Leitsatz (amtlich)
1. Anspruch auf Vergütung nach Vergütungsgruppe 9 TKT haben Vertreter/ VertreterInnen von Geschäftsstellen mit 19.976 bis 22.999 Versicherten, sofern eine entsprechende Stelle eingerichtet ist und die Stellenver- Tretung dauerhaft übertragen wurde. Wiederholte Abwesenheitsvertretung erfüllen die Voraussetzungen nicht.
2. Nach dem 9.9.1998 haben „ständige Gelegenheitsvertreter” der Geschäftsstellenleiter/Innen aufgrund der an diesem Tage zwischen dem Vorstand und dem Hauptpersonalrat abgeschlossenen Dienstvereinbarung Anspruch auf Vergütung zwei Gruppen unter der Dienststellenleitung, wenn sie nach dem 9.9.1998 Abwesenheitsvertretung mit Wissen des Arbeitgebers tatsächlich wahrgenommen haben. Soweit in der Vereinbarung vom 9.9.1998 vorgesehen ist, dass der erfolgreiche Bewerber rückwirkend Vergütungsansprüche für Zeiten beanspruchen kann, in denen der erfolglose Bewerber die Vertretungstätigkeiten wahrgenommen hat, liegt darin ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot. Der erfolglose Bewerber kann für diesen Zeitraum die gleiche Vergütung nach dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verlangen.
Normenkette
GG Art. 3 Abs. 1; BPersVG § 67 Abs. 1; BetrVG § 75 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Wilhelmshaven (Urteil vom 19.07.2002; Aktenzeichen 1 Ca 1235/01) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Wilhelmshaven vom 19.07.02 – 1 Ca 1235/01 – teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger für die Zeit vom 09.09.1998 bis zum 30.09.1999 Vergütung nach Vergütungsgruppe 9 des Tarifvertrages der Techniker Krankenkasse zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, das am 31.07.2000 erteilte Zwischenzeugnis wie folgt zu ändern (auf S. 2 des Zwischenzeugnisses, zwischen dem 4. und 5. Absatz): „Herr S hat in der Zeit vom 01.07.1997 bis zum 08.09.1998 die Geschäftsstellenleiterin während Abwesenheiten vertreten. Vom 09.09.1998 bis zum 30.09.1999 hat er die Aufgaben eines ständigen Gelegenheitsvertreters der Geschäftsstellenleitung wahrgenommen.”
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um tarifgerechte Vergütung des Klägers, der seit dem 22.02.1975 bei der Beklagten angestellt ist. Kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme findet auf das Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag für die Techniker Krankenkasse (TKT) in der jeweils gültigen Fassung Anwendung.
Der Kläger war seit dem 14.12.1992 als Arbeitsbereichsleiter in der Geschäftsstelle W eingesetzt. Er erhielt Vergütung nach der Vergütungsgruppe 8. In der Zeit vom 01.07.1999 bis 25.01.1999 vertrat er die Geschäftsstellenleiterin bei Abwesenheit. In der Zeit vom 12.12.1997 bis 14.01.1998, 08.06.1998 bis 26.06.1998, 29.12.1998 bis 25.01.1999 nahm der Kläger für sie Urlaubsvertretungen vor, wofür er jeweils Zulagen nach § 10 Abs. 4, erster Unterabsatz des Tarifvertrages erhielt.
Die Stellvertretung des Geschäftsstellenleiters ist nach internen Organisationsvorschriften der Beklagten für jede Geschäftsstelle durch den Geschäftsstellenleiter in Abstimmung mit dem Gebietsleiter zu regeln, entweder durch befristete Zuweisung oder als Dauerregelung.
In der Geschäftsstelle W wurde keine Dauerregelung zur Stellvertretung getroffen. Dementsprechend berichtete die frühere Geschäftsstellenleiterin in ihrem Schreiben vom 06.11.1997 u. a. zur Personalfrage:
„Zum Zeitpunkt der Berichterstellung verfügt die Geschäftsstelle über 36 Mitarbeiter/Innen. Davon sind 4 als Führungskräfte (GstL 2 ABL und 1 AGL) und zwei als Teilzeitkräfte eingesetzt. Seit Juli 1997 arbeiten wir ohne freigestellten Stellvertreter. Die Qualifikation der ABL ist als sehr gut zu bezeichnen. Sie sind beide hochmotiviert und haben die neue Zielsetzung des Unternehmens problemlos übernommen und in den nachgeordneten Bereichen vermittelt und umgesetzt. Dabei muss der Einsatz von Herrn S besonders erwähnt werden, der trotz der bekannten Probleme in der jüngsten Vergangenheit motiviert und konstruktiv an der Veränderung innerhalb der Geschäftsstelle mitgearbeitet hat und seit 07/97 meine Abwesenheitsvertretung trotz 9 nachgeordneter Mitarbeiter/Innen leistet.”
In einem Gesprächsprotokoll vom 12.06.1997, an dem u. a. die ehemalige Geschäftsstellenleiterin teilgenommen hat, heißt es unter Punkt 8, Vertretungsregelung GstL:
„Während der Abwesenheit von Frau T nimmt Herr S die Vertretung in vollem Umfang wahr. Entlastung wird durch Herrn B und Herrn Sc sichergestellt.”
Der Kläger besuchte zusammen mit der Geschäftsstellenleiterin am 18./19.11.1997 auf Einladung der Personalabteilung ein Seminar für Geschäftsstellenleiter und deren Vertreter. Er erhielt eine Visitenkarte von der Beklagten, auf der er als Abteilungsleiter und Vertreter der Geschäftsstellenleiterin bezeichnet war und verfügte über einen entsprechenden Dienstausweis. Wegen seiner unterstützenden Leistungen in dieser Funktion regte die ...