Entscheidungsstichwort (Thema)
Klage auf Feststellung des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses aufgrund Widerspruchs nach § 613 a Abs. 6 BGB nach unzureichender Information über den Betriebsübergang. kein unzulässiger Massenwiderspruch. keine Verwirkung. Information unzureichend bereits wegen ungenauer Angabe der Übernehmerin und Fehlen ihrer Adresse
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Unterrichtung über einen Betriebsübergang erfordert, dass der Betriebsübernehmer grundsätzlich mit Firmenbezeichnung und Anschrift genannt wird, so dass er identifizierbar ist. Bei einer GmbH & Co. oHG gehört auch die exakte Bezeichnung der Zahl der an der oHG beteiligten Gesellschafter dazu, einschließlich der Benennung ihrer gesetzlichen Vertreter, also der Geschäftsführer, falls die Gesellschafter ausschließlich GmbH sind.
2. Eine Information auch über die mittelbaren Folgen eines Betriebsübergangs ist erforderlich, wenn die ökonomischen Rahmenbedingungen des Betriebsübergangs zu einer gravierenden Gefährdung der wirtschaftlichen Absicherung der Arbeitnehmer beim neuen Betriebsinhaber führen und diese Gefährdung als ein wesentliches Kriterium für einen möglichen Widerspruch der Arbeitnehmer gegen den Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse anzusehen ist. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die Arbeitsplatzsicherheit beim Betriebserwerber maßgeblich betroffen ist.
3. Bei der beim Zeitmoment der Verwirkung gebotenen einzelfallbezogenen Wertung, bei der es eine starre Frist oder Höchstfrist nicht gibt, können insbesondere der Grad der Fehlerhaftigkeit oder Unvollständigkeit des Unterrichtungsschreibens als auch die Komplexität der mit dem konkreten Betriebsübergang verbundenen rechtlichen Fragen eine Rolle spielen.
Normenkette
BGB § 613a Abs. 5 Nr. 2, §§ 242, 613a Abs. 1, 6
Verfahrensgang
ArbG München (Urteil vom 23.10.2007; Aktenzeichen 30 Ca 2398/07) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten zu 2) gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 23.10.2007 – Az.: 30 Ca 2398/07 – wird auf Kosten der Beklagten zu 2) zurückgewiesen.
2. Die Revision wird für die Beklagte zu 2) zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger und Berufungsbeklagte (künftig: Kläger) und die Beklagte zu 2) und Berufungsklägerin (künftig: Beklagte zu 2)) streiten in der Berufung über die Frage, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers aufgrund seines Widerspruchs gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Fa. B. M. noch bei der Beklagten zu 2) besteht, ferner, ob es durch die Kündigung und die weitere Beendigungsmitteilung – jeweils vom 26.01.2007 – des Beklagten zu 1) an den Klägern beendet worden ist.
Der Kläger ist seit 01.10.1996 bei der Beklagten zu 2) im Arbeitsverhältnis beschäftigt gewesen. Sein Bruttogehalt hat zuletzt 6.693,33 EUR monatlich betragen. Infolge eines Betriebsübergangs mit nachfolgender Insolvenzeröffnung über das Vermögen der Betriebserwerberin Fa. B. M. ist schließlich eine Beschäftigung für den Beklagten zu 1) als deren Insolvenzverwalter erfolgt.
Mit Mitteilung vom 29.8.2005 (Blatt 22, 23 der Akten) hat die Beklagte zu 2) den Kläger darüber informiert, dass sein Arbeitsverhältnis zum 01.10.2005 auf die B. M. (im Folgenden B.) übergehen werde.
Die Beklagte zu 2) hat ihr im Geschäftsgebiet „Com MD (Mobile Devices)” konzentriertes Mobiltelefon-Geschäft auf der Grundlage eines von ihr als „Master Sale und Purchase Agreement” (MSPA) bezeichneten Vertrags mit der B. C. mit dem Sitz in T. mit Wirkung vom 30.09./01.10.2005 in der Weise verkauft, dass die Vermögensgegenstände dieses Geschäftsbereichs in D. im Wege der Einzelrechtsübertragung „Asset Deal”) auf die zu diesem Zweck von der B. C. gegründete Fa. B. M. übertragen worden sind (künftig: B. M.). B. M. ist mit Gesellschaftsvertrag vom 30.08.2005 mit den Gesellschafterinnen Fa. B. M. sowie Fa. B. W. neu gegründet und am 16.09.2005 in das Handelsregister beim Amtsgericht M. eingetragen worden. Beide Gesellschafterinnen haben jeweils über ein Stammkapital von 25.000,00 EUR verfügt. Die Beklagte zu 2) hat auch nach dem Betriebsübergang weiterhin die Personalverwaltung für B. M. ausgeübt.
Die Beklagte zu 2) hat im Zusammenhang mit diesem Unternehmenskaufvertrag an die B. C. – nicht an B. M. – einen dreistelligen Millionenbetrag bezahlt und ihr die Patente und Markenrechte aus dem Geschäftsbereich COM MD übertragen. Über diesen Betriebsübergang hat die Beklagte die ArbeitnehmerInnen des übergehenden Geschäftsbereiches, darunter den Kläger, mit einem Schreiben vom 29.08.2005 mit folgendem Wortlaut (Anl. K2, Bl. 29/30, 127/128 und 278/279 d.A.):
„Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses
Sehr geehrter Herr M.,
wie Ihnen bereits durch verschiedene Mitarbeiterinformationen bekannt ist, werden unsere Aktivitäten des Geschäftsgebietes Com MD (Mobile Devices) zum 01.10.2005 in die B. M. (im Folgenden: B. M.) übertragen.
B. ist ein weltweit führender Anbieter von Consumer-Electronic-Produkten, wie beispielsweise LCD-Bildschirmen, Notebook-Computern, Kameras und Scannern. Und im Handygeschäft wird B. M. in den nächsten Jah...