Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechte einer Gewerkschaft hinsichtlich der Mitgliederwerbung
Leitsatz (amtlich)
Gewerkschaften haben nach Art. 9 Abs. 3 GG einen Anspruch auf Zugang zum Betrieb zu Zwecken der Mitgliederwerbung. Entgegenstehende Grundrechte des Arbeitgebers aus Art. 12 Abs. 1, 13 und 14 Abs.1 GG sind im Wege praktischer Konkordanz im Einzelfall zum Ausgleich zu bringen (im Anschluss an BAG Urteil vom 28.02.2010 1 AZR 460/04).
Ist im Betrieb das Tragen von Sicherheitsschuhen vorgeschrieben und wird dies von der Gewerkschaft bei der Antragsstellung nicht berücksichtigt, ist eine einschränkende Verurteilung zulässig, weil es sich nicht um ein Aliud, sondern um ein Minus zur Antragstellung handelt.
Normenkette
GG Art. 9 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Detmold (Entscheidung vom 28.05.2014; Aktenzeichen 3 Ca 810/13) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 28.05.2014 - 3 Ca 810/13 - wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über das betriebliche Zutrittsrecht der klagenden Gewerkschaft zum Zwecke der Mitgliederwerbung.
Die Beklagte stellt in ihrem Betrieb mit mehr als 200 Beschäftigten Bauelemente her. Klägerin ist die IG Metall, die im Betrieb durch Arbeitnehmer vertreten ist.
Mit Telefax vom 20.03.2013, das laut Sendeprotokoll um 8:29 Uhr übermittelt wurde, kündigte der Gewerkschaftssekretär der Klägerin, O, an, den Betrieb der Beklagte aufsuchen zu wollen, um in der Mittagspause der Beschäftigten um Mitglieder zu werben. Gegen 11:30 Uhr suchte er den Betrieb auf, woraufhin es zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen ihm und dem Geschäftsführer der Beklagten kam. Der konkrete Ablauf der Geschehnisse ist zwischen den Parteien streitig geblieben. Nachdem der Gewerkschaftssekretär einer Aufforderung, die Geschäftsräumlichkeiten zu verlassen, nicht gefolgt war, nahm die Beklagte polizeiliche Hilfe in Anspruch, um den Gewerkschaftssekretär aus den Räumlichkeiten zu entfernen. Mit Schreiben vom 25.03.2013 verwies die Beklagte auf die Geschehnisse des 20.03.2013 und erteilte dem Gewerkschaftssekretär O ein Hausverbot.
Die Produktionsmitarbeiter der Beklagten haben auf dem Betriebsgelände in einer Kantine die Möglichkeit in der Frühschicht täglich eine Mittagspause in der Zeit von 11:00 bis 11:30 Uhr abzuhalten. Die übrigen Mitarbeiter - insbesondere solche, die in Gleitzeit tätig sind - machen von ihrer Mittagspause in der Regel zwischen 12:00 und 12:30 Uhr bzw. 12:30 und 13:00 Uhr Gebrauch. Sicherheitsvorschriften gestatten es bei der Beklagten grundsätzlich nur die Produktionsräume mit Sicherheitsschuhen zu betreten.
Mit ihrer am 05.07.2013 beim Arbeitsgericht Detmold eingegangenen Klage begehrt die Klägerin die Aufhebung des gegenüber dem Gewerkschaftsekretär O ausgesprochenen Hausverbotes und die Duldung des künftigen Zutritts zum Zwecke der Mitgliederwerbung. Sie hat behauptet, der Gewerkschaftssekretär O habe bei seinem Eintreffen im Betrieb der Beklagten am 20.03.2014 zunächst gegenüber dem Empfang seinen Namen und den Anlass seines Besuches genannt. Auf das Erfordernis, einen Besucherausweis ausstellen zu lassen, sei er ebenso wenig hingewiesen worden wie auf die Notwendigkeit, Sicherheitsschuhe zu tragen.
Die Klägerin hat beantragt,
- Die Beklagte wird verurteilt, das mit Schreiben vom 25.03.2013 ausgesprochene Hausverbot gegen Herrn O aufzuheben.
- Die Beklagte wird verurteilt, den Zutritt des Gewerkschaftssekretärs O oder eines anderen von der Klägerin bestimmten Gewerkschaftsbeauftragten zu der Kantine in ihrem Betrieb in der Jstraße 1-2 in M während der Mittagspausenzeiten der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer von 11:00 Uhr bis 11:30 Uhr, von 12:00 Uhr bis 12:30 Uhr sowie von 12:30 Uhr bis 13:00 Uhr zum Zwecke der Mitgliederwerbung zu dulden.
Hilfsweise zu 2.:
- Die Beklagte wird verurteilt, den Zutritt des Gewerkschaftssekretärs O oder eines anderen von der Klägerin bestimmten Gewerkschaftsbeauftragten zu der Kantine in ihrem Betrieb in der Jstraße 1-2 in M während der Mittagspausenzeiten der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer von 11:00 Uhr bis 11:30 Uhr, von 12:00 Uhr bis 12:30 Uhr sowie von 12:30 Uhr bis 13:00 Uhr zum Zwecke der Mitgliederwerbung nach vorheriger Unterrichtung der Beklagten zu dulden.
Hilfsweise zu 2.+ 3.:
- Die Beklagte wird verurteilt, den Zutritt des Gewerkschaftsekretärs O oder eines anderen von der Klägerin bestimmten Gewerkschaftbeauftragten zu die Kantine in ihrem Betrieb in der Jstraße 1-2 in M während der Mittagspausenzeiten der bei ihr beschäftigten Arbeitsnehmer von 11.00 Uhr - 11.30 Uhr, von 12.00 Uhr - 12.30 Uhr sowie von 12.30 Uhr - 13.00 Uhr zum Zwecke der Mitgliederwerbung und der Information über die satzungsgemäßen Aufgaben der Klägerin, insbesondere die aktuelle Tarifentwicklung sowie den Gesundheitsschutz durch Überreichen von Broschüren, Formularen und Flugblätter und Durchführen persönlicher Gespräche einmal im Kalenderhalbjahr nach einer Ank...