Die Revision wird nicht zugelassen
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung wegen Trunksucht
Leitsatz (amtlich)
Eine negative Zukunftsprognose rechtfertigt eine Kündigung wegen Trunksucht in der Regel nicht, ohne dass es bereits in der Vergangenheit zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen gekom men ist.
Normenkette
KSchG § 1
Verfahrensgang
ArbG Hamm (Urteil vom 30.09.2004; Aktenzeichen 4 Ca 1035/04) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers und die Anschlussberufung des Beklagten wird unter Zurückweisung der Berufungen im Übrigen das (Teil-)Urteil des Arbeitsgerichts Hamm vom 30.09.2004 – 4 Ca 1035/04 – teilweise abgeändert und wie folgt unter Aufhebung der erstinstanzlichen Kostenentscheidung neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 26.04.2004 weder fristlos noch fristgerecht aufgelöst worden ist.
Das Arbeitsverhältnis wird zum 31.10.2004 aufgelöst.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger eine Abfindung in Höhe von 30.000,00 EUR zu zahlen.
Die Beklagte hat 4/5 und der Kläger 1/5 der Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine von der Beklagten auf verhaltens- und personenbedingte Gründe gestützte außerordentliche Kündigung vom 26.04.2004, wobei der Kläger hilfsweise eine Wiedereinstellung und die Beklagte hilfsweise die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung begehrt.
Die Beklagte, bei der etwa fünfzehn Arbeitnehmer beschäftigt sind, stellte den am 16.08.1962 geborenen verheirateten Kläger, der eine fünfjährige Tochter hat, zum 16.07.1984 ein. Der Kläger wurde Chefbuchhalter. Sein durchschnittliches monatliches Bruttoeinkommen betrug zuletzt 3.000,–EUR.
Im Jahre 2002/2003 begründete der Geschäftsführer der Beklagten die J1xxxxx-I1xxxxx-GmbH, deren Geschäftsführer der Kläger wurde. In diesem Zeitraum wurde dem Kläger auch zur ausschließlichen Nutzung ein Büroraum zugewiesen.
Im Jahre 2002 und am 27.10.2003 erhielt der Kläger eine Abmahnung wegen Alkoholkonsums, letztere weil der Kläger am 24.10.2003 nach Alkohol gerochen und eine lallende Aussprache gehabt habe.
Ab dem 28.10.2003 wurde der Kläger zwecks Entgiftung stationär behandelt. Am 10.11.2003 erschien der Kläger wieder zur Arbeit.
Am 02.04.04 forderte der Geschäftsführer der Beklagten den Kläger in einem Gespräch auf, sich eine neue Stelle zu suchen und am 08.04.2004 verließ der Kläger gegen 11.30 Uhr alkoholisiert seinen Arbeitsplatz.
Für die Zeit ab dem 13.04.2004 erhielt der Kläger Freizeitausgleich für geleistete Überstunden. Während dieses Freizeitausgleichs wurde der Kläger ab dem 19.04.04 vier Tage stationär behandelt.
Auf Bitten des Klägers kam es am 26.04.2004 frühmorgens zu einem Gespräch zwischen ihm und dem Geschäftsführer der Beklagten, in dem der Kläger jedenfalls um eine Gehaltserhöhung bat.
Mit Schreiben vom gleichen Tag kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger „aufgrund des Gespräches” mit sofortiger Wirkung.
Unter dem 27.04.2004 teilte der Geschäftsführer der Beklagten dem Kläger im Namen der Beklagten und der J1xxxxx-I1xxxxx GmbH folgendes mit:
„Wie wir jetzt feststellen konnten, haben Sie in größerem Umfang unerlaubt Geschäftsunterlagen aus unseren Geschäftsräumen entfernt. Damit haben Sie eine strafbare Handlung begangen.
Wir fordern sie heute auf, sämtliche mitgenommenen Geschäftsunterlagen sofort zurück zu geben. Diese erwarten wir bis spätestens 29.04.2004.”
Der Kläger ließ der Beklagten durch seine Ehefrau am 28.04.05 zahlreiche Geschäftsunterlagen überbringen. Unter dem 28.04.2004 wurde der Kläger nochmals aufgefordert, sämtliche Unterlagen zurückzugeben, da bei Durchsicht der zurückgegebenen Geschäftsunterlagen aufgefallen sei, dass diese nicht vollständig seien.
Mit der bei Gericht am 06.05.2004 eingegangenen Klage hat der Kläger sich gegen die Kündigung gewandt und mit Klageerweiterungen Gehalt und Gehaltsabrechnungen für die Zeit nach Ausspruch der Kündigung geltend gemacht.
Er behauptet, der Geschäftsführer der Beklagten habe ihn immer wieder mit Schimpfwörtern bedacht und sich kränkend über seine Ehefrau geäußert. Wenn er sich gegen die Beleidigungen des Geschäftsführers der Beklagten habe wehren wollen, sei ihm stets bedeutet worden, dass er solange gemobbt werde, bis er von alleine gehe. Dies habe dann letztendlich auch dazu beigetragen, dass er mehr und mehr dem Alkohol zugesprochen habe.
Seine Tätigkeit habe er immer einwandfrei verrichtet.
Er sei es gewesen, der dem Geschäftsführer der Beklagten geraten habe, Forderungen der Beklagten nicht mehr durch fremde Inkassounternehmen einziehen zu lassen, sondern selbst ein Inkassounternehmen zu gründen.
Da ein solches Inkassounternehmen nur in einem abgeschlossenen Büro betrieben werden dürfe, sei ihm Anfang 2003 mit Bestellung zum Geschäftsführer des Inkassounternehmens ein eigener Büroraum zugewiesen worden. Ab diesem Zeitpunkt habe sich zwar seine Tätigkeit für die Beklagte vermindert, er sei jedoch nach wie vor maßgeblic...