Entscheidungsstichwort (Thema)
(Teil-)Kündigung einer Pauschalierungsabrede
Leitsatz (amtlich)
Eine Vereinbarung über die Kündbarkeit einer Pauschalierungsabrede kann einer Inhaltskontrolle nach § 308 Nr. 4 BGB iVm. § 307 Abs. 1 BGB selbst dann standhalten, wenn das Recht zur Kündigung nicht an einen in der Klausel selbst angegebenen Grund geknüpft ist.
Orientierungssatz
1. Die einseitige Änderung einzelner Vertragsbedingungen durch Kündigung ist, da sie das vereinbarte Ordnungs- und Äquivalenzgefüge eines Vertrages stört, grundsätzlich unzulässig. Solche sog. Teilkündigungen einzelner arbeitsvertraglicher Vereinbarungen können aber zulässig sein, wenn dem Kündigenden hierzu – wirksam – das Recht eingeräumt wurde.
2. Durch die Abrede über die gesonderte Kündbarkeit einer Vereinbarung zur Pauschalierung von Erschwerniszuschlägen wird kein zwingender Kündigungsschutz umgangen. Der Anspruch auf den Entgeltbestandteil selbst und damit die Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers wird keiner einseitigen Abänderbarkeit unterworfen, sondern lediglich eine Erfüllungsmodalität ausgestaltet.
3. In Allgemeinen Geschäftsbedingungen iSd. § 305 Abs. 1 BGB oder als Einmalbedingung iSd. § 310 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 BGB kann die Vereinbarung der Kündbarkeit einer Pauschalierungsabrede den sich aus § 308 Nr. 4 BGB iVm. § 307 Abs. 1 BGB ergebenden Anforderungen selbst dann genügen, wenn das Recht zur Kündigung nicht an einen in der Klausel selbst angegebenen Grund geknüpft ist. Voraussetzung ist, dass die Kündbarkeit beidseitig und nur unter Wahrung einer angemessenen Frist vorgesehen ist.
4. § 2 Abs. 3 Satz 2 TVöD sieht ebenso wenig wie zuvor § 4 Abs. 2 BMT-G selbst die Kündbarkeit sog. Nebenabreden vor, sondern verlangt dafür eine einzelvertragliche Vereinbarung.
5. Ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats bei der Kündigung einer Nebenabrede besteht weder nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 4 noch nach § 74 Abs. 1 LPVG NRW.
Normenkette
BGB §§ 242, 307 Abs. 1, § 308 Nr. 4, §§ 315, 612a; ZPO § 256 Abs. 1; LPVG NRW §§ 62, 72 Abs. 1 Nrn. 1, 4, § 74 Abs. 1; TVöD § 2 Abs. 3 S. 2; BMT-G § 4 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 19. August 2016 – 9 Sa 415/15 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung einer Pauschale für Erschwerniszuschläge.
Der Kläger war zunächst bei der Stadt B auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags vom 4. März 2002 beschäftigt. Nach Nr. 1 des Arbeitsvertrags richtet sich das Arbeitsverhältnis nach den Bestimmungen des Bundesmanteltarifvertrags für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe (BMT-G) und der zusätzlich abgeschlossenen Tarifverträge wie dem Bezirkszusatztarifvertrag (BZT-G/NRW) in der jeweils geltenden Fassung sowie den an deren Stelle tretenden Tarifverträgen. Der Kläger war eingesetzt im Geschäftsbereich des Amts für Stadtreinigung und Abfallwirtschaft der Stadt B (Amt 70).
Unter dem 29. April 2002 schlossen der Kläger und die Stadt B eine als Nebenabrede zum Arbeitsvertrag vom 4. März 2002 bezeichnete Vereinbarung mit folgendem Inhalt:
- „[Der Kläger] erhält ab 04.03.2002 für geleistete Arbeiten, für die gem. § 23 BMT-G in Verbindung mit § 5 BZT-G ein Erschwerniszuschlag zu zahlen ist, eine Pauschale.
- Die Pauschale beträgt 101,35 EUR monatlich. Sie erhöht sich um die Prozentualsteigerung der jährlichen Lohnerhöhung. Im Krankheitsfall wird die Pauschale während des Lohnfortzahlungsanspruchs nach dem Lohnfortzahlungsgesetz weitergezahlt.
- Diese Nebenabrede kann mit einer Frist von zwei Wochen zum Monatsschluss gekündigt werden.
- Die Nebenabrede wird zweifach ausgefertigt; jede Vertragspartei erhält eine Ausfertigung.”
Das Amt 70 ging zum 1. Januar 2013 auf die Beklagte über. Diese betreibt in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts ein kommunales Dienstleistungsunternehmen für Abfallwirtschaft und Stadtreinigung. Im Zusammenhang mit der Überleitung der Arbeitsverhältnisse schloss die Stadt B mit dem Gesamtpersonalrat sowie dem Personalrat Technik und Verwaltung im August 2012 eine Vereinbarung zur Personalüberleitung, in der es heißt:
„Grundsätze
…
Zukünftige abweichende Regelungen, die Ansprüche der Beschäftigten und der Beamtinnen und Beamten betreffen, sind nur durch ausdrückliche schriftliche Vereinbarung mit dem Personalrat der zukünftigen AöR möglich.
…
I. Individualrechtliche Fragen
…
2. Genereller Ausschluss von Nachteilen
Die Parteien sind sich darüber einig, dass den betroffenen Beschäftigten durch die Überleitung keine Nachteile entstehen dürfen. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Vergütungshöhe, des Bestandsschutzes, der sozialen Absicherung und des Einsatzortes im Stadtgebiet B.”
Bereits vor der Übertragung des Amts 70 auf die Beklagte einigten sich die Stadt B und der Personalrat auf eine Überprüfung der vereinbarten Pauschalen für Erschwerniszuschläge. Zu diesem Zweck wurden die Mitarbeiter veranlasst, ihre zuschlagspflichtigen Tätigkeiten vom 1. Oktober 2012 bis 31. März 2013 einzeln zu erfassen und zu dokumentieren. Die dem Kläger zuletzt gezahlte Erschwerniszuschlagspauschale betrug 122,31 Euro monatlich.
Mit Schreiben vom 11. September 2014, dem Kläger am 13. September 2014 zugegangen, kündigte die Beklagte die Pauschalierungsvereinbarung vom 29. April 2002 zum 30. September 2014. Die Erschwerniszuschläge des Klägers rechnet sie seit Oktober 2014 einzelfallbezogen ab.
Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Kündigung geltend gemacht. Der Kündigung stehe Nr. I.2. der Vereinbarung zur Personalüberleitung entgegen. Nach Absatz 3 der „Grundsätze” habe es zudem einer vorherigen Vereinbarung mit dem Personalrat bedurft. Dieser habe vor dem Kündigungsausspruch nach § 74 Abs. 1 LPVG NRW und nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 LPVG NRW beteiligt werden müssen. Die in der Nebenabrede vereinbarte Kündigungsmöglichkeit sei mangels Angabe jeglichen Grundes für einen Widerruf nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksam.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, dass die Nebenabrede zum Arbeitsvertrag vom 4. März 2002 mit Datum vom 29. April 2002 nicht wirksam durch die Kündigung vom 11. September 2014 beseitigt worden ist.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, eine Inhaltskontrolle der Kündigungsvereinbarung finde mit Blick auf § 2 Abs. 3 Satz 2 TVöD gem. § 310 Abs. 4 Satz 1 BGB nicht statt. Die Kündigung halte auch einer Ausübungskontrolle stand. Der Kläger habe aufgrund der Fortentwicklung der tatsächlichen Arbeitsbedingungen nur noch in einem untergeordneten Maß Arbeiten ausgeführt, für die Anspruch auf Zahlung eines Erschwerniszuschlags bestanden habe.
Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Feststellungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen die klageabweisende Entscheidung des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die zulässige Klage ist unbegründet.
I. Die Klage ist zulässig. Der Klageantrag bedarf allerdings der Auslegung. Er ist dahin zu verstehen, dass die Verpflichtung der Beklagten festgestellt werden soll, ihm über den 30. September 2014 hinaus eine Erschwerniszuschlagspauschale gem. Nr. 1 und 2 der Vereinbarung vom 29. April 2002 zu zahlen. In dieser Auslegung ist er zulässig.
1. Die Frage, ob die Beklagte über den 30. September 2014 hinaus zur Zahlung der in Nr. 1 und 2 der Vereinbarung vom 29. April 2002 bestimmten Pauschale verpflichtet ist, stellt ein nach § 256 Abs. 1 ZPO feststellungsfähiges Rechtsverhältnis dar. Darunter fallen auch einzelne Beziehungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder der Umfang einer Leistungspflicht – sog. Elementenfeststellungsklage – (BAG 13. Dezember 2016 – 9 AZR 574/15 – Rn. 20; 25. März 2015 – 5 AZR 874/12 – Rn. 13 f.). Hingegen hätte ein Feststellungsantrag betreffend die Wirksamkeit der Kündigung vom 11. September 2014 nicht das Bestehen eines Rechtsverhältnisses iSd. § 256 Abs. 1 ZPO zum Gegenstand. Die Kündigung einer Nebenabrede zählt auch nicht zu den von § 4 KSchG erfassten Beendigungsformen.
2. Für die begehrte Feststellung besteht das gem. § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Der Vorrang der Leistungsklage steht dem nicht entgegen. Ein dem Antragsbegehren entsprechendes Feststellungsurteil ist geeignet, den zwischen den Parteien bestehenden Konflikt endgültig zu klären. Die Beklagte bestreitet einen Anspruch des Klägers auf Weiterzahlung der Pauschale nur dem Grunde nach. Es ist zu erwarten, dass sie sich als öffentlich-rechtlich verfasste Arbeitgeberin einer gerichtlichen Feststellung entsprechend verhalten wird (vgl. BAG 13. Juli 2010 – 9 AZR 264/09 – Rn. 23; 23. September 2009 – 5 AZR 628/08 – Rn. 17).
II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, dem Kläger über den 30. September 2014 hinaus eine Erschwerniszuschlagspauschale gem. Nr. 1 und 2 der Vereinbarung vom 29. April 2002 zu zahlen. Die Kündigung zum 30. September 2014 erweist sich als wirksam.
1. Die Pauschalierungsabrede vom 29. April 2002 war nach deren Nr. 3 gesondert kündbar.
a) Die einseitige Änderung einzelner Vertragsbedingungen durch Kündigung ist, da sie das vereinbarte Ordnungs- und Äquivalenzgefüge eines Vertrages stört, grundsätzlich unzulässig. Solche sog. Teilkündigungen einzelner arbeitsvertraglicher Vereinbarungen können aber zulässig sein, wenn dem Kündigenden hierzu – wirksam – das Recht eingeräumt wurde (vgl. BAG 23. März 2011 – 10 AZR 562/09 – Rn. 27; 13. März 2007 – 9 AZR 612/05 – Rn. 30, BAGE 121, 369).
b) Nr. 3 der Pauschalierungsabrede vom 29. April 2002 enthält eine solche Vereinbarung ihrer gesonderten Kündbarkeit. Dagegen sieht nicht schon § 2 Abs. 3 Satz 2 TVöD – bzw. zuvor § 4 Abs. 2 BMT-G – selbst die Kündbarkeit sog. Nebenabreden vor, sondern verlangt dafür eine einzelvertragliche Vereinbarung.
c) Durch die Abrede über eine gesonderte Kündbarkeit der Pauschalierungsvereinbarung wird kein zwingender Kündigungsschutz umgangen. Das (ursprüngliche) Äquivalenzgefüge des Arbeitsverhältnisses bleibt unverändert. Es wird nicht die Widerruflichkeit eines eigenständigen Entgeltbestandteils vereinbart und damit die Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers selbst einer einseitigen Abänderbarkeit unterworfen, sondern lediglich eine Erfüllungsmodalität ausgestaltet (ebenso für einen in einem Zusatz zum Chefarztvertrag festgelegten Berechnungsmodus für die Kostenerstattung BAG 14. November 1990 – 5 AZR 509/89 – zu II 2 der Gründe, BAGE 66, 214). Der Anspruch des Klägers auf den Entgeltbestandteil selbst – hier die Erschwerniszuschläge nach den tariflichen Vorschriften – wird durch eine Kündigung der Nebenabrede nicht berührt. Diese modifiziert lediglich die Zahlweise der ihm zustehenden tariflichen Erschwerniszuschläge.
aa) In Nr. 1 der Vereinbarung vom 29. April 2002 haben die Parteien keinen (übertariflichen) Anspruch des Klägers auf einen gesonderten Leistungsbestandteil begründet, sondern nur eine Pauschale für die nach § 23 BMT-G, § 5 BZT-G/NRW zu zahlenden Zuschläge festgelegt. Der Zweck einer solchen Pauschalierungsabrede besteht allein darin, die Abrechnung der grundsätzlich „spitz” zu ermittelnden Einzelansprüche zu erleichtern. Sie soll nur vereinbart werden, wenn die nicht in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteile während des Pauschalierungszeitraums voraussichtlich im Durchschnitt regelmäßig anfallen (Sponer in Sponer/Steinherr Stand August 2016 TVöD § 24 Rn. 76; KomTVöD/Dahl Stand 2. März 2016 § 24 TVöD Rn. 10) und hinsichtlich ihres Umfangs und ihrer Häufigkeit nur geringen Schwankungen unterliegen (Sponer in Sponer/Steinherr aaO). Die Pauschalierung beruht damit auf dem Gedanken, dass durch sie lediglich die durchschnittlich zu erwartenden Zuschläge in der Abrechnungsweise verstetigt werden. Sie berührt dagegen nicht die Voraussetzungen für die Zahlung der Zuschläge dem Grunde nach.
bb) Entgegen der Ansicht des Klägers hat die Vereinbarung vom 29. April 2002 ihren Charakter als bloße Pauschalierungsabrede nicht dadurch verloren, dass die Beklagte die Pauschale auch nach der Dokumentation der zuschlagspflichtigen Tätigkeiten von Oktober 2012 bis März 2013 noch weitere 18 Monate gezahlt hat. Da die Vereinbarung bis dahin nicht gekündigt war, konnte die Zahlung vom Kläger nicht so verstanden werden, dass sich die Beklagte entgegen der Bezugnahme auf die tarifvertraglichen Regelungen zum Erschwerniszuschlag zu einer nunmehr übertariflichen Zahlung hätte verpflichten wollen. Ebenso fehlt es an Vortrag des Klägers, wann und auf welche Weise er ein entsprechendes Angebot der Beklagten angenommen haben will. Ob einer konkludenten Abänderung der Abrede überdies das Schriftformerfordernis gem. § 2 Abs. 3 Satz 1 TVöD entgegengestanden hätte, bedarf daher keiner Entscheidung.
2. Selbst wenn es sich bei der Vereinbarung vom 29. April 2002 um eine Allgemeine Geschäftsbedingung iSd. § 305 Abs. 1 BGB oder jedenfalls um eine Einmalbedingung iSd. § 310 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 2 BGB handelte und diese der Inhaltskontrolle gem. §§ 307 – 309 BGB unterläge, würde dies nicht zur Unwirksamkeit der in Nr. 3 getroffenen Kündbarkeitsregelung führen. Diese genügt den sich aus § 308 Nr. 4 BGB iVm. § 307 Abs. 1 BGB ergebenden Anforderungen.
a) Gegen ihre Kontrollfreiheit gem. § 310 Abs. 4 Satz 3 iVm. § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB bzw. in entsprechender Anwendung dieser Bestimmungen spricht, dass § 4 Abs. 2 BMT-G bzw. § 2 Abs. 3 Satz 2 TVöD nicht erkennen lassen, die Tarifvertragsparteien erachteten jedwede einzelvertragliche Vereinbarung einer Kündbarkeit von Nebenabreden selbst in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder vom Arbeitgeber vorformulierten Einmalbedingungen unabhängig von ihrer konkreten Ausgestaltung als angemessen. Ebenso fehlen konkrete Vorgaben zu den Anforderungen an solche Abreden etwa hinsichtlich des Erfordernisses oder der Entbehrlichkeit von Kündigungsgründen oder Kündigungsfristen (zu den Anforderungen an gesetzliche Erlaubnisnormen vgl. Palandt/Grüneberg BGB 75. Aufl. § 307 Rn. 54).
b) Nr. 3 der Pauschalierungsvereinbarung ist nicht nach § 308 Nr. 4 BGB unwirksam.
