Entscheidungsstichwort (Thema)
Außergerichtlicher Vergleich / Zustandekommen des Vergleichs bei Schriftformabrede / Beweiszweck der Schriftformabrede / Vollzug trotz Formmangels/Treuwidriges Berufen
Leitsatz (amtlich)
1. Schließen die Arbeitsvertragsparteien zur Erledigung eines Kündigungsrechtsstreits eine außergerichtliche „Aufhebungsvereinbarung”, nach welcher das Arbeitsverhältnis durch die angegriffene arbeitgeberseitige Kündigung gegen Zahlung einer Abfindung endet und sich der Arbeitnehmer zur Rücknahme der Kündigungsschutzklage verpflichtet, so handelt es sich nicht um einen Aufhebungsvertrag, welcher der gesetzlichen Schriftform des § 623 BGB bedarf.
2. Übersendet der Prozessbevollmächtigte des Arbeitgebers dem Prozessbevollmächtigten des Arbeitnehmers im Anschluss an eine telefonische Unterredung den ausgehandelten Text der „Aufhebungsvereinbarung” mit dem Anschreiben, er „bestätige die anliegende Regelung”, so liegt in der Bitte, das bereits einseitig unterzeichnete Exemplar der Vereinbarung binnen einer bestimmten Frist unterschrieben zurückzusenden, abweichend von der Vermutung des § 154 Abs. 2 BGB keine für das Zustandekommen der Vereinbarung maßgebliche konstitutive Schriftformabrede i.S.d. § 127 BGB (Abgrenzung zu BAG AP Nr. 114 zu § 779 BGB).
3. Auch bei Annahme einer konstitutiven Beurkundungsabrede i.S.d. § 154 Abs. 2 BGB verstößt es gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, wenn sich der Arbeitgeber auf die mangelnde Einhaltung der Schriftform beruft und die Auszahlung der vorgesehenen Abfindung verweigert, obgleich der Arbeitnehmer seine Kündigungsschutzklage sogleich bei Empfang des schriftlichen Vertragstextes in Erfüllung der vermeintlich bereits zustande gekommenen Vereinbarung zurückgenommen und den Arbeitgeber zeitgleich hierüber informiert hat. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die vorzeitige Klagerücknahme durch die unklare Formulierung im Anschreiben des Arbeitgebervertreters veranlasst ist, er „bestätige” die (arbeitgeberseitig bereits unterzeichnete) Regelung.
Normenkette
BGB §§ 127, 154 Abs. 2, §§ 242, 623
Verfahrensgang
ArbG Bochum (Entscheidung vom 17.05.2001; Aktenzeichen 3 Ca 2237/00) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bochum vom 17.05.2001 – 3 Ca 2237/00 – wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Mit seiner Klage nimmt der Kläger die Beklagte als vormalige Arbeitgeberin auf Zahlung einer Kündigungsabfindung in Anspruch und verweist hierzu auf eine schriftliche, vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten unterzeichnete „außergerichtliche Vereinbarung”, welche im Zuge eines Kündigungsschutzverfahrens zwischen den beiderseitigen Prozessbevollmächtigten ausgehandelt worden ist. Ob diese Vereinbarung formwirksam zustande gekommen ist, ist unter den Parteien streitig.
Der Kläger war in der Zeit vom 01.11.1996 bis zum 30.06.2000 im Betrieb der Beklagten als Fotograf beschäftigt. Unter dem 15.05.2000 hatte die Beklagte gegenüber dem Kläger eine ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 30.06.2000 ausgesprochen, welche der Kläger durch Klage vor dem Arbeitsgericht Bochum – 5 Ca 1648/00 – angegriffen hat. Unmittelbar vor dem Gütetermin vom 05.07.2000 verhandelten die beiderseitigen Prozessbevollmächtigten über den Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung. Per Telefax vom 04.07.2000 wandte sich sodann der Beklagtenvertreter an den Klägervertreter mit folgendem Anschreiben per Telefax (Bl. 7 d.A.):
„Sehr geehrter Herr Kollege B2xx,
bezugnehmend auf unsere Telefonate vom 3.7. und 4.7.2000 bestätigen wir die anliegende Regelung.
Bitte bestätigen Sie vorab per Fax, damit der Termin am 5.7.2000 entfallen kann. Wir gehen davon aus, daß sie das Gericht entsprechend informieren.
Das Original haben wir Ihnen in doppelter Ausfertigung per Post übermittelt mit der Bitte, ein gegengezeichnetes Exemplar umgehend und damit spätestens bis 10.7.2000 (hier eingehend) auf gleichem Wege an uns zurückzusenden.
…”
Zugleich faxte er an den Klägervertreter folgende Aufhebungsvereinbarung:
„Aufhebungsvereinbarung
zwischen der Fa. F1xx R1xxx GmbH, E4xxxxxxxxxx. 41, 42xxx G1xxxxxxxxxxx, vertr. d. d. RA M1xxxxx M2xxxx,
und Herrn E2xx T1xxxxxxxxxx, K2xxxxxxx. 31, 44xxx B1xxxx, vertr. d. d. RA M1xxxxx B2xx.
- Die Parteien sind sich darüber einig, daß das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher arbeitgeberseitiger Kündigung vom 15.5.2000, zugegangen am 29.5.2000, zum 30.6.2000 sein Ende gefunden hat.
- Wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der damit verbundenen Aufgabe des sozialen Besitzstandes zahlt die Fa. R1xxx an Herrn T1xxxxxxxxxx eine einmalige Kündigungsschutzabfindung i.H.v. DM 6.000,–.
- Das Arbeitsverhältnis wird zum 30.6.2000 ordnungsgemäß abgerechnet. Etwa noch bestehende Resturlaubsansprüche gelten mit der zum Ende des Arbeitsverhältnisses erfolgten Freistellung als abgegolten.
- Herr T1xxxxxxxxxx verpflichtet sich, die ihm überlassene Ausrüstung umgehend in ordnungsgemäßem Zustand an die Fa. R1...