Entscheidungsstichwort (Thema)
Geltung eines Tarifvertrages trotz Austritt des Arbeitgebers aus dem Arbeitgeberverband bei nonstitutiver dynamische Verweisung in den Arbeitsverträgen
Leitsatz (amtlich)
Nimmt der tarifgebundene Arbeitgeber in seinen Arbeitsverträgen generell auf die für ihn maßgeblichen Tarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung Bezug, so hat dies, auch wenn es grundsätzlich als Gleichstellungsabrede gemeint ist, für tarifgebundene und nicht tarifgebundene Arbeitnehmer die gleiche konstitutive Bedeutung. Nach Austritt des Arbeitgebers aus seinem Verband werden kraft der konstitutiven dynamischen Verweisung auch die nach Verbandsaustritt abgeschlossenen Tarifverträge für das Arbeitsverhältnis verbindlich. Die Verbandszugehörigkeit des Arbeitgebers ist nicht Geschäftsgrundlage der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel. Will der Arbeitgeber eine Bindung an die Tarifverträge über die Zeit seiner eigenen Verbandszugehörigkeit hinaus vermeiden, so müsste er die Bezugnahme im Arbeitsvertrag mit einem entsprechenden Vorbehalt verbinden.
Leitsatz (redaktionell)
Hinweis:
Das Bundesarbeitsgericht bittet, die Revisionsschrift, die Revisionsbegründungsschrift und die sonstigen wechselseitigen Schriftsätze im Revisionsverfahren in siebenfacher Ausfertigung (und für jeden weiteren Beteiligten eine Ausfertigung mehr) bei dem Bundesarbeitsgericht einzureichen.
Normenkette
TVG §§ 3, 5; BGB §§ 133, 157
Beteiligte
Verfahrensgang
ArbG Neustrelitz (Entscheidung vom 07.04.2001; Aktenzeichen 4 Ca 1307/00) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Neustrelitz – 4 Ca 1307/00 – vom 21. November 2000 teilweise abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere DM 166,43 brutto nebst vier Prozent Zinsen ab 20. Juli 2000 zu zahlen.
Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte nach dem 31. Dezember 1998 trotz Verbandsaustritt zur Zahlung der erhöhten tariflichen Vergütung verpflichtet ist.
Der Beklagte hat seine bei Begründung des Arbeitsverhältnisses bestehende Mitgliedschaft in der Landestarifgemeinschaft des DRK zum 31. März 1998 gekündigt. Die Landestarifgemeinschaft hat ihrerseits ihre Mitgliedschaft in der Bundestarifgemeinschaft zum 31. Januar 1999 gekündigt und sich am 20. Februar 1999 aufgelöst. Der Beklagte ist einer neu gegründeten Tarifgemeinschaft des DRK-Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern beigetreten, die ihrerseits nicht Mitglied in der Bundestarifgemeinschaft ist und bisher keine Tarifverträge abgeschlossen hat.
Die als Erzieherin beschäftigte Klägerin A. war bei Begründung des Arbeitsverhältnisses nicht tarifgebunden. Sie ist seit August 1995 Mitglied der Gewerkschaft ÖTV (jetzt ver.di, Bestätigung der ÖTV Blatt 78 d. A.). Im Arbeitsvertrag vom 01.07.1993 (Blatt 92 d. A.) heißt u. a.: „2. Arbeitsentgelt: Die Mitarbeiterin ist in der Vergütungsgruppe A 05 c der Anlage 10 a zum DRK-Tarifvertrag-Ost eingruppiert. … 5. Tarifbestimmungen: Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem DRK-Tarifvertrag-Ost in der jeweils geltenden Fassung sowie – solange im DRK-Tarifvertrag-Ost noch keine entsprechenden bzw. ablösenden Regelungen enthalten sind – nach den bisher geltenden Bestimmungen. Es gilt der Tarifvertrag für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes (Ost).”
Mit Datum 30.03.1998 haben die Parteien einen Änderungsvertrag zum Anstellungsvertrag vom 01.07.1993 mit dem Inhalt der Herabsetzung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auf 31,6 Stunden (Blatt 188 d. A.) sowie auf der Grundlage dieser ermäßigten Arbeitszeit einen neuen Anstellungsvertrag (Blatt 11 d. A.) geschlossen, in dem u. a. heißt: „2. Arbeitsentgelt: Die Vergütungsgruppe V c bemißt sich nach Anlage 10 a des DRK-Tarifvertrages. … 5. Tarifbestimmungen: Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem DRK-Tarifvertrag Ost in der jeweils geltenden Fassung.”
Der Beklagte hat bis Ende 1998 die tarifliche Vergütung gezahlt, 1999 hat er die Vergütung in gleicher Höhe wie im Vorjahr weitergezahlt. Er ist der Meinung, an die ab Anfang 1999 geltende Tariferhöhung nicht mehr gebunden zu sein.
Die tarifliche Vergütung entsprach nach den zwischen der Bundestarifgemeinschaft des DRK und den Gewerkschaften ÖTV und DAG getroffenen Vereinbarungen derjenigen nach den Vergütungstarifverträgen zum BAT-O. Für den Bereich des BAT-O wurde im März 1999 eine Anhebung der Bezüge um 3,1 Prozent ab 1. April 1999 sowie eine Einmalzahlung für die Zeit von Januar bis März 1999 tariflich vereinbart. In ihrem 9. Änderungstarifvertrag vom 09.06.1999 haben die Bundestarifgemeinschaft des DRK sowie die Gewerkschaften ÖTV und DAG u. a. vereinbart: „§ 1 Änderung und Ergänzung des DRK-Tarifvertrags Ost: 1. Die für den Bereich des Bundes und der Tarifgemeinschaft Deutscher Länder mit Datum vom 5. März 1999 geschlossenen Tarifverträge zur Anpassung der Vergütungen un...