Leitsatz (amtlich)
Bei mehreren Kündigungen, die in einem Verfahren angegriffen werden, ist für die jeweiligen Kündigungen dann ein gesonderter Wert anzusetzen, wenn mit der vorangegangen Kündigung kein enger tatsächlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang besteht.
Ein Weiterbeschäftigungsbereich ist mit einem Bruttomonatsentgelt zu berücksichtigen, und zwar auch dann, wenn insoweit ein unechter Hilfsantrag gestellt wird.
Normenkette
ArbGG § 12 Abs. 7 S. 1; ZPO § 5; GKG § 19 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Hildesheim (Entscheidung vom 08.03.2001; Aktenzeichen 1 Ca 528/00) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beschwerdeführer wird der Streitwertbeschluss des Arbeitsgerichts Hildesheim vom 08.03.2001 – 1 Ca 528/00 – abgeändert.
Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für das erstinstanzliche Verfahren sowie für den Vergleich wird auf 30.680,00 DM festgesetzt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 1.322,40 DM.
Gründe
Die Beschwerde ist gemäß § 10 Abs. 2 und 3 BRAGO statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 100,– DM. Damit ist die Beschwerde insgesamt zulässig.
Die Beschwerde ist auch begründet. Der Streitwert war auf 30.680,– DM festzusetzen.
Im Hinblick auf das Feststellungsbegehren des Klägers waren insgesamt 5 ½ Monatsbruttoentgelte in Ansatz zu bringen. Die Parteien stritten über die Wirksamkeit zweier gegenüber dem Kläger ausgesprochener Kündigungen. In Literatur und Rechtsprechung ist umstritten, wie die Streitwertfestsetzung bei mehreren zeitnah ausgesprochenen Kündigungen vorzunehmen ist (vgl. hierzu KR Friedrich, § 4 KSchG, Rn. 279 m.w.N.). Das Landesarbeitsgericht schließt sich der Auffassung an, dass bei mehreren in einem Verfahren angegriffenen Kündigungen der Streitwert regelmäßig nicht für jede Kündigung jeweils mit drei Monatsbezügen festzusetzen ist. Der in § 12 Abs. 7 S. 1 ArbGG zu Ausdruck gekommene soziale Schutzzweck gebietet es, in solchen Fällen den Streitwert zu begrenzen. Allerdings ist in diesen Fällen von mehreren Streitgegenständen auszugehen, die an sich gemäß § 5 ZPO zusammen zu rechnen wären. Zweck des § 12 Abs. 7 S. 1 ArbGG ist dabei, das Kostenrisiko für den Arbeitnehmer zu begrenzen. Die Bestimmung steht daher einer Zusammenrechnung mehrerer Streitwerte gemäß § 5 ZPO jedenfalls dann entgegen, wenn es um zeitnah ausgesprochene Kündigungen geht. Für eine weitere Kündigung ist nach hier vertretener Auffassung dann ein gesonderter Wert anzusetzen, wenn mit der vorangegangenen Kündigung kein enger tatsächlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang besteht. Im vorliegenden Fall lag zwischen den mit den beiden Kündigungen angestrebten Beendigungszeitpunkten ein Zeitraum von etwa 2 ½ Monaten.
Daher erscheint es angemessen, bei der Streitwertbemessung wegen des Feststellungsantrages aufgrund der ersten Kündigung einen Betrag von 2 ½ Monatsbruttoentgelten zugrunde zu legen und wegen des Feststellungsbegehren für die zweite Kündigung gemäß § 12 Abs. 7 ArbGG einen Betrag von drei Bruttomonatsentgelten.
Das Weiterbeschäftigungsbegehren des Klägers ist mit einem weiteren Monatsentgelt zu berücksichtigen. Insoweit liegt keine Identität mit dem Feststellungsbegehren vor. Allerdings hat der Kläger im vorliegenden Verfahren einen unechten Hilfsantrag auf Weiterbeschäftigung gestellt. Dieser fällt jedoch nicht unter die Bewertungsnorm des § 19 Abs. 1 S. 2 GKG. Der Antrag wurde nicht für den Fall der Erfolglosigkeit des Hauptantrages, sondern für den Fall gestellt, dass dem Hauptantrag stattgegeben würde. Es wurde daher – letztlich anders als bei einem eigentlichen Hilfsantrag – eine Verurteilung nach beiden Anträge begehrt. Es ging nicht etwa darum, mit der Abweisung des Hauptantrages wenigstens ein Hilfsbegehren durchzusetzen (vgl. auch LAG Hamm, Beschl. vom 28.7.1988 – 8 Ta 122/88, NZR 89, 231; Grunsky, § 12 ArbGG Rn. 5 c m.w.N.; GK-ArbGG, Wentzel, § 12 Rn. 87 m.w.N.; a.A. u. a. Germelmann, Matthes, Prütting, § 12 ArbGG, Rn. 110).
Ferner war bei der Streitwertfestsetzung der mit dem Antrag zu 4. geltend gemachte Zahlungsbetrag in Höhe von 780,– DM zu berücksichtigen.
Der Beschwerdewert ergibt sich aus der Differenz zwischen den im Urteil ausgewiesenen Streitwert sowie dem geltend gemachten Streitwert und den sich hieraus ergebenden Vergütungsansprüchen der Beschwerdeführer.
Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (§ 10 Abs. 3, S. 4 BRAGO, § 78 Abs. 2 ArbGG).
Unterschriften
Vogelsang
Fundstellen
NZA-RR 2001, 495 |
BRAGO prof. 2001, 94 |