Entscheidungsstichwort (Thema)

Urlaubsanspruch im ruhenden Arbeitsverhältnis. Anspruch auf Urlaub bei Gleichwohlgewährung von Arbeitslosengeld. Richtlinienkonforme Auslegung des § 3 Abs. 1 BUrlG

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Soweit das Arbeitsverhältnis aufgrund einer Gleichwohlgewährung von Arbeitslosengeld ruht, bedeutet dies nicht automatisch, dass in diesem Zeitraum keine Urlaubsansprüche entstehen. Davon ohnehin zu trennen ist die Frage nach einer zulässigen Kürzung durch den Arbeitgeber.

2. § 3 Abs. 1 BurlG ist richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass Arbeitnehmer, die mit dem Arbeitgeber das Ruhen des Arbeitsverhältnisses vereinbaren, weil sie krankheitsbedingt die Arbeitsleistung nicht erbringen können, mit den Arbeitnehmern gleichzustellen sind, die tatsächlich nicht gearbeitet haben.

 

Normenkette

BUrlG § 7 Abs. 4, 3; SGB III § § 136 f., § 157 Abs. 3 S. 1; ZPO § 97 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Entscheidung vom 11.06.2021; Aktenzeichen 10 Ca 1108/21)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 11.06.2021 - 10 Ca 1108/21 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten in der Berufung noch über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung weiterer Urlaubsabgeltung (nebst zusätzlicher Urlaubsvergütung) für den Zeitraum 01.01.2019 bis 30.04.2020 im Umfang von 55 Urlaubstagen in Höhe von 14.747,70. Die weiteren erstinstanzlich verfolgten Ansprüche werden von keiner Partei weiter verfolgt. Insoweit wird das Urteil des Arbeitsgerichtes nicht angegriffen.

Der am 07.11."0000" geborene Kläger war bei der Beklagten seit dem 10.05.2010 als CNC-Dreher zu einem monatlichen Bruttoentgelt in Höhe von 3.284,00 EUR nebst Leistungszulage in Höhe von 390,14 EUR brutto und weiterer Zuschläge tätig. Der durchschnittliche Tagesverdienst des Klägers lag bei 178,76 EUR brutto. Zudem lag der Tagessatz für ein zusätzliches Urlaubsgeld bei 89,38 EUR brutto.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fanden die tarifrechtlichen Bestimmungen der Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen Anwendung.

Der insoweit anwendbare Manteltarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalen vom 08.11.2018 (im Folgenden: MTV) sieht unter § 36.4 vor:

"Im Ein- und Austrittsjahr haben Beschäftigte gegen den alten und neuen Arbeitgeber Anspruch auf so viele Zwölftel des ihnen zustehenden Urlaubs, als sie Monate bei ihnen gearbeitet haben (Beschäftigungsmonate). Ein angefangener Monat wird voll gerechnet, wenn die Beschäftigung mindestens zehn Kalendertage bestanden hat. Für eine Beschäftigung bis zu zwei Wochen besteht kein Urlaubsanspruch. [...]

Wenn das Arbeitsverhältnis durch ordentliche Kündigung des Arbeitgebers nach dem 1. April beendet wird, ist der volle Jahresurlaub zu gewähren. Dies gilt nicht im Eintrittsjahr."

§ 37.6 MTV bestimmt:

Erlöschen

Der Urlaubsanspruch erlischt drei Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, es sei denn, dass er erfolglos geltend gemacht wurde oder dass Urlaub aus betrieblichen Gründen nicht genommen werden konnte.

Konnte der Urlaub wegen Krankheit nicht genommen werden, erlischt der Urlaubsanspruch zwölf Monate nach Ablauf des Zeitraums nach Abs. 1.

Weiter heißt es unter § 37.7 MTV:

"Eine Abgeltung des Urlaubsanspruchs ist nur bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zulässig."

Im Übrigen regelt § 38.1 die Urlaubsgrundvergütung wie folgt:

"Den Beschäftigten wird während des Urlaubs das regelmäßige Arbeitsentgelt weitergezahlt (berechnet nach § 40)."

Hinsichtlich einer zusätzlichen Urlaubsvergütung heißt es unter § 38.2:

"Sie erhalten darüber hinaus eine zusätzliche Urlaubsvergütung, die bei 30 Urlaubstagen gemäß § 36.1 je Urlaubstag 2,4 % des monatlichen regelmäßigen Arbeitsentgelts ausmacht. [...]

Berechnungsgrundlage der zusätzlichen Urlaubsvergütung sind die festen Entgeltbestandteile des laufenden Monats zuzüglich des Monatsdurchschnitts der gemäß § 40 zu berücksichtigenden variablen Entgeltbestandteile der letzten sechs abgerechneten Monate."

Im Übrigen regelt der MTV unter § 49.2 folgende Ausschlussfristen:

"Beschäftigte haben das Recht, Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb folgender Fristen geltend zu machen:

a) Ansprüche auf Zuschläge für Mehr-, Spät-, Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt der Abrechnung,

b) alle übrigen Ansprüche innerhalb von drei Monaten nach ihrer Fälligkeit."

Der Kläger war seit dem 17.08.2017 arbeitsunfähig erkrankt und erhielt ab dem 28.09.2017 bis einschließlich 13.02.2019 Krankengeld. Der Krankengeldbezug endete am 13.02.2019. In der Folge bezog der Kläger Leistungen des Arbeitsamtes gem. §§ 136 ff SGB III im Wege der Gleichwohlgewährung.

Mit Schreiben vom 08.04.2019 (Bl. 66 d.A.) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass dieser die übersandten Vereinbarungen zu einem ruhenden Arbeitsverhältnis ohne Unterschrift zurückgesandt habe und wies darauf hin, dass durch die Beantragung des Arbeitslosengeldes das bestehende Arbeitsverhältnis ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im TVöD Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?