Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Änderungskündigung. tarifliche Unkündbarkeit. wichtiger Grund. Fremdvergabe von Reinigungstätigkeit. ultima ratio. Personalgestellung als milderes Mittel
Leitsatz (amtlich)
Tarifliche Unkündbarkeit: Weiterbeschäftigung im Wege der Personalgestellung als milderes Mittel bei Fremdvergabe von Aufgaben
Der Grundsatz der „freien Unternehmerentscheidung” ist auch im Verhältnis zum tariflich unkündbaren Arbeitnehmer nicht durch eine Zweckmäßigkeits- oder Angemessenheitskontrolle beschränkt (im Anschluss an BAG, 06.10.2005, 2 AZR 372/04, AP Nr. 8 zu § 53 BAT). Im Falle der Auslagerung der bislang vom „unkündbaren” Arbeitnehmer erledigten Tätigkeit trifft den Arbeitgeber jedoch die Verpflichtung, im Zuge der Auftragsvergabe an das Fremdunternehmen für eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Wege der Personalgestellung zu sorgen, auch wenn hiermit erhöhte Personalkosten verbunden sind.
Normenkette
BGB § 626
Verfahrensgang
ArbG Bielefeld (Urteil vom 25.03.2010; Aktenzeichen 2 Ca 1852/09) |
Nachgehend
BAG (Aktenzeichen 2 AZR 741/10) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 25.03.2010 – 2 Ca 1852/09 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Mit ihrer Klage wendet sich die tariflich nur noch aus wichtigem Grund kündbare Klägerin gegen die Änderung ihrer Arbeitsbedingungen durch außerordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung vom 26.05.2009 mit sozialer Auslauffrist zum 31.12.2009.
Die am 24.03.1956 geborene, verheiratete Klägerin ist seit dem 01.05.1990 bei dem beklagten Unternehmen zu einem monatlichen Bruttoentgelt von zuletzt ca. 1.800,– Euro bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 30 Stunden beschäftigt. Sie ist durch Bescheid der Agentur für Arbeit B1 vom 26.04.2007 einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Die Beklagte betreibt u.a. das L1 in H1. In der Vergangenheit war die Klägerin hier laut Arbeitsplatzbeschreibung vom 10.12.1996 (Bl. 3 d. A.) im Bereich der Kasse und als Reinigungskraft beschäftigt und zuletzt in Entgeltgruppe 4 TV-V eingruppiert. Gemäß § 22 Abs. 7 TV-V ist das Arbeitsverhältnis der Klägerin nur noch aus wichtigem Grund kündbar.
Mit Schreiben vom 26.05.2009 (Bl. 5 d.A.) sprach die Beklagte gegenüber der Klägerin die hier angegriffene Änderungskündigung vom 26.05.2009 mit Wirkung zum 31.12.2009 aus. Zugleich bot die Beklagte der Klägerin eine Änderung der Arbeitsbedingungen mit dem Inhalt an, künftig als Reinigungskraft mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 15 Stunden unter gleichzeitiger Herabgruppierung in Entgeltgruppe 1 TV-V nebst tariflicher Vergütungssicherung gemäß § 6 RatSchTV tätig zu werden. Die Klägerin hat die ihr angebotene Änderung der Arbeitsbedingungen mit Schreiben vom 03.06.2009 unter Vorbehalt angenommen.
Zur Begründung der angegriffenen Änderungskündigung hat die Beklagte vorgetragen, bereits im April 2007 sei die unternehmerische Entscheidung getroffen worden, ab dem 31.12.2007 die Teil-Aufgaben der Klägerin und ihrer Kolleginnen im Bereich von Kasse und Kundenbetreuung mit der Aufstellung eines Kassenautomaten und der Neuorganisation von Kassen- und Saunadienst entfallen zu lassen. Die ursprüngliche Absicht der Beklagten, die Klägerin und ihre Kolleginnen sodann mit Reinigungsaufgaben bei der Tagesunterhaltsreinigung im L1 einzusetzen, sei an deren fehlender Bereitschaft gescheitert, eine entsprechende Vertragsänderung zu akzeptieren. Hierauf sei zunächst ein abgewandeltes Konzept mit dem Inhalt beschlossen worden, die Tagesunterhaltsreinigung vollständig auf ein Reinigungsunternehmen zu übertragen und die Arbeitsverhältnisse mit der Klägerin und ihren Kolleginnen zu beenden. Nach Scheitern der diesbezüglichen Beendigungskündigungen vom 20.06.2007 und 26.11.2007 (ArbG Bielefeld 6 Ca 1637/07 und 2 Ca 3322/07) sei schließlich die Entscheidung getroffen worden, der Klägerin im Wege der Änderungskündigung einen Teil der Tagesunterhaltsreinigung im Umfang von 10 Std/Woche bei Eingruppierung in Entgeltgruppe 1 zuzuweisen. Nachdem auch diese Änderungskündigung vom 30.05.2008 der gerichtlichen Prüfung nicht standgehalten habe (ArbG Bielefeld 5 Ca 1580/08; das unter dem Az. LAG Hamm 17 Sa 193/09 durchgeführte Berufungsverfahren endete durch Berufungsrücknahme), sei nunmehr den in jenem Verfahren zutage getretenen Bedenken Rechnung getragen worden, indem der Klägerin ein wirtschaftlich auskömmliches Arbeitsvolumen von 15 Stunden/Woche und eine Vergütungssicherung nach den Regeln des Rationalisierungstarifvertrages angeboten worden sei. Danach betrage die Stundenvergütung trotz Herabgruppierung unverändert 13,84 EUR entsprechend einer Monatsvergütung von nunmehr 902,44 EUR brutto. Abweichend vom Standpunkt der Klägerin könne ihr von dem insgesamt bestehenden Bedarf an Reinigungstätigkeiten in der Tagesunterhaltsreinigung von 53 Stunden/Woche allein ein Anteil von 15 Stunden übertragen werden, der übrige Teil der Unterhaltsreinigung müsse d...