Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigungsschutz, Auflösungsantrag des Arbeitnehmers
Leitsatz (amtlich)
Zur Darlegungslast beim Auflösungsgrund des Arbeitnehmers:
Es genügt nicht allein, daß in einem Kündigungsschutzprozeß lediglich unzutreffende Tatsachenbehauptungen (ohne Beleidigung) über die Person oder das Verhalten des Arbeitnehmers aufgestellt werden oder auch nur solche Tatsachenbehauptungen, die als Kündigungsgrund nicht ausreichen oder im Prozeß nicht bewiesen werden.
Normenkette
KSchG §§ 9-10
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 21.06.1994; Aktenzeichen 1 Ca 10658/93) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 21.06.1994 – 1 Ca 10658/93 – teilweise abgeändert:
Der Auflösungsantrag des Klägers wird zurückgewiesen.
2. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 1/3 und den Beklagten als Gesamtschuldnern zu 2/3 auferlegt.
4. Streitwert: DM 20.904,00.
Tatbestand
Der Kläger wurde von den Beklagten, die ein Architekturbüro betreiben, mit Wirkung vom 01.01.1990 als Architekt eingestellt. Grundlage der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen ist der Anstellungsvertrag nebst Anlage vom 13.11.1989 (Bl. 36–41 d. A.). Die Parteien vereinbarten eine Probezeit von drei Monaten, nach deren Ablauf das Arbeitsverhältnis mit einer Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Quartalsende gekündigt werden konnte. In Ziff. 8 Abs. 3 des Anstellungsvertrages heißt es:
„Die Kündigung muß schriftlich und nach Ablauf der Probezeit unter Angabe der Gründe erfolgen.”
Mit Schreiben vom 15.11.1993 (Bl. 4 d. A.) kündigten die Beklagten das Arbeitsverhältnis zum 01.03.1994 unter Bezugnahme auf mündlich mitgeteilte Gründe. Am 02.12.1993 erhielt der Kläger ein weiteres vom 15.11.1993 datierendes Kündigungsschreiben, in dem bei sonst gleichem Inhalt lediglich das Beendigungsdatum für das Arbeitsverhältnis vom 01.03.1994 auf den 31.03.1994 korrigiert wurde.
In einem weiteren Kündigungsschreiben unter dem 15.11.1993 (Bl. 12–13 d. A.), das dem Kläger am 17.12.1993 zuging, kündigten die Beklagten dem Kläger erneut zum 31.03.1994, diesmal jedoch unter Angabe von Gründen. Im Kündigungsschreiben heißt es u.a., die Auftragslage habe sich im Jahre 1993 wesentlich verschlechtert und lasse für 1994 keine Besserung erwarten; die „völlig unwirtschaftliche Projekt-Bearbeitung” durch den Kläger lasse seine Weiterbeschäftigung nicht mehr zu, zahllose Gespräche mit ihm hätten die Fronten so erhärten lassen, daß eine gedeihliche Zusammenarbeit unzumutbar sei; der Kläger habe sich trotz mehrfacher Aufforderung geweigert, das Projekt Bahnhofsanbau neben dem Projekt H. kontinuierlich weiterzubearbeiten.
Mit Schreiben ihres Prozeßbevollmächtigten vom 15.03.1994 kündigten die Beklagten das Arbeitsverhältnis vorsorglich erneut, diesmal zum 30.06.1994. Zur Begründung der Kündigung ist in dem Schreiben ausgeführt, die Architektengemeinschaft der Beklagten werde sich mit Wirkung zum 30.06.1994 auseinandersetzen.
Der Kläger wendet sich gegen die drei unter dem 15.11.1993 ausgesprochenen Kündigungen, bei deren Ausspruch die Beklagten – wie in der Regel auch zuvor – mehr als fünf Arbeitnehmer beschäftigten. Der Kläger, der gegenüber vier Personen unterhaltspflichtig ist, hat am 01.04.1994 eine neue Arbeitsstelle angetreten.
Der Kläger bestreitet den behaupteten Auftragsmangel und die betriebsbedingte Notwendigkeit der Kündigungen. Er wendet sich gegen die ihm vorgeworfene Schlechtleistung und Arbeitsverweigerung und weist darauf hin, daß er – unwidersprochen – niemals abgemahnt worden ist.
Es existiere auch kein Aufhebungsvertrag über eine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.03.1994.
Die ungerechtfertigten Vorwürfe der Beklagten machten die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses jedoch unzumutbar, so daß nunmehr der Auflösungsantrag nach §§ 9, 10 KSchG geboten sei.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien weder durch die drei Kündigungen vom 15.11.1993 noch durch den behaupteten Aufhebungsvertrag zum 31.03.1994 aufgelöst worden ist,
- das Arbeitsverhältnis gemäß §§ 9, 10 KSchG gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aufzulösen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen und den Auflösungsantrag zurückzuweisen.
Sie haben behauptet, daß Anstellungsverhältnis habe durch Aufhebungsvereinbarung mit Ablauf des 31.03.1994 sein Ende gefunden. Wegen des rückläufigen Auftragsbestandes und „hier nicht weiter zu vertiefender Fehlverhaltensweisen des Klägers” hätten sie dem Kläger Anfang November 1993 eröffnet, daß sie die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.12.1993 wünschten. Der Kläger habe dies zunächst lediglich zur Kenntnis genommen. In der zweiten Novemberwoche habe der Kläger den Vorschlag gemacht, das Anstellungsverhältnis erst zum 31.03.1994 aufzulösen, damit ihm mehr Zeit für die Suche nach einem neuen Arbeitsplatz bleibe und das Projekt H. bis zur Fertigstellung des Rohbaus besser ...