Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingruppierung einer Arbeitnehmerin bei vorübergehender Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit. Gerichtliche Kontrolle der Ermessensausübung im Rahmen der Erprobung durch den Arbeitgeber. Zulässigkeit der längeren Bemessung der Erprobungszeit wegen Teilzeit
Leitsatz (amtlich)
1. Die vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit für den Zeitraum von sechs Monaten zu Erprobungszwecken ist idR ermessensfehlerfrei und damit zulässig.
2. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ausübungskontrolle ist der Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber die Ermessensentscheidung zu treffen hat.
3. Es ist einem Arbeitnehmer in Teilzeit nicht zuzumuten, sich nur wegen der Teilzeit länger bewähren zu müssen. Eine solche Handhabe wäre auch vor dem Hintergrund des Diskriminierungsverbots - § 4 Abs. 1 TzBfG - nur schwer zu begründen.
4. Auch eine weitere vorübergehende Übertragung zur Überbrückung bis zur Einführung einer Organisations- oder Verfahrensänderung oder bis zum Auffinden einer passenden Teilzeitstelle entspricht billigem Ermessen.
5. Ob eine Tätigkeit nur vorübergehend auszuüben ist, ergibt sich nicht aus einer rückschauenden Betrachtung, insbesondere nicht daraus, wie lange die Tätigkeit tatsächlich ausgeübt worden ist. Es kommt vielmehr darauf an, welchen Willen der Arbeitgeber bei der Übertragung der Tätigkeit zum Ausdruck gebracht hat. Dasselbe gilt von einer Umwandlung einer zunächst vorübergehend übertragenen Tätigkeit in eine dauernde.
Normenkette
TVöD § 14 Abs. 1; BGB § 315 Abs. 3, 1
Verfahrensgang
ArbG Köln (Entscheidung vom 25.11.2014; Aktenzeichen 12 Ca 1295/14) |
Tenor
- Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 25. November 2014 - 12 Ca 1295/14 - wird zurückgewiesen.
- Die Klägerin hat die Kosten der Berufung zu tragen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die dauerhafte Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit auf die Klägerin nach vorübergehender Übertragung nach § 14 Abs. 1 TVöD-V.
Die Klägerin, verheiratet und zweifache Mutter, absolvierte 1991 ihr Studium der Betriebswirtschaftlehre. Sie war seit Mitte September 2008 für die beklagte Stadt zunächst als Schulsekretärin unter Eingruppierung in die EG 5 in Teilzeit (15 Wochenstunden) tätig. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TVöD für den Bereich Verwaltung im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-V) Anwendung.
Ende 2012 bewarb sich die Klägerin intern erfolgreich - als einzige Bewerberin - auf eine freie Stelle als Sachbearbeiterin in der Kämmerei (EG 12 TVöD-V) mit 19,5 Wochenstunden.
Die beklagte Stadt übertrug ihr die Stelle vorübergehend. In einem Schreiben der beklagten Stadt vom 29. Januar 2013 heißt es:
"...
Ab dem 04.02.2013 nehmen Sie ein höherwertiges Aufgabengebiet wahr, das nach Entgeltgruppe 12 des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) bewertet ist.
Nach Ablauf einer sechsmonatigen Erprobungszeit ist bei Bewährung rückwirkend ab dem Tag der Übertragung des höherwertigen Aufgabengebietes Ihre Eingruppierung vorgesehen.
Ich freue mich daher, Ihnen mitteilen zu können, dass Sie ab dem 01.02.2013 bis zum Ablauf ihrer Erprobungszeit zunächst eine persönliche Zulage in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen Ihrem bisherigen Entgelt und dem sich bei Ihrer Eingruppierung ergebenden Entgelt erhalten.
..."
Am 4. Februar 2013 nahm die Klägerin ihre Tätigkeit in der Kämmerei auf, die Zulage betrug monatlich 478,92 Euro.
Am 19. Juli 2013 erhielt die Klägerin eine dienstliche Beurteilung. Bei der Eignung für die derzeitige Tätigkeit wurde "nein" angekreuzt. Die Gesamtleistung wurde mit der Note 4 beurteilt - einer Leistung, die den Anforderungen mit Einschränkungen entspricht. In dem ausführlichen Beurteilungsbogen waren insbesondere die Arbeitsqualität, die Effizienz sowie die Initiative mit Noten zwischen 4 und 5 (den Anforderungen nicht entsprechend) bewertet. Die passive Kritikfähigkeit war mit der Note 2, im Übrigen waren die Leistungen mit der Note 3 bewertet. Danach folgte eine Begründung: Die in der internen Stellenausschreibung geforderten Kenntnisse seien nicht vorhanden. Die Klägerin sei deswegen nicht im Stande, die zu bearbeitenden Fälle zu analysieren und darin enthaltene Problemstellungen zu erkennen. Zudem fehle es an der Kenntnis der Verwaltung der beklagten Stadt. Die immer noch erforderliche inhaltliche Einarbeitung komme insoweit einer Ausbildung gleich. Die fehlenden fachlichen Grundlagen wirkten sich zwangsläufig negativ auf die Bewertungspunkte der persönlichen Kompetenz aus. In der Beurteilung heißt es danach wörtlich:
"Potentialeinschätzung
...
Die Ableistung der Bewährungszeit war nicht erfolgreich. Der Einsatz von Frau S bei 200 kann daher nicht fortgeführt werden.
Personalentwicklungsmaßnahmen...
Die Eignung von Frau S ist aktuell nicht gegeben. Insbesondere unter Berücksichtigung der Teilzeittätigkeit aber auch von Urlaubsabwesenheiten sowie erforderlichen Grundlagenschulungen, erscheint es geeignet, die Bewährung...