Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungsverfügung. Arbeitsentgelt
Leitsatz (amtlich)
1. Eine einstweilige Verfügung auf Zahlung von Arbeitsentgelt nach Ablauf der Kündigungsfrist setzt für den Verfügungsanspruch die Glaubhaftmachung tatsächlicher Umstände dahingehend voraus, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit von der Unwirksamkeit der Kündigung auszugehen ist und zudem, dass von der Erfüllung der Vorraussetzungen des Annahmeverzugs des Arbeitgebers ausgegangen werden kann. Letztere Voraussetzung ist schon dann erfüllt, wenn der Arbeitnehmer fristwahrend Kündigungsschutzklage erhoben hat.
2. Einem Arbeitnehmer ist nach Ausspruch einer Kündigung die Inanspruchnahme von Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit zuzumuten, um dadurch eine finanzielle Notlage im Sinne des Verfügungsgrundes abzuwenden. Stellt der Arbeitnehmer hierzu keinen Antrag bei der Bundesanstalt für Arbeit, so führt er seine finanzielle Notlage zurechenbar selbst herbei, so dass es an einem Verfügungsgrund für die einstweilige Verfügung auf Zahlung von Arbeitsentgelt fehlt.
Normenkette
BGB § 611 Abs. 1, § 615 S. 1; ZPO §§ 935, 940
Verfahrensgang
ArbG Aachen (Beschluss vom 04.06.2002; Aktenzeichen 9 (3) Ga 40/02) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Aachen vom 04.06.2002 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Tatbestand
I. Die Antragstellerin begehrt im vorliegenden Verfahren im Wege sog. Leistungsverfügung die Lohnzahlung durch den Antragsgegner für den Monat Mai 2002 in Höhe der monatlichen Nettovergütung von 885,74 EUR.
Der Antragsgegner hat das Arbeitsverhältnis der Parteien durch Kündigung vom 27.03.2002 zum 30.04.2002 gekündigt.
Gegen diese Kündigung hat die Antragstellerin Klage erhoben. Der Kündigungsrechtsstreit wird unter dem Aktenzeichen 9 Ca 1664/02 vor dem Arbeitsgericht Aachen geführt und ist erstinstanzlich noch nicht entschieden.
Die Antragstellerin hält die Kündigung des Antragsgegner für sozial nicht gerechtfertigt und macht unter Bezugnahme auf ihren schriftsätzlichen Vortrag des Kündigungsschutzrechtsstreits geltend, dass sie entgegen den Behauptungen des Antragsgegners sehr wohl körperlich und geistig fit sei und in der Lage sei, die ihr anvertrauten Kinder im Rahmen der ihr übertragenen Aufgaben angemessen zu betreuen. Richtig sei zwar, dass die Antragstellerin bis zur „Wiederaufnahme” der Beschäftigung am 12.11.2001 Probleme mit ihrer durch eine Stoffwechselstörung verursachten psychischen Erkrankung gehabt habe. Die Antragstellerin sei jedoch seit einer zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen medikamentösen Umstellung beschwerdefrei und in der Lage beanstandungsfrei und eigenverantwortlich die arbeitsvertraglichen Aufgaben wahrzunehmen.
Die Antragstellerin hat durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht, dass sie über kein Vermögen und keinerlei Ersparnisse verfüge. Ihr Girokonto habe per 29.05.2002 ein Minus von 631,09 EUR ausgewiesen.
Bis zum 29.05.2002 hatte sich die Antragstellerin nicht arbeitslos gemeldet.
Die Antragstellerin beantragt
den Antragsgegner zu verurteilen, an die Antragstellerin einen Nettolohn in Höhe von 885,74 EUR für den Monat Mai 2002 zu zahlen.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag durch Beschluss vom 04.06.2002 zurückgewiesen. Dieser Beschluss ist der Antragstellerin unter dem 05.06.2002 zugestellt worden.
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer am 19.06.2002 beim Arbeitsgericht eingelegten Beschwerde. Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde durch Beschluss vom 19.06.2002 nicht abgeholfen und die Beschwerde dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Entscheidungsgründe
II. Die gemäß §§ 78 ArbGG, 222, 936, 567 Abs. 1, 569 ZPO zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Das Arbeitsgericht hat mit zutreffender Begründung den Antrag der Antragstellerin zurückgewiesen.
Für den geltend gemachten Anspruch fehlt es sowohl an einem hinreichend glaubhaft gemachten Verfügungsanspruch als auch am Bestehen eines Verfügungsgrundes.
1. Ist – wie vorliegend – nach fristgerechter Kündigung des Arbeitgebers es zu keiner Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers gekommen, so ist alleinige denkbare Anspruchsgrundlage für Vergütungsansprüche § 611 Abs. 1 BGB i. V. m. § 615 S. 1 BGB.
Wird in derartigen Fällen wie üblich nach Ablauf der Kündigungsfrist wegen der ausgesprochenen Kündigung vom Arbeitgeber weiteres Arbeitsentgelt nicht gezahlt, kommt eine einstweilige Verfügung auf Lohnzahlung nur dann in Betracht, wenn der beantragende Arbeitnehmer zunächst für den Verfügungsanspruch die Unwirksamkeit der Kündigung glaubhaft macht und zudem die Voraussetzungen des Annahmeverzugs darlegt.
Lediglich die Voraussetzungen für den Annahmeverzug können als hinreichend dargetan angesehen werden.
Dem eine Kündigungsschutzklage erhebenden Arbeitnehmer kommt nämlich insoweit die inzwischen gefestigte Rechtssprechung des Bundesarbeitsgerichts zugute, wonach er gemäß § 296 S. 1 BGB seine geschuldete Arbeitsleistung weder tatsächlich noch wörtlich für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfris...