Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit der Kündigung einer Nebenabrede über die Zahlung einer Erschwerniszulage
Leitsatz (redaktionell)
Die Kündigung einer Nebenabrede über eine Erschwerniszulage unterliegt einer an § 315 BGB ausgerichteten Billigkeitskontrolle durch das angerufene Arbeitsgericht.
Die Kündigung hält einer solchen Ausübungskontrolle stand, wenn sich herausstellt, dass kaum zuschlagspflichtige Tätigkeiten angefallen sind.
Normenkette
TVöD § 2 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Bonn (Entscheidung vom 05.03.2015; Aktenzeichen 1 Ca 2342/14) |
Nachgehend
Tenor
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil desArbeitsgerichts Bonn vom 05.03.2015 - 1 Ca 2342/14 - wird zurückgewiesen.
- Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Fortzahlung einer Erschwerniszulage in pauschalierter Form.
Der am 26.05. geborene Kläger war seit dem 04.03.2002 auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags vom 04.03.2002 bei der Stadt B im Geschäftsbereich des Amts für Stadtreinigung und Abfallwirtschaft (Amt ) beschäftigt. Gemäß Nr. 1 des Arbeitsvertrages richtet sich das Arbeitsverhältnis nach den Bestimmungen des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G) und der zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträge wie dem Bezirkszusatztarifvertrag (BZT-G/NRW) in der jeweils geltenden Fassung sowie nach den an deren Stelle tretenden Tarifverträgen.
Gemäß einer Nebenabrede zum Arbeitsvertrag vom 29.04.2002 erhielt der Kläger ab dem 04.03.2002 für geleistete Arbeiten, für die tariflich ein Erschwerniszuschlag zu zahlen war, eine Pauschale i.H.v. zunächst101,35 EUR/Monat, die entsprechend der jährlichen Lohnerhöhung steigen sollte. Gemäß Nr. 4 der Vereinbarung ist die Nebenabrede mit einer Frist von zwei Wochen zum Monatsschluss kündbar. Zuletzt war der Kläger ausweislich der von ihm vorgelegten Verdienstabrechnung für August 2014 in die Entgeltgruppe 7 Stufe 5 TVÖD eingruppiert, wobei die Erschwerniszuschlagspauschale 122,31 EUR/Monat betrug.
Das Amt ging zum 01.01.2013 auf die Beklagte, ein als Anstalt des öffentlichen Rechts neu gegründetes kommunales Dienstleistungsunternehmen für Abfallwirtschaft und Stadtreinigung, über. Im Zuge der damit verbundenen Überleitung der Arbeitsverhältnisse schloss die Stadt B mit dem Gesamtpersonalrat und dem Personalrat Technik und Verwaltung im August 2012 eine Vereinbarung zur Personalüberleitung, die unter Abs. 3 der Grundsätze vorsieht, dass "zukünftige abweichende Regelungen, die Ansprüche der Beschäftigten (...) betreffen, (...) nur durch ausdrückliche schriftliche Vereinbarung mit dem Personalrat der zukünftigen AöR möglich" sind. Gemäß Nr. I.2 der Vereinbarung dürfen den betroffenen Beschäftigten durch die Überleitung keine Nachteile entstehen. Dies soll insbesondere hinsichtlich der Vergütungshöhe, des Bestandsschutzes, der sozialen Absicherung und des Einsatzortes im Stadtgebiet von B gelten.
Zwischen dem Personalrat der Stadt B und dem Amt wurde vereinbart, dass die Zahlung der Erschwerniszuschläge überprüft werden solle. Aus diesem Grund wurde in einer Testphase vom 01.10.2012 bis 31.03.2013 veranlasst, dass die Mitarbeiter ihre zuschlagspflichtigen Tätigkeiten einzeln erfassen und dokumentieren.
Mit Schreiben vom 11.09.2014, dem Kläger am 30.09.2014 zugegangen, kündigte die Beklagte die Nebenabrede vom 29.04.2002 zum 30.09.2014. Seit Oktober 2014 rechnet die Beklagte die Erschwerniszulage auf den Einzelfall ab.
Mit seiner am 07.10.2014 beim Arbeitsgericht Bonn eingereichten Klage macht der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung der Nebenabrede geltend. Er hat die Auffassung vertreten, dass bereits Nr. I.2 der Vereinbarung zur Personalüberleitung der Kündigung entgegenstehe. Gemäß Abs. 3 der Grundsätze hätte es einer vorherigen Vereinbarung mit dem Personalrat bedurft. Außerdem hätte der Personalrat nach § 74 Abs. 1 LPVG NRW vor Ausspruch der Kündigung beteiligt werden müssen. Schließlich habe die Beklagte das Mitbestimmungsrecht des Personalrats nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 LPVG NRW missachtet.
Der Kläger hat beantragt,
festzustellen, dass die Nebenabrede zum Arbeitsvertrag vom 04.03.2002 mit Datum vom 29.04.2002 nicht wirksam durch die Kündigung vom 11.09.2014 beseitigt worden ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 05.03.2015 abgewiesen und dies wie folgt begründet: § 2 Abs. 3 TVöD lasse eine Kündigung der Nebenabrede ohne weitere Voraussetzungen zu, soweit dies wie im vorliegenden Fall - vertraglich vereinbart sei. Mit dem Wechsel von der Pauschalierung zur Spitzabrechnung werde nicht wesentlich in das Gleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung eingegriffen. Die Kündigung sei auch nicht willkürlich. Der Kündigung stehe Nr. I.2 der Vereinbarung zur Personalüberleitung nicht entgegen, da die Kündigung nicht in Zusammenhang mit der Über...