Entscheidungsstichwort (Thema)
Wahrheitswidrige Antwort auf Fragen nach Anschlußbeschäftigung
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei Vergleichserörterungen im Kündigungsschutzprozeß ist der Arbeitnehmer nicht verpflichtet, von sich aus die Tatsache einer Anschlußbeschäftigung zu offenbaren. Die dahingehende Frage des Gerichts oder des Arbeitgebers muß er jedoch wahrheitsgemäß beantworten.
2. Dem Arbeitgeber ist jedoch auch bei wahrheitswidriger Beantwortung dieser Frage dann kein Schaden entstanden, wenn die Höhe der vereinbarten Abfindung nach den in der arbeitsgerichtlichen Praxis üblichen Regeln bestimmt worden ist.
Verfahrensgang
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 25.06.1993 – 2 Ca 606/93 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten im Wege des Schadensersatzes die Rückzahlung eines Teils der an diese wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund eines Prozeßvergleichs gezahlten Abfindung.
Durch Urteil vom 25.06.1993, auf das zu näheren Darstellung des Sach- und Streitstands verwiesen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, ein Schadensersatzanspruch bestehe schon deshalb nicht, weil die Beklagte in der mündlichen Verhandlung im Kündigungsschutzprozeß nicht verpflichtet gewesen sei, die eventuell von der Klägerin gestellte Frage danach, ob sie, die Beklagte, eine Anschlußbeschäftigung habe, wahrheitsgemäß zu beantworten. Eine entsprechende Offenbarungspflicht bestehe nicht. Die Frage sei deshalb nicht zulässig gewesen.
Gegen dieses, ihr am 23.08.1993 zugestellte Urteil richtet sich die am 08.09.1993 eingelegte und am 16.09.1993 begründete Berufung der Klägerin.
Sie verweist darauf, daß, soweit das Arbeitsgericht eine Parallele zur Frage nach der Schwangerschaft gezogen habe, die Unzulässigkeit dieser Frage aus Verfassungsrecht abgeleitet werde. Durch die Frage nach einer neuen Arbeit werde der Arbeitnehmer jedoch nicht in seinen Grundrechten verletzt. Das Arbeitsgericht habe zudem den Inhalt der prozessualen Wahrheitspflicht zu eng begrenzt. Sie müsse sich auf jede Erklärung der Parteien im Prozeß beziehen. Weiter behauptet die Klägerin, sie habe sich bei der Vereinbarung der Höhe der Abfindung maßgeblich davon bestimmen lassen, daß die Beklagte noch keine neue Arbeit gefunden habe, sie, die Klägerin, habe im Kündigungsschutzprozeß einen Auflösungsantrag gestellt, dem die Beklagte allerdings widersprochen habe. Im Falle der Entscheidung über den Auflösungsantrag hätte das Gericht bei der Festsetzung der Höhe der Abfindung den Umstand, daß die Klägerin eine Anschlußbeschäftigung habe, ebenfalls berücksichtigt. Die Beklagte habe im übrigen die Tatsache der neuen Arbeit nicht nur verschwiegen, sondern die dahingehende Frage wahrheitswidrig beantwortet. Richtig sei zwar, daß es zum Vergleichsabschluß erst gekommen sei, als das Gericht nach Beendigung der Sitzung sich bereits angeschickt hätte, den Saal zu verlassen und daß ihr Geschäftsführer erklärt habe, er wolle das Arbeitsverhältnis auf jeden Fall beenden und sei bereit, die von der Gegenseite geforderte Abfindung zu zahlen. Zu diesem Zeitpunkt habe die Klägerin die Frage nach neuer Arbeit jedoch schon mit „nein” beantwortet.
Zur Höhe des geltend gemachten Rückzahlungsbetrags trägt die Klägerin vor, sie habe vor dem Vergleichsabschluß Abfindungsangebote gemacht, die sich an einem Betrag von 6.500,– DM orientiert hätten. Hieran wolle sie sich festhalten lassen. Aus diesem Grunde habe sie auch nicht die Anfechtung des Vergleichs erklärt.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an sie 7.500,– DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie behauptet, nach ihrer Erinnerung und der ihres Prozeßbevollmächtigten sei die Frage nach neuer Arbeit in der mündlichen Verhandlung überhaupt nicht gestellt worden. Sie könne und wolle dies im Ergebnis jedoch nicht ausschließen. Zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses am 03.12.1992 habe sie sich zwar bei ihrem neuen Arbeitgeber schon beworben gehabt, eine Einstellungszusage aber erst Mitte Dezember 1992 erhalten.
Das Gericht hat die Akte des Rechtsstreits 1 Ca 1017/92 des Arbeitsgerichts Rheine beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
Zum weiteren Vorbringen der Parteien im Berufungsverfahren wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
I
Die Berufung der Klägerin ist zulässig.
Sie ist als solche statthaft (§ 64 Abs. 2 ArbGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, §§ 516, 519 ZPO).
II
In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Rückzahlung eines Teils der für den Verlust des Arbeitsverhältnisses geleisteten Abfindung. Dies folgt freilich nicht daraus, da...