Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit, Direktionsrecht, Rechtsmissbrauch, Verwirkung, Eingruppierung, Vertretung

 

Leitsatz (amtlich)

Die nur vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit darf nach § 24 BAT als tarifvertragliches Gestaltungsmittel nicht funktionswidrig verwendet werden. Sie bedarf eines sachlichen Grundes für die Übertragung selbst und für die Dauer der Übertragung. Bei der Übertragung von Daueraufgaben liegt ein solcher sachlicher Grund nicht vor.

Werden bei einer gestaffelten Kettenvertretung von dem Letztvertretenen Daueraufgaben wahrgenommen, so handelt es sich bei den Vertretungen in den unteren Ebenen ebenfalls um Daueraufgaben.

Die Erprobung eines Angestellten kann ein sachlicher Grund für die vorübergehende Übertragung höherwertiger Tätigkeiten nach § 24 Abs. 1 BAT sein.

Zum Zeitpunkt der Übertragung muss die Dauer der Probezeit feststehen. Überschreitet die Probezeit die Dauer von sechs Monaten, so ist eine besondere Begründung hierfür erforderlich.

 

Normenkette

BGB §§ 242, 315 Abs. 1, 3; BAT §§ 22, 24

 

Verfahrensgang

ArbG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 16.05.2000; Aktenzeichen 2 Ca 3162/99)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 12.06.2002; Aktenzeichen 4 AZR 484/01)

 

Tenor

Auf die Berufung des beklagten L1xxxx wird das Urteil des Arbeitsgerichts Gelsenkirchen vom 16.05.2000 – 2 Ca 3162/99 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Das beklagte L2xx ist verpflichtet, an die Klägerin ab 01.07.1999 eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe V c BAT zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 3/10 und dem beklagten L2xx zu 7/10 auferlegt.

Die Revision wird für das beklagte L2xx zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die zutreffende tarifliche Eingruppierung der Klägerin.

Die am 03.05.1950 geborene, verheiratete Klägerin hat eine Berufsausbildung als Bürokauffrau absolviert.

Seit dem 01.04.1982 ist sie bei dem beklagten L2xx als Verwaltungsangestellte tätig. Eingesetzt wird sie bei dem Versorgungsamt in G3xxxxxxxxxxx. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien kommen die Vorschriften des Bundes-Angestelltentarifvertrages kraft vertraglicher Vereinbarung zur Anwendung.

Die Klägerin arbeitete zunächst im Schreibdienst. Sie erhielt eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe VII BAT/BL.

In der Zeit von Mai 1994 bis Mai 1996 nahm die Klägerin mit Erfolg an einer Fortbildungsmaßnahme teil, die inhaltlich abgestellt war auf einen künftigen Einsatz in Tätigkeiten des mittleren Dienstes (s. Teilnahmebescheinigung vom 31.05.1996, Bl. 12 d.A.

Nach Abschluss der Fortbildungsmaßnahme wurde die Klägerin in der Zeit vom 29.04.1996 bis zum 01.04.2000 als Sachbearbeiterin in der Fachabteilung 3 (Schwerbehindertengesetz) eingesetzt unter Gewährung einer persönlichen Zulage nach § 24 Abs. 3 BAT. Wegen der Organisation des Versorgungsamts G3xxxxxxxxxxx wird auf die Organigramme (Bl. 149 f d.A.) verwiesen.

Im Einsatz als Sachbearbeiterin in der Abteilung 3 (Schwerbehindertengesetz) nahm die Klägerin folgende Aufgaben wahr:

1. Bearbeitung von Anträgen nach §§ 3, 4 SchwbG auf Feststellung einer Behinderung, des Grades der Behinderung (GdB) und weiterer gesundheitlicher Merkmale sowie Ausweisausstellung Erstanträge)

55 % Anteil an der Gesamtarbeitszeit

2. Bearbeitung von Änderungsanträgen (§ 48 SGB X)

35 % Anteil an der Gesamtarbeitszeit

3. Bearbeitung von sonstigen Ausweis- und Beiblattangelegenheiten

10 % Anteil an der Gesamtarbeitszeit

Wegen der Einzeltätigkeiten und der Bewertung der Arbeitsvorgänge wird auf die Arbeitsplatzbeschreibung, Stand 02/01, (Bl. 164 bis 170 d.A.), wegen der Arbeitsabläufe auf die Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 08.03.2001 (Bl. 157 ff d.A.) verwiesen.

Die Parteien sind übereinstimmend der Auffassung, dass die von der Klägerin auszuübenden Tätigkeiten als Sachbearbeiterin in der Abteilung 3 den Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 1 a BAT/BL entsprechen.

In der Zeit vom 29.04.1996 bis zum 28.10.1996 erfolgte die vorübergehende Übertragung höherwertiger Tätigkeiten gemäß § 24 Abs. 1 BAT zum Zwecke der Erprobung.

Den sich anschließenden Einsatz verfügte das beklagte L2xx mit Schreiben vom 24.10.1996 u.a. wie folgt:

„1. Erprobungszeit

2. Vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit gemäß § 24 Abs. 1 BAT

Sehr geehrte Frau K1xxxxxx,

mit Ablauf des 28.10.1996 wird Ihre Erprobungszeit erfolgreich beendet sein.

Ab 29.10.1996 werden Sie gemäß § 24 Abs. 1 BAT vorübergehend als Sachbearbeiterin des mittleren Dienstes eingesetzt. Die Tätigkeit entspricht den Merkmalen der Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 1 a BAT und damit einer höheren als Ihrer derzeitigen Vergütungsgruppe.

Der vorübergehende Einsatz endet mit Ablauf des 31.07.1997, weil ab 01.08.1997 der dem Versorgungsamt zugeordnete Regierungsassistentenanwärter Herr A4xxx als Sachbearbeiter des mittleren Dienstes eingesetzt wird und den von Ihnen vorübergehend bese...

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