Entscheidungsstichwort (Thema)
Benachteiligung eines Altersrentners bei der Stellenbewerbung im öffentlichen Dienst. Entschädigungsklage bei unzureichenden Darlegungen der Arbeitgeberin zur Widerlegung der Benachteiligungsvermutung
Leitsatz (amtlich)
Der Arbeitgeber, für den eine zulässige tarifliche Altersgrenzenregelung (hier: § 33 Abs. 1 a TVöD) gilt, verstößt gegen das Verbot der Altersdiskriminierung nach § 7 Abs. 1 AGG, § 1 AGG, wenn er die Bewerbung eines Altersrentners um eine ausgeschriebene Stelle unter Hinweis auf dessen Rentnerstatus bereits im Bewerbungsverfahren zurückweist. Die mit der Altersgrenze verbundene unmittelbare Benachteiligung des Bewerbers wegen des Alters ist nicht durch § 10 Satz 3 Nr. 5 AGG gerechtfertigt.
Leitsatz (redaktionell)
1. Wird ein Arbeitnehmer wegen des Bezugs einer Altersrente weniger günstig behandelt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation, liegt eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Lebensalters im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG vor.
2. Die Tarifvorschrift des § 33 Abs. 1 Buchst. a TVöD regelt lediglich die gemäß § 10 S. 3 Nr. 5 AGG rechtmäßige Beendigung des Arbeitsverhältnisses und hindert nicht die Einstellung von Altersrentnern.
3. Eine rechtmäßige Altersgrenzenregelung rechtfertigt es nicht, Altersrentner von vorneherein nicht in die Auswahl einzubeziehen, sondern vorab auszuscheiden und ihnen damit die Möglichkeit zu versagen, die Arbeitgeberin von ihrer Bewerbung zu überzeugen.
4. Handelt es sich um die Ausschreibung einer lediglich auf neun Monate befristeten Stelle und ist die Arbeitgeberin vor dem Hintergrund einer bisher durch den Europäischen Gerichtshof noch nicht entschiedenen Rechtsfrage der Ansicht, aufgrund der tariflichen Altersgrenzenregelung an der Einstellung von Altersrentnern gehindert zu sein, erscheint eine Entschädigung in Höhe eines Monatsentgelts als angemessen und auch geeignet, einen tatsächlichen und wirksamen rechtlichen Schutz und eine abschreckende Wirkung gegenüber der Arbeitgeberin zu gewährleisten.
Normenkette
AGG §§ 1, 7 Abs. 1; TVöD § 33 Abs. 1a; AGG § 3 Abs. 1 S. 1, § 7 Abs. 1 Hs. 1, § 10 Sätze 1-2, § 15 Abs. 1, § 10 S. 3, § 15 Abs. 2, § 22 Hs. 1; TVöD-VKA § 33 Abs. 1 Buchst. a); AGG § 10 S. 3 Nr. 5
Verfahrensgang
ArbG Osnabrück (Entscheidung vom 07.11.2017; Aktenzeichen 3 Ca 252/17 Ö) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 7. November 2017 - 3 Ca 252/17 Ö - teilweise unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.757,16 € nebst 5 %-Punkten Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 17. Juni 2017 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu 1/3, der Kläger zu 2/3 zu tragen.
Die Revision wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger macht mit seiner am 19. Juni 2017 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 22. Juni 2017 zugestellten Klage einen Entschädigungsanspruch gemäß § 15 AGG geltend.
Der am 0.0.1946 geborene Kläger, der ausweislich des Zeugnisses des Christlichen Jugenddorfwerks Deutschland e.V. vom 16. Januar 2004 (Bl. 42 dA) u.a. zeitweise in einem Jugenddorf neben seiner Tätigkeit als Küchenleiter auch in der Ausbildung Jugendlicher in den Berufen Städtische Hauswirtschaft und Hauswirtschaftlich-Technische Assistenten tätig war, bewarb sich mit Schreiben vom 12.04.2017auf ein Internet-Stellenangebot der beklagten Stadt als "Hauswirtschaftliche/r Anleiter/in".
Das von der Beklagte im Internet geschaltete Stellenangebot beinhaltete u. a. folgende Angebotspunkte:
Titel des Stellengebotes |
Hauswirtschaftliche/r Angeleiter/in (35 Wochenstunden) (Hauswirtschafter/in) |
Alternativberufe |
Koch/Köchin (Ökotrophologe/Ökotrophologin) |
Stellenangebotsart |
Arbeitsplatz als Fachkraft (sozialversicherungspflichtig) |
Arbeitgeber |
Zentrum für Jugendberufshilfe Branche: Berufliche Erwachsenenbildung, Betriebsgröße: zwischen 6 und 50 |
Stellenbeschreibung |
Hauswirtschaftliche Anleitung im Zentrum für Jugendberufshilfe der C. in TZ mit 35 Wo/Std., befristet vom 01.07.2017-31.03.2018, Eingruppierung nach TVöD |
Beginn der Tätigkeit |
Ab 01.07.2017 |
Konditionen des Stellenangebots
Arbeitszeit |
Vollzeit, Teilzeit - flexibel 35 Wochenstunden |
Vergütung und Zusatzleistungen |
nach Qualifikation Bei Besetzung des Stellenangebotes findet ein Tarifvertrag Anwendung. Tarifvertrag: TVöD |
Befristung |
Befristetes Arbeitsverhältnis bis 31.03.2018 |
Anforderungen an den Bewerber
Kontaktdaten
Rückfragen und Bewerbungen an Zentrum für Jugendberufshilfe
an Frau K.
....str. ..
..... C-Stadt
E-Mail |
....l@......... .de |
Gewünschte Bewerbungsarten |
Per E-Mail, schriftlich |
Wegen der Einzelheiten des Stellangebotes wird auf Bl. 4-6 dA Bezug genommen.
Das Bewerbungsschreiben übersandte der Kläger auf dem Postweg mit dem Hinweis auf seinen Status als Regel-Altersrentner. Der Kläger war zum Zeitpunkt der Bewerbung 71 Jahre alt. Bei der Einsatzstelle für das aus...