Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsschutzbedürfnis für Durchführung eines Kündigungsschutzverfahrens bei mehreren Kündigungen
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Erhebung einer Kündigungsschutzklage aus Anlaß einer vom Arbeitgeber ausgesprochenen Kündigung des Arbeitsverhältnisses ergibt sich das Feststellungsinteresse in der Regel bereits daraus, daß der unter das Kündigungsschutzgesetz fallende Arbeitnehmer gemäß § 4 Satz 1 KSchG Klage erheben muß, weil sonst eine etwaige Sozialwidrigkeit der Kündigung gemäß § 7 Hs. 1 KSchG geheilt würde. Solange dieser Nachteil droht, kann das Feststellungsinteresse mithin nur ausnahmsweise fehlen und bedarf keiner besonderen Darlegung durch den Arbeitnehmer.
2. Spricht der Arbeitgeber mehrere Kündigungen aus, so muß der Arbeitnehmer sich, sofern er gegen die erste Kündigung keine allgemeine Feststellungsklage gemäß § 256 Abs. 1 ZPO – z.B. mit dem Zusatz: „sondern ungekündigt fortbesteht” – erhoben hat, grundsätzlich gegen jede dieser „Nachkündigungen” binnen der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 Satz 1 KSchG zur Wehr setzen, weil es sich um verschiedene Kündigungserklärungen handelt und weil ansonsten die Fiktion der Rechtswirksamkeit der Kündigung gem. § 7 Hs. 1 KSchG eingreift.
3. Dies gilt auch dann, wenn die Nachkündigung rein vorsorglich für den Fall der Rechtsunwirksamkeit der ersten Kündigung ausgesprochen wird, jedoch entfällt das Rechtsschutzbedürfnis für eine Feststellungsklage gegen eine solche Nachkündigung nachträglich, wenn in einem Vorprozeß festgestellt wird, daß die vorangegangene Kündigung das Arbeitsverhältnis zu einem früheren Zeitpunkt (dort: 30.04.1997) aufgelöst hat, als dies mit der nachfolgenden Kündigung (hier 31.05.1997) beabsichtigt ist, denn dann kann die vorsorglich ausgesprochene Nachkündigung keine Rechtswirkungen mehr entfalten.
4. Ist das allgemeine Feststellungsinteresse für die Durchführung des Kündigungsschutzprozesses nachträglich entfallen, kommt es auf die Frage, ob Verwaltungs- oder Sicherungssequestration angeordnet war und der Sequester kündigungsbefugt ist oder nicht, ebensowenig an wie auf die Frage, ob er im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung überhaupt noch passivlegitimiert ist, weil nach den Behauptungen des Arbeitnehmers nach Zugang der Kündigung ein Betriebsübergang (hier mit Wirkung vom 01.05.1997) auf ein Nachfolgeunternehmen stattgefunden haben soll.
Hamm, den 24.09.1999
gez. Berscheid
Normenkette
KSchG § 4 S. 1, § 7 Hs. 1; ZPO § 256 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Detmold (Entscheidung vom 02.06.1998; Aktenzeichen 2 Ca 501/97) |
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Schlußurteil des Arbeitsgerichts Detmold vom 02.06.1998 (2 Ca 501/97) teilweise abgeändert:
Die Klage wird, soweit sie sich gegen die Kündigung des Beklagten vom 22.04.1997 richtet, abgewiesen.
Die Kosten des ersten Rechtszuges haben die Klägerin zu 16/25 und der Beklagte zu 9/25 zu tragen. Die Kosten des vorliegenden Berufungsverfahrens werden die Klägerin auferlegt.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für die I. Instanz auf 28.688,80 DM = 14.668,35 EUR und für das vorliegende Berufungsverfahren auf 9.156,00 DM = 4.681,39 EUR festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Rechtswirksamkeit einer ordentlichen Kündigung des Beklagten.
Der Beklagte ist der Konkursverwalter über das Vermögen der H P GmbH (Gemeinschuldnerin), die ihren Hauptsitz in L und Niederlassungen ursprünglich in M, D und B hatte. Die Gemeinschuldnerin war im Industriebereich Heizung, Lüftung, Klima und Sanitär tätig und hat Industrieanlagen projektiert und gebaut.
Gemäß schriftlichem Arbeitsvertrag vom 29.02.1996 ist die Klägerin von der Gemeinschuldnerin mit Wirkung vom 01.03.1996 als kaufmännische Angestellte für den Bereich Empfang/Sekretariat der Niederlassung B eingestellt worden. Sie hat zuletzt ein Gehalt einschließlich vermögenswirksamer Leistungen in Höhe von 3.052,00 DM brutto bezogen, welches ihr die Gemeinschuldnerin ab Februar 1997 wegen Zahlungsunfähigkeit nicht mehr ausgezahlt hat.
Durch Beschluß des Amtsgerichts Detmold vom 06.03.1997 (10 N 49/87) war der Beklagte zunächst als Sequester bestellt worden.
Zur Vorfinanzierung des Konkursaufallgeldes schloß der Beklagte mit der D B AG, Filiale D, am 17.03.1997 einen Forderungskaufvertrag. Da der Beklagte als Vertreter der Arbeitnehmer der Gemeinschuldnerin den Forderungskaufvertrag geschlossen hat, hat er sämtlichen Arbeitnehmern eine Vollmacht mit der Bitte um Unterzeichnung zugesandt. Mit anwaltlichem Schreiben vom 12.03.1997 ihres späteren Prozeßbevollmächtigten forderte die Klägerin die Gemeinschuldnerin per Telefax zur Erteilung einer Abrechnung und zur Gehaltszahlung für den Monat Februar 1997 bis zum 14.03.1997, 12.00 Uhr, auf und drohte an, nach ungenutztem Fristablauf Klage einzureichen. Mit weiterem anwaltlichem Schreiben vom 17.03.1997, der Gemeinschuldnerin ebenfalls per Telefax zugeleitet, ließ die Klägerin ihr unter anderem folgendes mitteilen:
Unter Bezugnahme auf mein Telefaxsc...