Entscheidungsstichwort (Thema)
Vereinbarte Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Abwicklungsvertrag. Anhörungsrecht des Betriebsrats
Leitsatz (amtlich)
Vereinbaren die Vertragsparteien die Beendigung des Arbeitsverhältnisses und wird diese Vereinbarung durch Kündigung und Abwicklungsvertrag umgesetzt, besteht kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 102 BetrVG.
Normenkette
BetrVG §§ 102, 23 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Celle (Beschluss vom 26.06.2003; Aktenzeichen 1 BV 2/02) |
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Celle vom 26.06.2003, 1 BV 2/03, wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Der Betriebsrat begehrt nach Antragsumstellung im Beschwerde-verfahren die Verpflichtung des Arbeitgebers, den Betriebsrat vor Kündigungen, die im Zusammenhang mit Abwicklungsvereinbarungen ausgesprochen werden, nach § 102 BetrVG anzuhören. Er stützt den Anspruch in erster Linie auf § 23 Abs. 3 BetrVG.
Seit Jahren schließt der Arbeitgeber zur Beendigung von Ar-beitsverhältnissen keine Aufhebungsverträge, sondern spricht schriftliche Kündigungen aus und schließt mit dem betroffenen Mitarbeiter eine Abwicklungsvereinbarung. Für die Abwicklungs-vereinbarung wird ein vorgefertigtes Formular (z.B. Bl. 24 d.A.) verwandt, in dem u.a. ein Verzicht auf die Erhebung einer Kündigungsschutzklage enthalten ist. Die Vorgehensweise des Arbeitgebers ist dabei unterschiedlich. Wird in einem Personal-gespräch Einvernehmen über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erzielt, wird zum Teil die Abwicklungsvereinbarung unterschrieben und sodann die vorbereitete schriftliche Kündigung ausgehändigt. Zum Teil wird die Abwicklungsvereinbarung unterzeichnet und die Kündigung erst zu einem späteren Zeitpunkt ausgesprochen. Nach Be-hauptung des Betriebsrates gibt es auch Fallgestaltungen, in denen zuerst die Kündigung mündlich oder schriftlich ausgesprochen wird und sodann der Mitarbeiter zur Unterzeichnung der Abwicklungs-vereinbarung gedrängt wird. Zu Kündigungen, die der Arbeitgeber im Zusammenhang mit Abwicklungsvereinbarungen ausgesprochen hatte, ist der Betriebsrat nicht gehört worden.
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, das Anhörungsrecht nach § 102 BetrVG bestehe auch, wenn Abwicklungsvereinbarungen getroffen würden. Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 BetrVG lägen vor. Im Übrigen sei der allgemeine Unterlassungsanspruch wegen Verletzung des personellen Mitbestimmungsrechts begründet.
Der Betriebsrat hat beantragt,
- der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, Kündigungen ohne Beachtung des Beteiligungsrechts des Betriebsrates gem. § 102 BetrVG zu erklären,
- der Arbeitgeberin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung gem. Ziffer 1 ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Ordnungsgeld anzudrohen.
Der Arbeitgeber hat beantragt,
die Anträge zurückzuweisen.
Er hat vorgetragen, den Abwicklungsverträgen liege zugrunde die Verständigung der Arbeitsvertragsparteien über die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses. Es handele sich um von den Parteien gewollte Aufhebungsverträge, für die eine Anhörungs-pflicht nach § 102 BetrVG nicht bestehe. Die Form, Kündigung und Abwicklungsvereinbarung, werde nur gewählt, um die für den Ar-beitnehmer nachteilige Sperrfristverhängung nach § 144 SGB III zu vermeiden.
Das Arbeitsgericht hat die Anträge des Betriebsrats zurück-gewiesen. Auf den arbeitsgerichtlichen Beschluss zu II wird Bezug genommen.
Mit Beschwerde vertritt der Betriebsrat die Auffassung, wenn der Arbeitbeber den formellen Weg über Kündigung und Abwicklungsver-einbarung wähle, müsse er auch die für die Kündigung vorgesehenen Formalien einhalten. Er müsse deshalb den Betriebsrat vor Aus-spruch der Kündigung anhören. Ergänzend wird Bezug genommen auf die Beschwerdebegründung und den Schriftsatz vom 16.02.2004.
Der Betriebsrat beantragt,
unter Aufhebung des Beschlusses des Arbeitsgerichts Celle vom 26.06.2003, AZ 1 BV 2/03, zugestellt am 06.08.2003,
- den Arbeitgeber zu verpflichten, den Betriebsrat vor Kündigungen, die im Zusammenhang mit Abwicklungsvereinbarungen ausgesprochen werden, nach § 102 BetrVG anzuhören.
- der Arbeitgeberin für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die Verpflichtung gemäß Ziffer 1 ein in Ermessen des Gerichts gestelltes Ordnungsgeld anzudrohen.
Der Arbeitgeber beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er verteidigt nach Maßgabe der Beschwerdeerwiderung den arbeitsgerichtlichen Beschluss.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Beschwerde des Betriebsrates ist nicht begründet. Der Betriebsrat hat keinen Anspruch auf Anhörung nach § 102 BetrVG. Die vom Arbeitgeber praktizierte Form der Beendigung von Arbeitsverhältnissen, Kündigung i.V.m. Abwicklungsvereinbarung, ist in der Sache nichts anderes als ein Aufhebungsvertrag. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend bewertet.
Das Anhörungsrecht des Betriebsrats besteht nur bei Kündigungen. Vereinbaren Arbeitnehmer und Arbeitgeber ...