aa) Der Senat kann zugunsten des Klägers unterstellen, dass die Kündbarkeitsabrede in Nr. 3 der Vereinbarung vom 29. April 2002 einen Änderungsvorbehalt iSd. § 308 Nr. 4 BGB für die Rechtsvorgängerin der Beklagten als Verwenderin enthielt. Zwar betrifft die Pauschalierungsvereinbarung nur eine Erfüllungsmodalität der geschuldeten Leistung. Die „versprochene Leistung” iSv. § 308 Nr. 4 BGB umfasst aber auch die Modalitäten ihrer Erfüllung, also etwa Zeit und Ort der Leistung (Palandt/Grüneberg BGB 75. Aufl. § 308 Rn. 24; MüKoBGB/Wurmnest 7. Aufl. § 308 Nr. 4 Rn. 4 f.; jeweils mwN). Mit der Pauschalierungsabrede wurde vereinbart, wie die Rechtsvorgängerin der Beklagten einen Teil ihrer Leistung – die tariflichen Erschwerniszuschläge – zu erbringen hat. Die grundsätzlich vorzunehmende Einzelabrechnung wurde durch einen monatlich gleichbleibenden Pauschalbetrag ersetzt. Darin liegt die Einigung, dass mit seiner Zahlung trotz der damit verbundenen Teil-Vorschusszahlungen bzw. Teil-Stundungen gegenüber der „Spitzabrechnung” eine ordnungsgemäße Erfüllung des tariflichen Anspruchs vorliegt. Die Vereinbarung der Kündbarkeit dieser Abrede gibt hier – jedenfalls auch – dem Verwender, also der Rechtsvorgängerin der Beklagten, das Recht, diese Erfüllungsmodalität zu ändern.
bb) Jedoch genügt die Abrede in Nr. 3 der Pauschalierungsvereinbarung den sich aus § 308 Nr. 4 BGB ergebenden Anforderungen. Sie ist dem Kläger unter Berücksichtigung der Interessen der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin iSd. § 308 Nr. 4 BGB zumutbar.
(1) Der Begriff der Zumutbarkeit in § 308 Nr. 4 BGB verlangt eine Abwägung zwischen den Interessen des Klauselverwenders an der Möglichkeit einer Änderung seiner Leistung und denen des anderen Vertragsteils an deren Unveränderlichkeit. Die Zumutbarkeit einer Leistungsänderungsklausel ist zu bejahen, wenn die Interessen des Verwenders die für das jeweilige Geschäft typischen Interessen des anderen Vertragsteils überwiegen oder ihnen zumindest gleichwertig sind. Das setzt eine Fassung der Klausel voraus, die nicht zur Rechtfertigung unzumutbarer Änderungen dienen kann, und erfordert im allgemeinen ferner, dass für den anderen Vertragsteil zumindest ein gewisses Maß an Kalkulierbarkeit der möglichen Leistungsänderungen besteht (BGH 17. Februar 2004 – XI ZR 140/03 – zu II 2 b bb (1) der Gründe, BGHZ 158, 149; Jauernig/Stadler BGB 16. Aufl. § 308 Rn. 6; Staudinger/Coester-Waltjen BGB 2013 § 308 Nr. 4 Rn. 6).
(2) Die Vereinbarung eines Widerrufsrechts ist gem. § 308 Nr. 4 BGB zumutbar, wenn der Widerruf nicht grundlos erfolgen soll, sondern wegen der unsicheren Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig ist. Da § 308 Nr. 4 BGB den § 307 BGB konkretisiert, sind auch die Wertungen des § 307 BGB heranzuziehen. Außerdem sind nach § 310 Abs. 4 Satz 2 BGB die im Arbeitsrecht geltenden Besonderheiten angemessen zu berücksichtigen (BAG 24. Januar 2017 – 1 AZR 774/14 – Rn. 22; 11. Oktober 2006 – 5 AZR 721/05 – Rn. 19 f.). Wird dem Verwender das Recht eingeräumt, einen Leistungsbestandteil einseitig zu widerrufen, muss sich aus der Klausel selbst ergeben, dass der Widerruf nicht grundlos erfolgen soll, sondern wegen der unsicheren Entwicklung der Verhältnisse als Instrument der Anpassung notwendig ist (BAG 24. Januar 2017 – 1 AZR 774/14 – Rn. 23; 13. April 2010 – 9 AZR 113/09 – Rn. 28; 12. Januar 2005 – 5 AZR 364/04 – zu B I 4 c der Gründe, BAGE 113, 140). Bei den Widerrufsgründen muss zumindest die Richtung angegeben werden, aus der der Widerruf möglich sein soll, zB wirtschaftliche Gründe, Leistung oder Verhalten des Arbeitnehmers (BAG 21. März 2012 – 5 AZR 651/10 – Rn. 16; 12. Januar 2005 – 5 AZR 364/04 – zu B I 5 b der Gründe, aaO).
