Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausschluss oder Beschränkung des Anspruchs auf Urlaub oder Urlaubsabgeltung während des Arbeitsverhältnisses durch eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Tatsachenvergleich setzt nach § 779 BGB voraus, dass eine bestehende Ungewissheit über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anspruchs durch gegenseitiges Nachgeben ausgeräumt werden soll (vgl. BAG, Urteil vom 08.12.2022 - 6 AZR 459/21 -, juris, Rn. 35; BAG, Urteil vom 20.01.1998 - 9 AZR 812/96 -, juris, Rn. 27).

Der gesetzliche Schutzzweck des § 13 Abs. 1 Satz 3 BurIG würde verfehlt, wenn der Anspruch auf Urlaub oder Urlaubsabgeltung während des Arbeitsverhältnisses durch eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien ausgeschlossen o der beschränkt werden könnte (vgl. LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 09.06.2021 - 2 Sa 116/20 - juris, Rn. 60; LAG München, Urteil vom 12.01.2023 - 3 Sa 358/22 -, juris, Rn. 57).

Etwas anders gilt auch nicht dann, wenn das bevorstehende Ende des Arbeitsverhältnisses mit dem Abschluss der einschränkenden Vereinbarung verbindlich feststeht (a.A. LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19.02.2016 - 8 Sa 1923/15 -, juris, Rn. 40; LAG Köln, Urteil vom 08.11.2012 - 7 Sa 767/12 -, juris, Rn. 59).

 

Normenkette

BGB § 779; BUrlG § 13 Abs. 1 S. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Siegburg (Entscheidung vom 16.08.2023; Aktenzeichen 3 Ca 924/23)

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Siegburg vom 16.08.2023 - 3 Ca 924/23 - wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Urlaubsabgeltungsansprüche des Klägers.

Der Kläger war seit dem 01.01.2019 bei der Beklagten als Betriebsleiter an dem Standort der Beklagten in T zu einem monatlichen Bruttoentgelt in Höhe von zuletzt 5.000,00 EUR beschäftigt. Arbeitsvertraglich war vereinbart, dass dem Kläger 30 Urlaubstage pro Jahr zustanden.

Anfang des Jahres 2023 kam es zu einem Rechtsstreit zwischen den Parteien, in dessen Verlauf diese übereinkamen, dass eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses gewünscht war. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger im Jahr 2023 keinen Urlaub in Anspruch genommen, da er durchgängig arbeitsunfähig erkrankt gewesen war.

Mit Schreiben vom 24.03.2023 übersandte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten der Prozessvertreterin des Klägers einen Vergleichsentwurf. Mit Schreiben vom 28.03.2023 (Bl. 37 f. der erstinstanzlichen Akte) übersandte die Prozessbevollmächtigte des Klägers ein Erwiderungsschreiben mit verschiedenen Änderungsvorschlägen sowie einem modifizierten Vergleichsvorschlag. Unter anderem führte die Prozessbevollmächtigte des Klägers wie folgt aus:

"Im Übrigen nehme ich wie folgt Stellung: Insbesondere auf den gesetzlichen Mindesturlaub kann nicht wirksam verzichtet werden. Im Zuge einer Gesamteinigung ist mein Mandant bereit, nur die Abgeltung des Mindesturlaubes 2023 von sieben Tagen zu berücksichtigen. Aus den Vorjahren wären ansonsten noch nicht gewährte Urlaubstage in beträchtlicher Höhe abzugelten."

Die Klausel zu Urlaubsansprüchen im Vergleichsentwurf lautete wie folgt:

"Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird die E G den gesetzlichen Mindesturlaub des Jahres 2023 von sieben Tagen mit 230,73 € brutto pro Urlaubstag abgelten, sofern er nicht von Herrn H in natura in Anspruch genommen wird. Im Übrigen besteht Einigkeit, dass der gesetzliche Mindesturlaub in den Vorjahren genommen wurde und die Abgeltung eines darüber hinausgehenden Urlaubsanspruchs nicht erfolgt."

Mit Schreiben vom selben Tag (Bl. 41 ff. der erstinstanzlichen Akte) erwiderte der Prozessbevollmächtigte des Klägers und erklärte sich bereit, die vom Kläger gewünschten Änderungen im Hinblick auf das Beendigungsdatum sowie den Zeugnistext umzusetzen. Darüber hinaus führte er wie folgt aus:

"Den weitergehenden Zahlungsforderungen Ihres Auftraggebers wird unsere Mandantin vor dem Hintergrund des bereits sehr entgegenkommenden Angebots der Abfindungszahlung nicht nachkommen. Wir stellen hiermit klar, dass es über die bereits gemachten Zugeständnisse hinaus kein weiteres Entgegenkommen unserer Mandantin geben wird. Es handelt sich bei dem nachfolgenden Angebot um ein finales Vergleichsangebot. Sollte das nachfolgende Vergleichsangebot nicht angenommen werden, sehen wir die Einigungsversuche als gescheitert an."

Der beigefügte Vergleichsvorschlag enthielt unter anderem folgende Regelungen:

"1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher Kündigung der Beklagten vom 30.03.2023, zugegangen am 30.03.2023, aus betrieblichem Anlass zum 30.04.2023 endet.

[...]

7. Urlaubsansprüche sind in natura gewährt.

[...]

9. Die Parteien sind sich darüber einig, dass über die hier geregelten Ansprüche hinaus weitere Ansprüche aus und in Verbindung mit dem Arbeitsverhältnis, gleich aus welchem Rechtsgrund, nicht mehr gegeneinander bestehen.

[...

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