Die Revision wird nicht zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung wegen beabsichtigter Betriebsstilllegung. Beschränkung der sozialen Auswahl auf die Arbeitnehmer des stillgelegten Restbetriebes, wenn ein Betriebsteil ausgegliedert und von einem Erwerber fortgeführt wird. Betriebsübergang. Insolvenz. Betriebsstilllegung in der Insolvenz. Grob fehlerhafte Sozialauswahl
Leitsatz (amtlich)
Parallelverfahren zu 2 Sa 1372/03 und 2 Sa 1863/03
(ohne Interessenausgleich mit Namensliste gemäß § 125 InsO)
Leitsatz (redaktionell)
Wird in der Insolvenz aufgrund einer einheitlichen Entscheidung ein Betriebsteil veräußert und der verbleibende Restbetrieb stillgelegt, sind die Arbeitnehmer des übergehenden Betriebsteils auch dann nicht in die Sozialauswahl gem. § 1 Abs. 3 KSchG einzubeziehen, wenn der Betriebsteilübergang bei Ausspruch der Kündigungen noch nicht vollzogen ist, sondern erst unmittelbar bevorsteht.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 3; BGB § 613a; InsO § 125 Abs. 1 Nrn. 1-2
Verfahrensgang
ArbG Iserlohn (Urteil vom 20.11.2003; Aktenzeichen 4 Ca 168/03) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 20.11.2003 – 4 Ca 168/03 – abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand
Die Parteien streiten um den Bestand des Arbeitsverhältnisses.
Der am 13.14.15xx geborene Kläger war seit dem 02.09.1991 bei der in M2xxxx ansässigen Firma h2x M1xxxxxxxx GmbH als Rohrzieher in der Abteilung Rohrzug tätig, die zum Geschäftsbereich Halbzeug gehört. Über das Vermögen der genannten Firma wurde am 01.12.2002 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser stellte den Kläger und insgesamt etwa 250 Arbeitnehmer aus dem Bereich Halbzeug von ihren Arbeitsleistungsverpflichtungen frei. Zuvor war der Beklagte ab 01.10.2002 vom Insolvenzgericht zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt worden. Mit Beschluss vom 12.11.2002 erließ das Insolvenzgericht gegenüber der Insolvenzschuldnerin ein allgemeines Verfügungsverbot gemäß § 22 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative InsO.
Der Berieb der Insolvenzschuldnerin gliedert sich in die Geschäftsbereiche „S5xxxxxxx” und „Halbzeug”. Innerhalb des Produktionsbereichs „S5xxxxxxx” sind die Abteilungen „Hydroform” und „Wärmetechnik” zu unterscheiden. Im Produktbereich Hydroform werden an Rohren aus Stahl, Edelstahl, Messing und Kupfer komplexe Umformungen mit Hilfe von Wasser-Innenhochdruck vorgenommen. Es handelt sich um Hightech-Endprodukte, die ohne weitere Bearbeitung u.a. von der Fahrzeugindustrie bezogen und eingebaut werden können. Im Bereich „Wärmetechnik” werden Rohre mit gewalzten oder gedrallten Rippen (Rippenrohre) in verschiedenen Ausführungen gefertigt.
In dem Geschäftsbereich „Halbzeug” werden einfache Rohre als Halbfertigprodukte hergestellt. Das dafür benötigte Rohmaterial wird entweder von den Kunden beigestellt und in sogenannten Metallkonten geführt oder auch angekauft und in den eigenen Bestand genommen. Der Betriebsbereich „Halbzeug” besteht aus der Gießerei, der Presse, KTS, Rohrzug, Glühe und Beize. In diesem Bereich waren etwa 330 Mitarbeiter tätig. In der Gießerei wurde das Rohmaterial eingeschmolzen. Die Rohre wurden entweder mit Hilfe von Rohrpressen gepresst oder gezogen. Bei den gefertigten Rohren handelt es sich um lowtech-Produkte, die von den Kunden weiterverarbeitet und daher als Halbzeug-Produkte bezeichnet werden. Beide Bereiche verfügen über eine unterschiedliche Maschinenausstattung und sind räumlich voneinander getrennt. Nach Auffassung des Beklagten handelt es sich daher auch wegen der unterschiedlichen Lieferanten und Kunden um zwei in sich geschlossene Teilbereiche.
Am 19.12.2002 schloss der Beklagte mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich und Sozialplan. Darin heißt es, dass keine Möglichkeit bestehe, den Betrieb im Ganzen zu veräußern. Die Wettbewerbsfähigkeit des Betriebes sei bei den vorhandenen Strukturen nicht gegeben. Deshalb müsse der Bereich Halbzeug vollständig geschlossen werden. Aufzulösen sei auch der Overhead-Bereich. Einzig im Bereich der Betriebsabteilung S5xxxxxxx (Hydroform + Wärmetechnik) scheine eine begrenzte Auffanglösung möglich. Allerdings seien dort sofort umzusetzende strukturelle Maßnahmen unerlässlich, die den Abbau von Arbeitsplätzen erforderten, um das Weiterbestehen der Abteilung S5xxxxxxx zu sichern. Zur Vermeidung einer vollständigen Betriebsschließung sei eine Betriebsänderung notwendig, die darin bestehe, den Bereich Halbzeug mit 333 Arbeitnehmern zu schließen und den Betriebsteil S5xxxxxxx mit etwa 220 Arbeitsplätzen ab 01.01.2003 zu veräußern.
Der Beklagte kündigte am 20.12.2002 die Arbeitsverhältnisse sämtlicher Arbeitnehmer, die nach seiner Darstellung dem Betriebsteil Halbzeug zuzuordnen sind. Der Beklagte hat vorgetragen, die Insolvenzschuldnerin habe sich letztlich in zwei völlig unabhängig voneinander bestehenden Geschäftsbereichen betätigt. Als dritte organisatorische Ein...