Entscheidungsstichwort (Thema)
Richtigkeit einer Leistungsbeurteilung nach dem tariflichen Verfahren und Anspruch auf die daraus ergebende Leistungszulage
Leitsatz (redaktionell)
1. Anhang A zu § 8 Entgeltrahmenabkommen für die Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen (ERA) kann nicht so ausgelegt werden, dass von Spalte A der Beurteilungsstufe für die Einzelmerkmale (Effizienz, Qualität, Flexibilität, Verantwortliches Handeln, Kooperation/Führungsverhalten) eine (jeweils) durchschnittliche Leistung erfasst wird und nur durch überdurchschnittliche Leistungen Punkte der Beurteilungsstufen B bis E erreicht werden können.
2. Allerdings hat ein Arbeitnehmer, der dementsprechend methodisch falsch beurteilt wurde und dem es deshalb an einer wirksamen Leistungsbeurteilung fehlt, keinen Anspruch auf richterliche Ersatzbestimmung der zutreffenden Gesamtpunktzahl und daraus folgend auf die Errechnung der Höhe der ihm danach zustehenden Leistungszulage entsprechend § 319 Abs. 1 S. 2 BGB. Solange es an einer wirksamen Neubeurteilung fehlt, ist vielmehr das bisherige Leistungsentgelt, d. h. die Leistungszulage auf der Grundlage der letzten wirksamen Beurteilung - hier aufgrund Betriebsvereinbarung - fortzuzahlen.
Normenkette
ERA § 8
Verfahrensgang
ArbG Offenbach am Main (Entscheidung vom 27.07.2023; Aktenzeichen 2 Ca 100/23) |
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.622,40 EUR (in Worten: Siebentausendsechshundertzweiundzwanzig und 40/100 Euro) brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
aus 858,75 EUR (in Worten: Achthundertachtundfünfzig und 75/100 Euro) br. seit 16. November 2022
aus 554,03 EUR (in Worten: Fünfhundertvierundfünfzig und 03/100 Euro) br. seit 16. Dezember 2022
aus 554,03 EUR (in Worten: Fünfhundertvierundfünfzig und 03/100 Euro) br. seit 16. Januar 2023
aus 554,03 EUR (in Worten: Fünfhundertvierundfünfzig und 03/100 Euro) br. seit 16. Februar 2023
aus 554,03 EUR (in Worten: Fünfhundertvierundfünfzig und 03/100 Euro) br. seit 16. März 2023
aus 175,57 EUR (in Worten: Einhundertfünfundsiebzig und 57/100 Euro) br. seit 16. April 2023
aus 554,03 EUR (in Worten: Fünfhundertvierundfünfzig und 03/100 Euro) br. seit 16. Mai 2023
aus 582,89 EUR (in Worten: Fünfhundertzweiundachtzig und 89/100 Euro) br. seit 16. Juni 2023
aus 582,89 EUR (in Worten: Fünfhundertzweiundachtzig und 89/100 Euro) br. seit 16. Juli 2023
aus 582,89 EUR (in Worten: Fünfhundertzweiundachtzig und 89/100 Euro) br. seit 16. August 2023
aus 582,89 EUR (in Worten: Fünfhundertzweiundachtzig und 89/100 Euro) br. seit 16.September 2023
aus 582,89 EUR (in Worten: Fünfhundertzweiundachtzig und 89/100 Euro) br. seit 16. Oktober 2023
aus 903,48 EUR (in Worten: Neunhundertdrei und 48/100 Euro) br. seit 16. November 2023
zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin 31 %, die Beklagte 69 % zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Richtigkeit einer Leistungsbeurteilung nach dem tariflichen Verfahren gemäß § 8 Entgeltrahmenabkommen für die Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen (ERA) und die sich daraus ergebende Leistungszulage der Klägerin im Zeitentgelt.
Die Beklagte betreibt in der Rechtsform einer GmbH mit Sitz in Offenbach am Main ein Prüfinstitut und beschäftigt ca. 540 Arbeitnehmer. Sie ist Mitglied des Verbandes der Hessischen Metall- und Elektroindustrie e.V. (VHME).
Die 1963 geborene Klägerin ist Mitglied der Gewerkschaft IG Metall und seit 1. Januar 1992 Arbeitnehmerin der Beklagten. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ist kraft beidseitiger Tarifbindung der Tarifvertrag Entgeltrahmenabkommen für die Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen vom 6. Juli 2004 (folgend: ERA) anwendbar. Die Beklagte zahlt die Monatsentgelte jeweils zum 15. des laufenden Monats, also "vorschüssig".
Die Klägerin ist in der Entgeltgruppe (EG) 9 eingruppiert und wird in dem Entgeltgrundsatz Zeitentgelt (§ 8 ERA) vergütet, zuletzt hatte sie eine Arbeitszeit von 30 Wochenstunden.
Zur Wiedergabe des Inhalts des im Dezember 1991 vereinbarten Anstellungsvertrags der Parteien wird auf die Anlage K1 zum Schriftsatz der Klägerin vom 14. Juli 2023 verwiesen (Bl. 94-99 d.A.).
Die Beklagte ermittelte die Höhe der Leistungszulagen, welche an ihre im Zeitentgelt eingesetzten Arbeitnehmer neben dem Grundentgelt zu zahlen sind (§§ 7 Ziff. 1 S. 2, 8 ERA), ab 2017 auf der Grundlage einer zur Leistungsbeurteilung gemäß § 8 Ziff. 2 ERA geschlossenen "Betriebsvereinbarung Leistungszulage (BVO 06)".
Die Punktetabelle zur Leistungsbewertung der BVO 06 sah in der Beurteilungsstufe C (bei insgesamt fünf Beurteilungsstufen: A bis E): "Das Leistungsergebnis entspricht in vollem Umfang den Anforderungen der Arbeitsaufgabe" die Vergabe von jeweils zwei Punkten für fünf Einzelmerkmale (insgesamt zehn Punkte) vor. Ein Punkt entsprach einem Prozent des Grundentgelts als Leistungszulage.
Die Beklagte kündigte die Betriebsvereinbarung BVO 06 vom 14. März 2017 zum 31. Dezembe...