Entscheidungsstichwort (Thema)
Hemmung der Beschwerdebegründungsfrist bei unrichtiger Rechtsmittelbelehrung im Beschluss. Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Besuchskonzept für Krankenhaus in Corona-Zeiten als Teil des Gesundheitsschutzes
Leitsatz (amtlich)
1. Enthält der arbeitsgerichtliche Beschluss über die Einsetzung einer Einigungsstelle eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung, ist die Beschwerdebegründungsfrist so lange als gehemmt anzusehen, wie die Frist für die Einlegung des Rechtsmittels nicht abgelaufen ist.
2. Der Betriebsrat eines Krankenhauses hat gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG bei der Ausgestaltung eines Besuchskonzepts iSd. § 5 Abs. 1 Satz 3 CoronaSchVO NRW mitzubestimmen.
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 7; ArbGG § 9 Abs. 5 S. 3, § 100 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Siegburg (Entscheidung vom 06.11.2020; Aktenzeichen 3 BV 31/20) |
Tenor
Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Siegburg vom 06.11.2020 - 3 BV 31/20 - wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Arbeitgeberin betreibt ein Krankenhaus mit ca. 850 Arbeitnehmern. Im Zuge der Corona-Pandemie hatte sie ohne Beteiligung des bei ihr gebildeten Betriebsrats ein System zur Dokumentation des Zutritts und Aufenthalts betriebsfremder Personen auf dem Klinikgelände eingeführt.
Mit einem am 06.11.2020 verkündeten Beschluss hat das Arbeitsgericht Siegburg in dem von dem Betriebsrat eingeleiteten Beschlussverfahren den Direktor des Arbeitsgerichts K a. D. zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "durch die Corona-Pandemie bedingte Kontrolle und Dokumentation des Zutritts und Aufenthalts betriebsfremder Personen im H Klinikum S" bestellt und unter teilweiser Zurückweisung des Antrags im Übrigen die Zahl der Beisitzer für jede Seite auf zwei festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Einigungsstelle zur Regelung der Angelegenheit nicht offensichtlich unzuständig sei. Die Arbeitgeberin sei gesetzlich verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen würden. Nach der Coronaschutzverordnung für das Land Nordrhein-Westfalen seien Besuche in den in Krankenhäusern nur auf der Basis eines einrichtungsbezogenen Besuchskonzepts zulässig. Da gesetzliche Vorgaben, ob und wie die Zugangskontrolle und -dokumentation umzusetzen sei, nicht existieren würden, bestehe Raum für eine entsprechende betriebliche Regelung, bei der der Betriebsrat gemäß § 87 Abs. 1Nr. 7 BetrVG mitbestimmen könne.
Der Beschluss, gegen den ausweislich seiner Rechtsmittelbelehrung innerhalb einer Notfrist von einem Monat Beschwerde eingelegt werden konnte, ist der Arbeitgeberin am 27.11.2020 zugestellt worden. Ihre dagegen gerichtete Beschwerde ist am 23.12.2020 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangen und zugleich begründet worden.
Die Arbeitgeberin ist der Auffassung, dass die Einigungsstelle entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts zur Regelung der Angelegenheit offensichtlich unzuständig sei. Die Zugangskontrollen würden in erster Linie dem Schutz der bei ihr behandelten Patienten und nicht der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer dienen. Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG knüpfe an einer für sie verbindliche Rechtsnorm an. Eine solche existiere jedoch nicht. Bei den Arbeitsschutzstandards des Bundesarbeitsministeriums handele es sich allenfalls um unverbindliche Empfehlungen.
Die Arbeitgeberin beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Siegburg vom 06.11.2020- 3 BV 31/20 - aufzuheben und den Antrag des Betriebsrats zurückzuweisen.
Der Betriebsrat beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt die arbeitsgerichtliche Entscheidung unter Vertiefung seines Vortrags. Er ist der Auffassung, dass die Coronaschutzverordnung eine Handlungspflicht der Arbeitgeberin vorgebe. Gemäß § 5 Abs. 1 CoronaSchVO seien Besuche auf der Basis eines einrichtungsbezogenen Besuchskonzepts grundsätzlich zulässig. Dieses Konzept diene auch dem Schutz des Personals. Auf die Verbindlichkeit der Arbeitsschutzstandards des Bundesarbeitsministeriums komme es gar nicht an.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses, die im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze, die eingereichten Unterlagen sowie die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Arbeitgeberin ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
1.) Die Beschwerde ist zulässig, auch wenn sie nicht innerhalb der Zweiwochenfrist des § 100 Abs. 2 Satz 2 ArbGG eingelegt und begründet worden ist.
a) Die Nichteinhaltung der Beschwerdefrist ist im vorliegenden Fall unschädlich, weil die Frist für die Einlegung eines Rechtsmittels gemäß § 9 Abs. 5 Satz 3 ArbGG nur beginnt, wenn die Partei oder der Beteiligte über das Rechtsmittel und das Gericht, bei dem das Rechtsmittel einzulegen ist, die Anschrift des Gerichts und die einzuhaltende Frist und Form schrif...