Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsrat. Wahlanfechtung. Leiharbeitnehmer
Leitsatz (amtlich)
Leiharbeitnehmer wählen zwar nach Maßgabe des § 7 Satz 2 BetrVG mit, zählen aber nicht zu den Arbeitnehmern im Sinne des § 9 BetrVG für die Bestimmung der Größe des Betriebsrats.
Normenkette
BetrVG §§ 7, 9, 19
Verfahrensgang
ArbG Köln (Beschluss vom 28.08.2002; Aktenzeichen 12 BV 46/02) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellern wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Köln vom 28.08.2002 – 12 BV 46/02 – abgeändert:
- Die Betriebsratswahl vom 07.03.2002 wird für unwirksam erklärt.
- Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei.
- Der Gegenstandswert wird auf 16.000,– EUR festgesetzt.
- Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer Betriebsratswahl und insbesondere darüber, ob die Leiharbeitnehmer bei der Ermittlung der Betriebsgröße zur Festlegung der Zahl der Betriebsratsmitglieder gemäß § 9 BetrVG zu berücksichtigen sind.
Die Antragstellerin (im Folgenden: Arbeitgeberin) betreibt in F einen Betrieb mit ca. 332 Mitarbeitern als Stammbelegschaft. Darüber hinaus beschäftigt sie regelmäßig Leiharbeitnehmer nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG).
Am 07.03.2002 fand eine Betriebsratswahl statt, bei der 11 Betriebsratsmitglieder gewählt wurden. Das Wahlergebnis wurde am 08.03.2002 bekannt gemacht (Bl. 9 f. d.A.).
Zwischen den Beteiligten bestand bereits vor dieser Wahl Streit über die Berücksichtigung der Leiharbeitnehmer bei der Festlegung der Betriebsgröße und damit der Größe des zu wählenden Betriebsrats. Das Wahlausschreiben vom 22.01.2002 ging unter Mitberücksichtigung der Leiharbeitnehmer von 31 weiblichen und 448 männlichen Arbeitnehmern im Betrieb aus und stellte fest, dass der zu wählende Betriebsrat aus 11 Mitgliedern bestehen müsse (Bl. 28 f. d.A.). Dagegen wandte sich die Arbeitgeberin. Auf die von der Arbeitgeberin überreichten Schreiben der Betriebsleitung sowie des Wahlvorstandes (Bl. 11–27 d.A.) wird verwiesen.
Die Arbeitgeberin hat mit ihrem am 22.03.2002 beim Arbeitsgericht Köln eingegangenen Antrag im Wege der Wahlanfechtung die Unwirksamkeitserklärung der Betriebsratswahl vom 07.03.2002 begehrt. Sie hat die Ansicht vertreten, die Wahl verstoße gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit und das Wahlverfahren, da die Zahl der zukünftigen Betriebsratsmitglieder zu Unrecht auf 11 festgesetzt worden sei. Richtig sei ein Betriebsrat mit 9 Mitgliedern, da seit Beginn der Wahl weitaus weniger Arbeitnehmer als 401 beschäftigt gewesen seien, zum Wahltag genau 332 Arbeitnehmer. Das ergebe sich daraus, dass nur die zur Stammbelegschaft gehörenden Mitarbeiter zu zählen seien. Die Leiharbeitnehmer seien dagegen bei der Ermittlung des Schwellenwertes nach § 9 BetrVG nicht zu berücksichtigen. Sie seien keine Arbeitnehmer des Betriebes im Sinne des auch in § 9 BetrVG verwandten betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs, da sie nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Betriebsinhaber stünden. Die Zubilligung eines aktiven Wahlrechts auch für diese Personengruppe durch das Betriebsverfassungs-Reformgesetz ändere daran nichts. Selbst wenn man die Leiharbeitnehmer mitzählen würde, käme man am Wahltag rechnerisch mit 54 Leiharbeitnehmern lediglich auf 386 zu zählende Mitarbeiter. Zudem hat die Arbeitgeberin behauptet, dass – selbst wenn an einzelnen Tagen zu Hochzeiten mehr Leiharbeitnehmer eingesetzt worden seien – diese nicht dauerhaft, d.h. 3 Monate oder länger, eingesetzt worden seien.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
die Betriebsratswahl vom 07.03.2002 für unwirksam zu erklären.
Der Betriebsrat hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Er hat die Ansicht vertreten, dass der Wahlvorstand im Wahlausschreiben vom 22.01.2002 die Zahl der Betriebsratsmitglieder zu Recht mit 11 angesetzt habe. Bei der Arbeitgeberin würden inklusive der Leiharbeitnehmer in der Regel deutlich mehr als 400 Arbeitnehmer beschäftigt, wobei zur Ermittlung dieses Wertes der Wahlvorstand die Zahlen der Vergangenheit beachtet und auch die zukünftige Entwicklung der regelmäßigen Beschäftigtenzahl zugrundegelegt habe. Die Leiharbeitnehmer seien bei der Ermittlung der Schwellenwerte sowie der Zahl der Betriebsratsmitglieder auch zu berücksichtigen. Nach Maßgabe des Betriebsverfassungs-Reformgesetzes und vor allem nach § 7 Satz 2 BetrVG komme es bei der Ermittlung der Schwellenwerte in § 9 BetrVG nicht mehr auf die Zahl der individualrechtlichen Vertragsbeziehungen an, sondern vielmehr allein auf die Größe der Betriebsgemeinschaft. Der Betriebsrat hat des weiteren behauptet, die Leiharbeitnehmer würden auch länger als 3 Monate eingesetzt. Die Unterschreitung der Beschäftigungszeit von 3 Monaten stelle im Betrieb eine Ausnahme dar. Zudem verdeutliche der Wortlaut von § 9 BetrVG, dass bei den Schwellenwerten über 101 die Wahlberechtigung der Leiharbeitnehmer nicht mehr relevant sei.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag der Arbeitgeberin mit Beschluss vom 28.08.2002 zurückgewiesen. Es h...