Verfahrensgang
ArbG Aachen (Urteil vom 09.12.1996; Aktenzeichen 8 Ca 804/96) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 09.12.1996 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Aachen – 8 Ca 804/96 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Der Auflösungsantrag der Beklagten wird zurückgewiesen.
3. Streitwert: unverändert;
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung vom 13.06.1996 zum 15.07.1996. Die beklagte GmbH, ein Unternehmen für Elektrotechnologie mit ca. 20 Arbeitnehmern, hat sie ausgesprochen, weil sie dem am 01. September 1995 ohne schriftlichen Arbeitsvertrag bei ihr als Buchhalter eingestellten Kläger Schlechtleistungen trotz zweier Abmahnungen (am 12.01.1996 und 26.02.1996) vorwirft. Unstreitig war der Kläger ab 30.04.1996 arbeitsunfähig. Während seiner Arbeitsunfähigkeit wurde bei der Beklagten in der Zeit vom 24. bis 28.05.1996 eingebrochen. Nach Darstellung der Beklagten sollen die Aufräumungsarbeiten eine Reihe, weiterer Schlechtleistungen zutage gefördert haben.
Von der weiteren Darstellung erstinstanzlichen Parteivorbringens wird abgesehen, § 543 Abs. 1 ZPO.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Mit ihrer Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, indem sie die vom Kläger bestrittenen Abmahnungen unter Beweis stellt und deren Umstände sowie Veranlassungen näher schildert (i. e.: Aktenvermerke Bl. 96 und 117). Vorausgegangen seien zwei Verwarnungen an 20.10. und 04.12.1995 (zu Inhalt und Anlaß: Bl. 92 und 95). Sie trägt zudem die Schlechtleistungen, die anläßlich des Einbruchs zutage getreten seien, im einzelnen vor (Schriftsatz v. 07.03.1997 unter I 3 und 4 a bis i = Bl. Bl. 78 ff.).
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Klage abzuweisen.
Im heutigen Termin hat die Beklagte hilfsweise unter Hinweis auf das prozessuale Vorbringen des Klägers in I. Instanz (Schriftsatz v. 12.11.1996 S. 2 = Bl. 34) beantragt,
das Arbeitsverhältnis aufzulösen.
Der Kläger beantragt Zurückweisung von Berufung und Auflösungsantrag und bestreitet erneut, jemals Verwarnungen oder Abmahnungen erhalten zu haben. Wegen seiner Stellungnahme zu den einzelnen Vorwürfen wird auf Bl. 107 bis 111 d.A. verwiesen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitsandes wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung, die zu den Akten gereichten Urkunden sowie ergänzend auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Sie ist begründet:
Die streitgegenständliche Kündigung beendet das Arbeitsverhältnis nicht. Sie ist unwirksam, weil sie sozial ungerechtfertigt ist, § 1 Abs. 1 KSchG. Insbesondere ist sie nicht durch Gründe im Verhalten des Klägers derart hinreichend bedingt, daß sie als billigenswert und angemessen erschiene, § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG.
Ob das aus dem Fehlen einer grundsätzlich vor verhaltensbedingten Kündigungen zu fordernden Abmahnung bzw. daraus folgt, daß die Beklagte eine solche nicht in hinreichender Substantiierung vorgetragen hat, mag dahinstehen. Jedenfalls können Fehlleistungen des Klägers dem Beklagtenvortrag nicht in hinreichender Substantiierung entnommen werden:
Dem Recht der verhaltensbedingten Kündigung gehört nämlich nicht nur der Grundsatz an, daß einer Kündigung eine Abmahnung im Rechtssinne vorauszugehen hat, sondern auch der Grundsatz, daß eine einmal ausgesprochene; Abmahnung zunächst einmal das Recht zur Kündigung wegen der abgemahnten Vorfälle „verbraucht” (BAG, Urteil vom 10.11.1988 – 2 AZR 215/88 in AP Nr. 3 zu § 1 KSchG 1969 Abmahnung). Mit Rücksicht auf diesen Grundsatz sowie auf die Tatsache, daß der Kläger ab 30.04.1996 bis zum Ausspruch der Kündigung arbeitsunfähig war, müßten dem Kläger mithin Schlechtleistungen in dem Zeitfenster vom 27.02.1996 bis zum 29.04.1996 unterlaufen sein, da die Beklagte für den 26.02.1996 noch eine Abmahnung behauptet. Die von der Beklagten erhobenen Vorwürfe lassen sich aber anhand ihres Sachvortrags zum großen Teil nicht in dieses Zeitfenster einordnen:
Zeitlich nicht einzuordnen sind die Vorwürfe der Beklagten zu unterlassenen Meldungen an die Krankenkassen und zur Behandlung von Urlaubsanträgen; zur Abführung von Ausgleichsabgaben nach dem SchwbG für 1995 und den insoweit auf getretenen unvollständigen Angaben und zur Ablage einer Lohnsteuerprüfungsanordnung.
Sofern eine zeitliche Einordnung der Vorwürfe in Betracht kommen mag, scheitert ihre Eignung zur Rechtfertigung der Kündigung aus anderen Gründen. So kann bei einem Teil der Vorwürfe ein objektiver Pflichtenverstoß nicht erkannt werden:
So sieht das Gericht keinen vorwerfbaren Umstand in der Tatsache, daß der Kläger nach vierwöchiger Dauer seiner Arbeitsunfähigkeit nicht in der Lage war, aus dem Gedächtnis den korrekten Soll-Bestand der von ihm verwalteten Geldkassette anzugeben. Das gleiche gilt für die dem Kläger vorgeworfenen Überklebungen im Kassen...