Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit der Kündigung einer Nebenabrede über die Zahlung einer Erschwerniszulage
Leitsatz (amtlich)
Parallelverfahren zu 9 Sa 415/15
Leitsatz (redaktionell)
Die Kündigung einer Nebenabrede über eine Erschwerniszulage unterliegt einer an § 315 BGB ausgerichteten Billigkeitskontrolle durch das angerufene Arbeitsgericht. Die Kündigung hält einer solchen Ausübungskontrolle stand, wenn sich herausstellt, dass kaum zuschlagspflichtige Tätigkeiten angefallen sind.
Normenkette
BGB § 310 Abs. 4, § 315 Abs. 3; TVöD § 2 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Entscheidung vom 21.05.2015; Aktenzeichen 7 Ca 30/15) |
Tenor
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom 21.05.2015 - 7 Ca 30/15 - wird zurückgewiesen.
- Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Fortzahlung einer Erschwerniszulage in pauschalisierter Form.
Der 1968 geborene Kläger war seit dem 03.07.1988 bei der Stadt B als Arbeiter beschäftigt. Grundlage der Tätigkeit war der schriftliche vom 04.07.1988 (Bl. 6 d. A.), der in § 2 die Bestimmungen des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G) und der zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträge - insbesondere des Bezirkszusatztarifvertrages (BZT-G/NRW) - in der jeweils geltenden Fassung in Bezug nimmt. Zusätzlich vereinbarten die seinerzeitigen Arbeitsvertragsparteien am 14.03.1994 eine schriftliche Nebenabrede (Bl. 7 d. A.). Danach erhält der Kläger für geleistete Arbeiten, für die gemäß § 23BMT-G in Verbindung mit § 5 BZT-G ein Erschwerniszuschlag zu zahlen ist, eine Pauschale. Diese Pauschale betrug ursprünglich 180,69 DM monatlich und nahm an den Prozentualsteigerungen der jährlichen Lohnerhöhungen teil. NachZiffer 3 der schriftlichen Nebenabrede kann diese mit einer Frist von zwei Wochen zum Monatsschluss gekündigt werden.
Mit Wirkung zum 01.01.2013 ist das Arbeitsverhältnis des Klägers im Wege eines Teilbetriebsübergangs auf die Beklagte, ein als Anstalt des öffentlichen Rechts neugegründetes kommunales Dienstleistungsunternehmen für Abfallwirtschaft und Stadtreinigung, übergegangen. Mit Schreiben vom 11.09.2014 (Bl. 14 d. A.) kündigte die Beklagten die Nebenabrede vom 14.03.1994 fristgerecht zum 30.09.2014. Gleichzeitig wies sie den Kläger auf die weiterhin bestehende Möglichkeit hin, im Einzelfall tariflich zustehende Erschwerniszuschläge auftragsbezogen geltend zu machen.
Mit seiner am 07.01.2015 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger die Auffassung vertreten, dass die Kündigung der Nebenabrede unwirksam sei. Der Sache nach handele es sich bei der Nebenabrede um einen Widerrufsvorbehalt, sodass die Kriterien der Rechtsprechung zum AGB rechtlichen Widerrufsvorbehalt hätten berücksichtigt werden müssen. Insbesondere hätten die Gründe des "Widerrufs" angegeben werden müssen, um den Transparenzgebot zu genügen. Solche Gründe seien aber - unstreitig - nicht vereinbart worden.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass die Nebenabrede vom 14.03.1994 zum Arbeitsvertrag vom 04.07.1988 durch die Kündigung vom 11.09.2014 nicht beseitigt worden ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Kündigung für rechtswirksam erachtet und sich darauf berufen, dass sie mit der Umstellung von der pauschalen zur "spitzen" Abrechnung der Erschwerniszulagen dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, welches für sie als öffentliche Arbeitgeberin zu beachten sei, folge.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 21.05.2015 die Klage insgesamt abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei der Regelung der Parteien vom 14.03.1994 um eine Nebenabrede im Sinne von § 2 Abs. 3 TVöD handele und die Kündigung dieser Nebenabrede durch die Beklagte nach § 2 Abs. 3 S. 2 TVöD rechtlich nicht zu beanstanden sei. Auch die maßgebliche Kündigungsfrist sei von der Beklagten eingehalten worden. Schließlich sei die Nebenabrede der Parteien auch nicht an den Voraussetzungen zu messen, die das BAG an die Rechtmäßigkeit arbeitsvertraglicher Widerrufsvorbehalte stelle, da eine AGB-Kontrolle im vorliegenden Fall gemäß § 310 Abs. 4 S. 1 BGB nicht in Betracht komme. Wegen der weiteren Begründungen im Einzelnen wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 36 ff. d. A.) Bezug genommen.
Gegen dieses ihm am 27.05.2015 zugestellte Urteil hat der Kläger am 11.06.2015 Berufung eingelegt und hat diese gleichzeitig begründet.
Der Kläger ist nach wie vor der Auffassung, dass die Kündigung der Nebenabrede mit Schreiben vom 11.09.2014 unwirksam sei und diese Nebenabrede mithin weiterhin Gültigkeit habe. Er meint insbesondere, dies folge aus der durchzuführenden AGB-Kontrolle. Eine solche scheitere auch nicht an§ 310 Abs. 4 S. 1 BGB, denn diese Vorschrift nehme lediglich Tarifverträge aus dem Anwendungsbereich der AGB-Kontrolle aus. Vorliegend gehe es jedoch nicht um die Kontrolle ei...