Entscheidungsstichwort (Thema)
Gestaltungsantrag des Arbeitnehmers auf Festsetzung einer höheren Gesamtpunktzahl durch das Gericht im Rahmen der Leistungsbeurteilung anstelle der Leistungsbeurteilung der paritätischen Kommission. Zulässiger Antrag gegen die Leistungsbeurteilung als Ganzes und nicht nur gegen die Bewertung einzelner Beurteilungsmerkmale
Leitsatz (redaktionell)
Die gerichtliche Kontrolle von Schiedsgutachten stützt sich auf den Entscheidungsvorgang und die Entscheidungsbegründung. Unrichtig wird das Urteil durch falsche oder fehlende Erwägungen. Wegen der Unverbindlichkeit der Entscheidung der paritätischen Kommission hat das Gericht analog § 319 Abs. 1 S. 2 BGB die Leistungsbeurteilung für den Streitzeitraum vorzunehmen und eine Festsetzung der Gesamtpunktzahl vorzunehmen. Die gerichtliche Bestimmung entsprechend § 319 Abs. 1 S. 2 BGB ersetzt die Entscheidung der paritätischen Kommission.
Normenkette
BGB § 319 Abs. 2 S. 2, § 317; ERA § 8 Abs. 1 TV
Verfahrensgang
ArbG Kassel (Entscheidung vom 20.02.2023; Aktenzeichen 8 Ca 231-22) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kassel vom 20. Februar 2023 - 8 Ca 231/22 - wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Wesentlichen über die Frage, ob der Kläger eine tarifliche Leistungszulage nach einer beanstandeten Beurteilung verlangen kann.
Die Beklagte ist ein Unternehmen der Automobilzuliefererindustrie. Sie stellt in erster Linie Polyurethan-Sandwichplatten, die sog. FerroFoam-Paneele, bis zu einer Größe von 3,2 x 16 Meter in Serie her. Solche Paneele werden vorrangig zur Herstellung von Lkw- und Anhängeraufbauten verwendet. Es werden ca. 62 Mitarbeiter beschäftigt.
Der Kläger ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin seit dem 1. August 2003 beschäftigt. Grundlage bildet der Arbeitsvertrag vom 7. Juni 2006, bezüglich dessen Einzelheiten auf Bl. 35 f. der Akte verwiesen wird. Dieser enthält in Ziff. 12 eine Bezugnahmeklausel auf die Tarife der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen in der jeweils gültigen Fassung. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten ist im Jahr 1996 aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten.
Auf das Arbeitsverhältnis finden - was zwischen den Parteien unstreitig ist - die Tarifverträge der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen in der jeweils gültigen Fassung Anwendung. Anwendung auf das Arbeitsverhältnis findet dementsprechend auch das Entgeltrahmenabkommen (ERA) für die Metall- und Elektroindustrie vom 6. Juli 2004, bezüglich dessen Einzelheiten auf die zur Akte gereichte Kopie (Bl. 41 ff. der Akte) verwiesen wird.
Eingruppiert ist der Kläger in die Entgeltgruppe E4. Sein Grundentgelt betrug zuletzt 2.703 Euro brutto. Gemäß § 7 Abs. 1 ERA werden die Beschäftigten in den Entgeltgrundsätzen Zeitentgelt oder Leistungsentgelt vergütet. Im Zeitentgelt erhalten sie ein Grundentgelt und eine Leistungszulage, die sich durch Beurteilung gemäß § 8 ermittelt (§ 7 Abs. 2 ERA).
§ 8 ERA lautet insoweit wie folgt:
§ 8
Zeitentgelt mit Beurteilung
(1) Für alle im Zeitentgelt Beschäftigten erfolgt die Beurteilung auf der Basis sachgerechter und betrieblich zu vereinbarender Kriterien. Sie erhalten aufgrund ihrer persönlichen Leistung - entsprechend dem Ergebnis der betrieblichen Beurteilung - eine Leistungszulage. Diese ist in Prozenten auszuweisen und in schriftlicher Form mitzuteilen.
Die Beurteilung der Leistung obliegt dem Arbeitgeber oder seinem Beauftragten.
Die Leistungszulagen der Beschäftigten im Zeitentgelt müssen mindestens 10 % der Summe der tariflichen Grundentgelte der nach dem Entgeltgrundsatz "Beurteilun g" erfassten Beschäftigten im jeweiligen Geltungsbereich betragen. Daraus kann nicht abgeleitet werden, dass jeder Beschäftigte im Zeitentgelt eine Leistungszulage zu beanspruchen hat.
Wird ein Beschäftigter einer höheren Entgeltgruppe zugeordnet, kann die Leistungszulage entfallen und wird neu festgelegt.
(2) In der Betriebsvereinbarung über das Beurteilungsverfahren ist mindestens folgendes festzulegen:
a) Die Beurteilungsmerkmale und -stufen
b) Die Gesamtpunktzahl und ihre Verteilung auf die Merkmale (Gewichtung)
c) Ggf. Funktionsbereiche, die mit unterschiedlichen Gewichtungen versehen werden können.
(...)
(5) Verzichtet der Arbeitgeber auf eine methodische individuelle Beurteilung der Leistung, so hat der Beschäftigte einen Anspruch auf persönliche Leistungszulage von mindestens 10 %.
(6) Die Leistungsbeurteilung soll einmal im Jahr überprüft werden. Ist im Einzelfall der Arbeitgeber oder der Beschäftigte der Auffassung, dass die gezeigte Leistung der vorliegenden Beurteilung nicht oder nicht mehr entspricht, so ist eine Überprüfung vorzunehmen.
Ergibt die Überprüfung eine höhere Leistungszulage, so wird diese vom darauf folgenden Entgeltabrechnungszeitraum an gezahlt.
Ergibt die Überprüfung eine geringere Leistungszulage, so ist die Leistungszulage auf Verlangen des Beschäftigten nach einer Karenzzeit von 4 Wochen z...