(3) Nach diesen Grundsätzen ist die Bestimmung über die Kündbarkeit der Pauschalierungsabrede gem. Nr. 3 der Vereinbarung vom 29. April 2002 dem Kläger iSd. § 308 Nr. 4 BGB zumutbar gewesen, obwohl das Recht zur Kündigung nicht an einen in der Klausel selbst angegebenen Grund geknüpft war.
(a) Der Verzicht auf Kündigungsgründe ist bei einer solchen Abrede, anders als im Falle der Vereinbarung der einseitigen Widerruflichkeit einer Leistung, interessengerecht und einem Arbeitnehmer daher iSd. § 308 Nr. 4 BGB zumutbar. Eine Pauschalierungsabrede kommt typischerweise nur zustande, wenn beide Seiten sie als eine angemessene Abrechnungserleichterung betrachten. Für den Arbeitnehmer vermeidet sie Nachweisschwierigkeiten und für den Arbeitgeber Verwaltungsaufwand. Ihren Zweck, eine bloße Abrechnungsvereinfachung zu schaffen, erfüllt eine Pauschalierungsabrede indes nur solange, wie sie nach Einschätzung beider Parteien einen angemessenen Ausgleich für die Zahlungsansprüche darstellt, die durch sie pauschaliert werden. Es ist von vornherein absehbar, dass zukünftige tatsächliche Entwicklungen, die Auswirkungen auf die Höhe der pauschalierten Ansprüche haben, dieser Einschätzung die Grundlage entziehen können. Dem „Vertragszweck” einer Pauschalierungsabrede entspricht es daher, jeder Seite die Möglichkeit zu geben, sich von ihr durch Kündigung wieder lösen zu können. Dadurch ist gewährleistet, dass die Pauschalierung nur solange maßgeblich bleibt, wie die übereinstimmende Einschätzung ihrer Angemessenheit fortbesteht. Bei einer reinen Pauschalierungsabrede ist es daher auch sachgerecht, die Ausübung des Kündigungsrechts nicht vom Vorliegen näher bestimmter objektiver Umstände abhängig zu machen. Beide Parteien haben kein Interesse daran, diese aufzugeben, wenn nicht auch tatsächlich zumindest Anhaltspunkte dafür bestehen, dass es sich nicht mehr um eine angemessene Mittelung der ihr zugrunde liegenden Ansprüche handelt. Dies ist für jede Seite auch von vornherein kalkulierbar. Umgekehrt wirkt sich eine Kündigung für den anderen Teil tatsächlich umso weniger aus, je genauer der Pauschalbetrag die Ansprüche weiterhin mittelt.
(b) Auf Seiten des Arbeitnehmers ist demnach bei einer Pauschalierungsabrede nicht sein Interesse am Erhalt eines bestimmten Vergütungsbestandteils selbst schützenswert, sondern allein die mit der Pauschalierung verbundene Abrechnungserleichterung. Diesem Interesse steht das Interesse des Arbeitgebers gegenüber, nicht höhere Pauschalbeträge zu zahlen, als es den gesondert zu entlohnenden Tätigkeiten des Arbeitnehmers entspricht. Das Interesse, leistungsgerecht zu bezahlen, ist grundsätzlich höher zu bewerten als das bloße Interesse an einer vereinfachten Abrechnung. Dagegen ist ein Interesse des Arbeitnehmers, weiter eine von der Pauschalierungsabrede nicht beabsichtigte übertarifliche Bezahlung zu erhalten, nicht schützenswert. Dies gilt umgekehrt nicht anders, wenn der Arbeitnehmer den Pauschalbetrag für zu gering bemessen hält. Die Kündbarkeit muss deshalb beidseitig vorgesehen sein, um interessengerecht zu sein. Daneben muss die Kündbarkeitsklausel den jeweils maßgeblichen Abrechnungszeiträumen Rechnung tragen.
