Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgestufte Darlegungs- und Beweislast bei der Überprüfung einer tariflich vorgeschriebenen Leistungsbeurteilung nach dem ERA-TV Bayern
Leitsatz (amtlich)
Die Rechtsprechung des BAG (18.05.2014, 10 AZR 699/13) zur Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers bei einer unterdurchschnittlichen Beurteilung, die zum ERA-TV BW ergangen ist, findet auf die inhaltlich gleichen Regelungen des ERA-TV Bayern Anwendung. Da die Beklagte zu dem streitigen Beurteilungskriterium keine Tatsachen vorgetragen hat, die auch unter Berücksichtigung ihres Ermessensspielraums geeignet sind, die unterdurchschnittliche Beurteilung zu tragen, hat der Kläger Anspruch auf eine Leistungszulage, die insoweit einer Bewertung mit der durchschnittlichen Punktzahl entspricht.
Leitsatz (redaktionell)
Bestreitet der Arbeitnehmer die Richtigkeit der Leistungsbeurteilung, ist es zunächst Sache des Arbeitgebers, seine Bewertung anhand von Tatsachen zu konkretisieren und plausibel zu machen. Der Arbeitnehmer hat hierzu sodann substantiiert Stellung zu nehmen. Bleibt die Beurteilung danach streitig, hat derjenige, der einen Wert unterhalb oder oberhalb der tariflichen Normalleistung behauptet, jeweils dafür die Beweislast zu tragen.
Normenkette
BGB § 315; ERA-TV Metall- und Elektroindustrie Bayern Abschn. III § 6 Nr. 1, § 7 Nrn. 1, 5, 11
Verfahrensgang
ArbG Augsburg (Entscheidung vom 19.10.2021; Aktenzeichen 8 Ca 341/21) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des Arbeitsgerichts Augsburg vom 19.10.2021, Az.: 8 Ca 341/21 unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 623,10 brutto nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 10.07.2021 zu zahlen.
2. Von den Kosten der ersten Instanz trägt der Kläger 9/10 und die Beklagte 1/10. Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger % und die Beklagte %.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz noch über die Leistungszulage des Klägers für das Jahr 2020.
Der am ...1961 geborene Kläger ist seit dem 12.09.1988 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Facharbeiter, zuletzt mit einer Eingruppierung in EG 6b und einem monatlichen Bruttoentgelt von circa € 4.000,00 (Gesamtjahresbrutto im Jahr 2020: € 57.679,91) beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers finden die Tarifverträge der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie Anwendung, so der Manteltarifvertrag (MTV) und der Entgeltrahmentarifvertrag für die Bayerische Metall- und Elektroindustrie (ERA-TV Bayern).
Die maßgeblichen Bestimmungen des ERA-TV Bayern zur Leistungsbeurteilung lauten auszugsweise:
"III.
Leistungsabhängiges Entgelt
§ 6 Allgemeine Bestimmungen
1. Grundsätze
Zusätzlich zum Grundentgelt wird ein leistungsabhängiges Entgelt bezahlt. Dieses ist als Prozentsatz zum monatlichen Grundentgelt zu ermitteln.
Mit dem leistungsabhängigen Entgelt wird eine Leistung abgegolten, die über der Bezugsleistung liegt.
Bezugsleistung ist eine Leistung, die von durchschnittlich geeigneten Arbeitnehmern bei voller Übung und ausreichender Einarbeitung ohne Gesundheitsschädigung und ohne gesteigerte Anstrengung auf Dauer zu erreichen ist.
Bei der Gestaltung der Arbeits- und Leistungsbedingungen sind die in § 13 MTV geregelten Grundsätze einzuhalten.
Vergleichbare Leistungsergebnisse sollen unabhängig von den jeweils vereinbarten Grundsätzen zur Ermittlung des Leistungsergebnisses zu gleichen Verdienstchancen im leistungsabhängigen Entgelt führen.
Soweit sich das leistungsabhängige Entgelt nach der Leistung mehrerer Arbeitnehmer richtet (z.B. im Gruppenakkord), sind die Grundsätze für die Verteilung mit Zustimmung des Betriebsrates festzulegen. lm Nichteinigungsfall ist gem. § 23 Abschn. D MTV zu verfahren.
2. Entgeltgrundsätze und Methoden
Das Leistungsergebnis ist im Rahmen der Entgeltgrundsätze Zeitentgelt, Leistungsentgelt (Akkord. Prämie), Zielentgelt mit den nachfolgenden Methoden zu ermitteln.
a) bei Zeitentgelt mit der Methode Leistungsbeurteilung
b) bei Leistungsentgelt (Prämie oder Akkord) mit der Methode Kennzahlenvergleich
c) bei Zielentgelt mit der Methode Soll / Ist-Vergleich im Rahmen einer Zielvereinbarung
6. Festlegung der Leistung-Entgelt-Relation
(I) Jede Vereinbarung zum leistungsabhängigen Entgelt gemäß Ziffer 2 muss so gestaltet werden. dass im Durchschnitt der von der Vereinbarung erfassten Arbeitnehmer regelmäßig ein leistungsabhängiges Entgelt von 14% der Grundentgeltsumme dieser Arbeitnehmer erreicht werden kann.
(II) Das individuelle leistungsabhängige Entgelt beträgt zwischen 0% und 28%.
7. Betriebliches Volumen des leistungsabhängigen Entgelts
(I) Die Summe der leistungsabhängigen Entgelte soll bezogen auf den Betrieb 14% der Grundentgeltsumme ergeben. In die Berechnung werden nur Arbeitnehmer einbezogen, die dem Grunde nach einen Anspruch auf ein leistungsabhängiges Entgelt haben. Arbeitnehmer mit einer Betriebszugehörigkeit unter 6 Monaten bleiben bei der Erm...