte wird die Revision zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer Anfechtung des Arbeitsvertrages durch die Beklagte und über Zahlungsansprüche aus dem strittigen Arbeitsverhältnis.

Die Klägerin ist am 25.03.1972 geboren. Die Beklagte betrieb im Frühjahr 1998 die Sozialstation „E…D….”. Die Beklagte beschäftigte im pflegerischen und im verwaltenden Bereich insgesamt 5 Arbeitnehmer. Die Parteien schlossen am 01.04.1998 schriftlich einen unbefristeten Arbeitsvertrag. Die Klägerin wurde als Krankenpflegehelferin zu einem Monatsbruttoentgelt von 2.800.-DM eingestellt. Das Arbeitsamt Bochum hatte der Beklagten für das Arbeitsverhältnis eine Beschäftigungshilfe in Höhe von 60 % des Bruttoarbeitsentgeltes bewilligt. Die von der Klägerin zu verrichtenden Arbeiten sind in § 1 des Arbeitsvertrages wie folgt wiedergegeben: Verbandwechsel, Messung von Vitalparametern, weitere unterstützende Aufgaben, Große und kleine Toilette, Vollbad, Hilfen bei Ausscheidungen, Lagern, Mobilisation, Umfangreiche Hilfe bei der Nahrung. Nach § 10 Nr. 4 des Arbeitsvertrages gelten im Krankheitsfall die gesetzlichen Bestimmungen. Wegen der weiteren Einzelheiten des schriftlichen Arbeitsvertrages wird auf die Vertragskopie Bl. 17 – 20 d.A. verwiesen. Am 02.04.1998 hatte die Klägerin einen Termin bei dem Arzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Dr. I… Dieser stellte die Schwangerschaft fest („Schwangerschaft festgestellt am: 02.04.1998 in der 8. SSW”). Weiter ist im Mutterpaß (auszugsweise Kopie Bl. 49 – 54 d.A.) festgestellt: „Letzte Periode 06.02.1998”, „Berechneter Entbindungstermin: 12.11.1998”. Bei Abschluß des Arbeitsvertrages wurde über eine mögliche Schwangerschaft nicht gesprochen. Die Klägerin nahm ihre Arbeit auf und arbeitete bis zum 08.04.1998. Sie verrichtete folgende Tätigkeiten:

  • Hauswirtschaftliche Versorgung, das Putzen der kompletten Wohnung sowie die Einkäufe für jeweils 1 Woche für die Patientin; geputzt wurde bei der Patientin einmal pro Woche, die Einkäufe erfolgten zweimal pro Woche;
  • Grundpflege bei einer 93jährigen Patientin, die gerade aus dem Krankenhaus entlassen war und zudem einen Haarriß in der Wirbelsäule hatte; sie wurde morgens und abends gewaschen/geduscht und mußte im Badezimmer aktiv unterstützt werden; diese Grundpflegeeinsätze erfolgten täglich morgens und abends;
  • Grundpflege bei einer Patientin, die auf dem Weg ins Badezimmer gestützt werden mußte, da sie zu Schwindelanfällen neigt;
  • Baden einer fast erblindeten Patientin, die sich nicht allein in die Wanne legen oder wieder aufstehen konnte;
  • soziale Betreuung einer Alzheimer-Patientin.

Ab dem 09.04.1998 fehlte die Klägerin. Später legte die Klägerin eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ihres Hausarztes P… vom 14.04.1998 über eine Arbeitsunfähigkeit vom 10.04.1998 bis zum 21.04.1998 vor. Unter dem 20.04.1998 bescheinigte der Hausarzt eine fortbestehende Arbeitsunfähigkeit der Klägerin bis zum 04.05.1998. Am 21.04.1998 legte die Klägerin eine Bescheinigung des Dr. I… über die bestehende Schwangerschaft vor. Als letzter Arbeitstag ist dort der 30.09.1998 ausgewiesen (Bl. 12 d.A.). Mit Schreiben an die Klägerin vom 27.04.1998 erklärte die Beklagte die Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen Eigenschaftsirrtums und wegen arglistiger Täuschung. Die Klägerin habe bei der Einstellung die bestehende Schwangerschaft arglistig verschwiegen. Entgelt oder Entgeltfortzahlung leistete die Beklagte nicht. Im Verlaufe des Rechtsstreits legte die Beklagte amtliche Schreiben zur Beschäftigung schwangerer Arbeitnehmerinnen in der Krankenpflege vor. Dort heißt es u.a.:

1. Schreiben des staatlichen Amtes für Arbeitsschutz Dortmund an die Beklagte vom 14.07.1998 „Bezug: Ihre Schwangerschaftsanzeige vom 08.07.1998”:

„… Diese Allgemeinbestimmung wird durch § 5 MuSchRiV ergänzt, wonach werdende Mütter nicht mit Stoffen, Zubereitungen oder Erzeugnissen, die ihrer Art nach erfahrungsgemäß Krankheitserreger übertragen können, beschäftigt werden dürfen, wenn sie den Krankheitserregern ausgesetzt sind (Expositionsverbot). Als Gefahrstoffe in diesem Sinne sind im Bereich der ambulanten Krankenpflege Blut und sonstige Körpersekrete sowie menschliches Untersuchungsgut zu nennen. Eine Exposition im Sinne der MuSchRiV liegt bereits dann vor, wenn ein Inberührungkommen mit entsprechenden Stoffen nicht sicher ausgeschlossen werden kann.

Bei sämtlichen Punktio...

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