c) Nach diesen Grundsätzen ist die in Nr. 3 getroffene Abrede über die Kündbarkeit der Nebenabrede wirksam. Diese sah eine Kündigungsmöglichkeit für beide Parteien vor. Die Kündigung war nicht mit sofortiger Wirkung, sondern nur unter Wahrung einer Frist von zwei Wochen zum Monatsende möglich. Damit wurde eine Änderung des Abrechnungsmodus innerhalb einer Abrechnungsperiode ebenso vermieden wie eine sofortige Abänderung bereits mit Zugang der Kündigungserklärung. Der Kläger konnte sich bei einer Kündigung der Rechtsvorgängerin der Beklagten rechtzeitig vor Beginn der nächsten Abrechnungsperiode auf das Erfordernis einstellen, zukünftig wieder im Einzelfall abrechnen zu müssen.
3. Die Beklagte hat das ihr durch Nr. 3 der Vereinbarung vom 29. April 2002 eingeräumte Kündigungsrecht wirksam mit Wirkung zum 30. September 2014 ausgeübt.
a) Die Ausübung des Kündigungsrechts ist an keine spezifischen Gründe gebunden. Die vereinbarte Kündigungsfrist von zwei Wochen zum Monatsschluss ist eingehalten. Die Kündigung ist dem Kläger am 13. September 2014 zugegangen.
b) Die Kündigung verstößt – ungeachtet der Rechtsfolge, die sich anderenfalls daraus ergäbe – nicht gegen Nr. I.2. der Personalüberleitungsvereinbarung. Es kann daher dahinstehen, ob die Personalüberleitungsvereinbarung in dieser Form wirksam ist.
aa) Nach Nr. I.2. der Personalüberleitungsvereinbarung dürfen den betroffenen Beschäftigten durch die Überleitung keine Nachteile entstehen. Nicht erfasst sind damit unabhängig von der Überleitung eintretende Nachteile. Die Ausübung eines bereits vor Abschluss des Personalüberleitungsvertrags vereinbarten Kündigungsrechts ist jedoch kein Nachteil infolge der Überleitung. Nr. I.2. des Personalüberleitungsvertrags gewährt den übergeleiteten Beschäftigten dagegen keinen Anspruch auf Besserstellung. Um eine solche handelte es sich aber, wenn das bereits zuvor vereinbarte Recht zur Kündigung der Pauschalierungsabrede nach der Überleitung ausgeschlossen wäre.
bb) Nichts anderes folgt aus den übrigen Bestimmungen des Personalüberleitungsvertrags. Die unter Nr. I.5. geregelten materiellen Arbeitsbedingungen verhalten sich nicht zu vereinbarten Kündigungen von Nebenabreden, insbesondere nicht zu Pauschalierungsabreden für Erschwerniszuschläge. Der Bestandsschutz von Arbeitsverhältnissen ist durch den in Nr. I.3. geregelten Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen geregelt. Einen weiteren Veränderungsschutz, insbesondere ein Einfrieren auf den Status vor der Überleitung unabhängig von bereits vorher vereinbarten Änderungsmöglichkeiten, enthält der Überleitungsvertrag an keiner Stelle, auch nicht in Nr. IV.4.
c) Die Kündigung ist nicht mangels Beteiligung des Personalrats unwirksam.
aa) Das Mitbestimmungsrecht nach § 74 Abs. 1 LPVG NRW besteht nicht bei der Kündigung einer Pauschalierungsabrede. Diese Norm erfasst allein Kündigungen von Arbeitsverhältnissen (vgl. Cecior/Vallendar/Lechtermann/ Klein Personalvertretungsrecht NRW Stand Oktober 2016 § 74 Rn. 21), dh. Beendigungskündigungen und Änderungskündigungen (Laber in Laber/Pagenkopf § 74 LPVG NRW Rn. 19; Neubert/Sandfort/Lorenz/Kochs 11. Aufl. § 74 LPVG NRW Nr. 1.1.; Bülow § 74 LPVG NRW Rn. 12; vgl. BAG 12. Februar 1987 – 6 AZR 129/84 – zu II 4 a der Gründe). Die Teilkündigung einer Nebenabrede zielt nicht auf die Entlassung des Arbeitnehmers.
bb) Ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats bei der Kündigung einer Nebenabrede besteht auch nicht nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 LPVG NRW.
