Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterbrechung. Wartezeit. ethische Minderheit. Bestattungsgehilfe. Sinto
Leitsatz (amtlich)
Dauer der Unterbrechung und Zusammenrechnung von zwei Arbeitsverhältnissen im Hinblick auf die Wartezeit des § 1 KSchG. Eine Kündigung innerhalb der Wartezeit des § 1 KSchG ist nicht gemäß § 242 BGB unwirksam, wenn ein Arbeitgeber nicht bereit ist, Einschränkungen in seinem Direktionsrecht hinzunehmen, die dadurch veranlasst sind, dass ein Arbeitnehmer Tätigkeiten aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit nicht ausüben kann (Tätigkeiten als Bestattungsgehilfe durch Sinto).
Normenkette
KSchG § 1; BGB § 242
Verfahrensgang
ArbG Köln (Urteil vom 13.07.2001; Aktenzeichen 5 Ca 3562/01) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 13.07.2001 – 5 Ca 3562/01 – wird auf dessen Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer dem Kläger mit Schreiben vom 26.03.2001 gegenüber erklärten Kündigung. Streitig ist dabei, ob zum Kündigungszeitpunkt das Kündigungsschutzgesetz bereits auf das Arbeitsverhältnis Anwendung fand und ob ggf. die Kündigung aus sonstigen Gründen außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes unwirksam ist.
Der Kläger ist Angehöriger einer alten deutschen Sintifamilie und unterliegt insoweit einem Reinheitsgebot, das es aus kulturellen und religiösen Gründen ausschließt, als Bestattungsgehilfe tätig zu werden. Eine solche Tätigkeit hätte bei Kenntnisnahme durch den Familienverband zur Folge, dass sich die Familie des Klägers weigern würde, mit ihm zusammen zu essen oder zu verkehren.
Der Kläger war seit 1993 viermal auf Grund von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zu Dienstleistungen als Gartenarbeiter bei der Beklagten eingestellt. Er wurde nach Lohngruppe II Abschnitt b BZTG/NRW vergütet. Zwischen den einzelnen Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen lagen jeweils etliche Monate, zum Teil Zeiträume von länger als einem Jahr.
Die letzte befristete ABM-Maßnahme endete mit dem 14.12.2000. Nachdem zunächst am 08.11.2000 die Beklagte eine Bewerbung des Klägers auf dauerhafte Weiterbeschäftigung abgelehnt hatte, weil keine Beschäftigungsmöglichkeiten gegeben waren, stellte sich gegen Ende der ABM-Maßnahme heraus, dass bei der Beklagten Neueinstellungen im Friedhofsbereich erforderlich werden würden. Der Kläger wurde für den 12.12.2000 zu einem Vorstellungsgespräch geladen. In diesem Gespräch wurde er darauf hingewiesen, dass die avisierte Festanstellung auch Arbeiten im Bestattungsbereich bis hin zur Umbettung voraussetzen würde. Vom Kläger werde erwartet, dass er diese Tätigkeiten ebenfalls im Vertretungsfall und als Aushilfe ausführe. Dies bejahte der Kläger im Vorstellungsgespräch.
Mit Schreiben vom 09.12.2000 teilte der Oberbürgermeister dem Kläger mit, dass seine Bewerbung positiv verlaufen sei, dass er wegen einer noch vorhandenen Finanzierungslücke jedoch nicht nahtlos eingestellt werden könne, eine Weiterbeschäftigung sei voraussichtlich nach Schließung der Finanzierungslücke ab dem 15.01.2001 möglich. Tatsächlich wurde am 30.01.2001 mit Beginn des Arbeitsverhältnisses zum 01.02.2001 ein unbefristeter Arbeitsvertrag zwischen den Parteien geschlossen, der die Tätigkeit des Klägers als Hilfsgärtner angibt. Mit dem Kläger wurde Lohngruppe III Abschnitt a BZT-G/NRW vereinbart sowie im Übrigen die Geltung der Vorschriften des Bundesmanteltarifvertrages für Arbeiter gemeindlicher Verwaltungen und Betriebe und die weiteren Bezirkszusatztarifverträge. Gleichzeitig mit dem Kläger wurden weitere 19 Mitarbeiter eingestellt. Sämtliche Neueinstellungen erfolgten zum Einsatz im Friedhofsbereich, wobei die Mitarbeiter teilweise als Bestattungsgehilfe, teilweise als Hilfsgärtner im Arbeitsvertrag bezeichnet sind. Der Einsatzort sämtlicher Neueinstellungen liegt im Bereich der K. Friedhöfe. Bei allen Hilfsgärtnern erwartet die Beklagte, dass diese dem tarifvertraglich vorbehaltenen Direktionsrecht, dass nach der vereinbarten Lohngruppe auch eine Tätigkeit als Bestattungsgehilfe ermöglicht, nachkommen.
Bereits kurz nach Aufnahme der Tätigkeit machte der Kläger geltend, dass er auf dem Westfriedhof nicht eingesetzt werden könne, da er dort um sein Leben fürchte auf Grund einer Streitigkeit zwischen seiner und einer anderen Roma-/Sintifamilie. Der Kläger wurde daraufhin auf dem Friedhof S. H. in einer Bestatterkolonne eingesetzt. Der Kläger machte nun geltend, dass ihm grundsätzlich Tätigkeiten als Hilfsgärtner zu übertragen seien.
Am 13.02.2001 kam es deshalb zu einem Gespräch zwischen Mitarbeitern der Beklagten, dem Kläger und einer Vertreterin des Klägers. Dieser machte dabei klar, dass er Tätigkeiten als Bestattungsgehilfe nicht ausführen könne, gelegentliche Aushilfe in der Bestattung wie Kränze aufstellen, wegräumen, Grabumfeld reinigen, Feld einebnen, Steine reparieren, könne er jedoch ausüben. Bei diesem Gespräch wurde der Kläger nochmals darau...