Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung des Betriebsrats bei Einstellung eines Arbeitnehmers bei einer ausländischen Gesellschaft
Leitsatz (amtlich)
1. Eine mitbestimmungspflichtige Einstellung kann auch dann vorliegen, wenn ein Arbeitnehmer, der bei einer ausländischen Gesellschaft angestellt ist und dort seinen Dienstsitz hat, zum Leiter eines Teams bestellt wird, das sich (auch) aus Arbeitnehmern eines deutschen Betriebs zusammensetzt.
2. Bei einem freigestellten Betriebsratsmitglied ist für das Vorliegen einer mitbestimmungspflichtigen Versetzung auf seine organisatorische Zuordnung zu einem neuen Arbeitsbereich abzustellen und nicht erst auf die spätere tatsächliche Übernahme der neuen Aufgaben nach Beendigung der Freistellung.
Normenkette
BetrVG § 99 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Entscheidung vom 24.10.2019; Aktenzeichen 3 BV 33/19) |
Tenor
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten in der Beschwerdeinstanz noch über die Aufhebung von zwei personellen Einzelmaßnahmen.
Die Arbeitgeberin und die französische B SAS sind Tochterunternehmen der B SA, einer belgischen Gesellschaft, die im Rahmen eines Joint Ventures die Einkaufsaktivitäten der D T AG und der französischen O SAS bündelt. Die Arbeitgeberin beschäftigt in Deutschland ca. 200 Arbeitnehmer. Der Antragsteller ist für die Arbeitnehmer an den Standorten B , D , L -E als bundesweiter Betriebsrat zuständig. Bei der französischen B SAS sind etwa 120 Arbeitnehmer beschäftigt. Bei ihr besteht eine eigene Arbeitnehmervertretung nach französischem Recht.
Der Geschäftsführer der Arbeitgeberin Dr. P ist gemäß den amtlichen und unternehmensseitigen Bekanntmachungen zugleich Président der B SAS und CEO der belgischen Muttergesellschaft B SA. Bei der belgischen Muttergesellschaft ist ferner ein sog. Board of Directors installiert, das aus Vertretern der D T AG und der O SAS besteht. Auf der Ebene der Arbeitgeberin und der B SAS ist ein unternehmensübergreifendes Management-Team angesiedelt, das sich aus sog. Senior Vice Presidents (SVP) zusammensetzt. Es legt ua. fest, welche Tätigkeiten von welchen Arbeitnehmern der beiden Gesellschaften ausgeführt werden. Dazu sind auf den verschiedenen organisatorischen Ebenen der Betriebe Teams gebildet, in denen Arbeitnehmer von beiden Gesellschaften eingesetzt werden. Personalverantwortliche Vorgesetzte der Arbeitnehmer ist die bei der Arbeitgeberin beschäftigte SVP Human Resources Dr. F M . Sie setzt dabei Entscheidungen der Muttergesellschaft um und ist von der B SAS bevollmächtigt, auch gegenüber ihren Vertragsarbeitnehmern arbeitsrechtliche Befugnisse auszuüben.
Seit dem 01.05.2019 ist Herr L U im Bereich IT Solutions Leiter (Team Head) der Teams Enterprise Resource Planning (ERP) und Operations Support Systems (OSS). Herr U ist bei der B SAS auf Grund eines mit ihr abgeschlossenen Arbeitsvertrags in I (Département H ) am südwestlichen Stadtrand von P beschäftigt. Das Team ERP besteht neben Herrn U aus fünf Arbeitnehmern, darunter vier Arbeitnehmer mit Arbeitsverträgen nach deutschem Recht und ein Arbeitnehmer mit einem Arbeitsvertrag nach französischem Recht. Dem Team OSS gehören neben Herrn U drei Arbeitnehmer mit jeweils einem deutschen Arbeitsvertrag und ein Arbeitnehmer mit einem französischen Arbeitsvertrag an. Unmittelbarer Fachvorgesetzter des Herrn U ist der bei der Arbeitgeberin in L beschäftigte Vice President D B , der wiederum der bei der B SAS in I beschäftigten SVP Information Technology Bé F untersteht.
Im Rahmen einer Neustrukturierung wurde der Bereich IT/NT Consulting aufgelöst. Den dort beschäftigten Arbeitnehmern Be , K und M wurden andere Aufgaben zugewiesen. Dem Bereich IT/NT Consulting gehörte auch der freigestellte Vorsitzende des Antragstellers, Herr G , als Senior Strategic Sourcer IT/NT Consulting an. Er ist nunmehr der Organisationseinheit IT Solutions ERP zugeordnet.
Der Antragsteller hat die Auffassung vertreten, dass beide personellen Einzelmaßnahmen gemäß § 99 BetrVG seiner Beteiligung unterlägen.
Bei der Zuweisung von Führungsbefugnissen an Herrn U handele es sich um eine Einstellung. Denn Herrn U sei das fachliche und disziplinarische Weisungsrecht gegenüber Arbeitnehmern der Arbeitgeberin übertragen worden. Damit wirke er an der Verwirklichung des arbeitstechnischen Zwecks ihres Betriebes mit. Unerheblich sei, dass Herr U einen Arbeitsvertrag mit der B SA habe und seine Tätigkeit überwiegend in Frankreich ausübe. Entscheidend sei, dass er seine Weisungsbefugnisse z.B. mittels elektronischer Kommunikationsmittel gegenüber den deutschen Arbeitnehmern ausübe.
Die Zuordnung von Herrn G zur Organisationseinheit IT Solutions ERP stelle eine Versetzung dar. Der Aufgabenbereich des Herrn G habe bislang deutschsprachige Verträge im nationalen Umfeld betroffen. Der zukünftige Schwerpunkt seiner Verantwortlichkeiten liege nunmehr ...