(1) Schon nach dem Wortlaut der Vorschrift bezieht sie sich nur auf die Nebenabrede selbst, mithin die Vereinbarung einer solchen, nicht auf den Ausspruch einer vereinbarten Kündigung. Das entspricht auch ihrem Sinn und Zweck, der darin liegt, bei Nebenabreden die Einflussnahme des Personalrats zur Vermeidung von Unruhe und Ungleichbehandlung in der Dienststelle zu ermöglichen (LT-Drs. 9/3091, S. 38; Bülow § 72 LPVG NRW Rn. 41; Neubert/ Sandfort/Lorenz/Kochs 11. Aufl. § 72 LPVG NRW 1.1.3). Die Gefahr von Unruhe besteht vor allem bei der Gewährung von Sonderleistungen an einzelne Mitarbeiter, nicht bei der „Rückkehr” zu den allgemein geltenden tariflichen Regeln.
(2) Anders als die Revision meint folgt Gegenteiliges nicht aus den Aufgaben der Dienststelle und des Personalrats nach § 62 LPVG NRW zur Einhaltung der unionsrechtlich determinierten Diskriminierungsverbote. Die Vorschrift begründet kein eigenständiges Beteiligungsrecht des Personalrats. Diesem ist es zudem nicht verwehrt, auch außerhalb des formellen Beteiligungsverfahrens nach §§ 72 – 77 LPVG NRW diskriminierende Maßnahmen zu beanstanden. Wollte man dies anders sehen, wäre nahezu jede Maßnahme der Dienststelle beteiligungspflichtig, weil jegliche Maßnahme des Arbeitgebers potenziell diskriminierend sein kann. Ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats bei jedweder arbeitgeberseitigen Maßnahme sieht das Gesetz indes nicht vor, wie die Einzelaufzählung der Beteiligungsrechte in §§ 72 – 77 LPVG NRW zeigt. Diese ist abschließend (zu § 72 LPVG NRW Pagenkopf in Laber/Pagenkopf § 72 Rn. 6).
cc) Der Mitbestimmungstatbestand nach § 72 Abs. 1 Nr. 4 LPVG NRW ist nicht berührt, da die Ausübung eines vertraglich vorgesehenen Rechts zur Kündigung einer Pauschalierungsabrede keine wesentliche Änderung des Arbeitsvertrags darstellt.
d) Auch ein Verstoß gegen Abs. 4 der Grundsätze des Personalüberleitungsvertrags ist nicht gegeben. Bei der Kündigung der Nebenabrede handelt es sich nicht um eine von der Personalüberleitungsvereinbarung oder sonstigen Vereinbarungen abweichende Regelung. Vielmehr hat die Beklagte das schon vor Abschluss des Personalüberleitungsvertrags mit dem Kläger vereinbarte Kündigungsrecht ausgeübt.
e) Die Ausübung des Kündigungsrechts unterliegt keiner Kontrolle am Maßstab billigen Ermessens iSd. § 315 BGB. Beiden Seiten war wirksam ein Recht zur Kündigung nach freiem Ermessen eingeräumt. Anhaltspunkte für eine offenbar unbillige Wahrnehmung dieser Rechtsposition liegen nicht vor. Dies gilt gleichermaßen für eine nach §§ 612a, 242 BGB maßregelnde oder treuwidrige Ausübung des Kündigungsrechts. Die Beklagte hat das Recht zur Kündigung der Pauschalierungsabrede insbesondere nicht verwirkt. Es liegen keine Umstände vor, die ein berechtigtes Vertrauen des Klägers dahin hätten begründen können, dass sie das vereinbarte Kündigungsrecht nicht mehr ausüben und die Pauschale zukünftig entgegen der Vereinbarung unabhängig von der Art der geleisteten Arbeiten erbringen wollte. Allein aus der Tatsache, dass die Beklagte nach der Überprüfung der zuschlagspflichtigen Arbeiten noch längere Zeit keinen Gebrauch von dem Kündigungsrecht machte, ergibt sich dies nicht.
III. Die Kosten seiner erfolglos gebliebenen Revision hat gem. § 97 Abs. 1 ZPO der Kläger zu tragen.
Unterschriften
Koch, Niemann, Rachor, Grimberg, Brossardt
Fundstellen
Dokument-Index HI11197673 |