Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit. Direktionsrecht. Rechtsmissbrauch. Eingruppierung
Leitsatz (amtlich)
Die nur vorübergehende Übertragung einer höherwertigen Tätigkeit nach § 24 BAT darf als tarifvertragliches Gestaltungsmittel nicht funktionswidrig verwendet werden. Sie bedarf eines sachlichen Grundes für die Übertragung selbst und für die Dauer der Übertragung. Bei der Übertragung von Daueraufgaben liegt ein solcher sachlicher Grund nicht vor.
Hält ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes generell während der gesamten Dauer der Ausbildung eines Regierungsassistentenanwärters eine Stelle im mittleren Dienst für diesen frei, so handelt es sich um die Erledigung von Daueraufgaben, wenn er die auf dieser Stelle anfallenden Tätigkeiten einem Angestellten vorübergehend überträgt.
Werden bei einer gestaffelten Kettenvertretung von dem Letztvertretenen Daueraufgaben wahrgenommen, so handelt es sich bei den Vertretungen in den unteren Ebenen ebenfalls um Daueraufgaben.
Normenkette
BGB §§ 242, 315 Abs. 1, 3; BAT §§ 22, 24
Verfahrensgang
ArbG Dortmund (Urteil vom 26.10.2000; Aktenzeichen 6 Ca 486/00) |
Nachgehend
Tenor
Unter Zurückweisung der Berufung des beklagten L. wird das Urteil des Arbeitsgerichts Dortmund vom 26.10.2000 – 6 Ca 486/00 – wie folgt neu gefasst:
Das beklagte L. ist verpflichtet, an die Klägerin ab 01.08.2000 eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe V b BAT/Bund/Länder zu zahlen.
Die Kosten der Berufung werden dem beklagten L. auferlegt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die zutreffende tarifliche Eingruppierung der Klägerin.
Die am 01.12.13. geborene Klägerin verfügt über eine Berufsausbildung als Arzthelferin.
Am 08.08.1979 trat sie in die Dienste des beklagten L. als Verwaltungsangestellte beim V2. in D3. ein. Grundlage des Arbeitsverhältnisses ist der Arbeitsvertrag vom 19.11.1979. in dem u.a. die Geltung des Bundes-Angestelltentarifvertrags und eine Vergütung nach der Vergütungsgruppe VIII BAT/BL vereinbart wurde.
Im Oktober 1981 erfolgte die Höhergruppierung in die Vergütungsgruppe VII BAT/BL. Seit dem 01.01.1991 wird die Klägerin vergütet nach der Vergütungsgruppe VI b Fallgruppe 2 BAT/BL.
Die Klägerin arbeitete zunächst in der Registratur und im Bürodienst. In der Zeit von Mai 1994 bis Mai 1996 nahm sie an einer Fortbildungsmaßnahme teil, die inhaltlich abgestellt war auf einen künftigen Einsatz in Tätigkeiten des mittleren Dienstes (s. Teilnahmebescheinigung vom 31.05.1996, Bl. 132 d.A.).
Anschließend wurde die Klägerin eingearbeitet in die Tätigkeit einer Sachbearbeiterin des mittleren Dienstes.
In der Zeit vom 01.08.1997 bis zum 31.07.2000 war die Klägerin als Sachbearbeiterin in der Abteilung 3 (Schwerbehindertenrecht) tätig. Wegen der Organisation des V3. D3. wird auf die Organigramme in Bl. 118 f d.A. verwiesen.
Die Beklagte zahlte in der Zeit vom 01.09.1997 bis zum 31.07.2000 an die Klägerin eine persönliche Zulage nach § 24 Abs. 3 BAT.
Die Klägerin hatte als Sachbearbeiterin folgende Tätigkeiten wahrzunehmen:
1. Bearbeitung von Anträgen nach §§ 3, 4 SchwbG auf Feststellung einer Behinderung, des Grades der Behinderung (GdB) und weiterer gesundheitlicher Merkmale (sowie Ausweisausstellung Erstanträge) |
55 % Anteil an der Gesamtarbeitszeit |
2. Bearbeitung von Änderungsanträgen (§ 48 SGB X) |
35 % Anteil an der Gesamtarbeitszeit |
3. Bearbeitung von sonstigen Ausweis- und Beiblattangelegenheiten |
10% Anteil an der Gesamtarbeitszeit |
Wegen der Einzeltätigkeiten und der Arbeitsabläufe wird auf die Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 03.04.2001 nebst deren Anlagen (Bl. 98 f d.A.) verwiesen.
Die Parteien sind übereinstimmend der Auffassung, dass die von der Klägerin im Zusammenhang mit der Sachbearbeitung auszuübenden Tätigkeiten den Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsgruppe V c Fallgruppe 1 a BAT/BL entsprechen.
Die Übertragung dieser Aufgaben erfolgte aufgrund folgender Verfügungen:.
Durch Verfügung vom 23.07.1997 (Bl. 4 d.A.) teilte das beklagte L. der Klägerin folgendes mit:
„Vorübergehende Übertragung einer höherwertigen
Tätigkeit gem. § 24 Abs. 1 BAT
Sehr geehrte Frau G2.,
hiermit übertrage ich Ihnen mit Wirkung ab 1.08.1997 unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs die den Merkmalen der Vergütungsgruppe V c – Fallgruppe 1 a – des Teils I der Anlage 1 a zum BAT entsprechende Tätigkeit einer Sachbearbeiterin des mittleren Dienstes in der Abteilung 3 – Schwerbehindertenrecht – vorübergehend gem. § 24 Abs. 1 BAT bis zur endgültigen Besetzung des Sachbearbeiterdienstpostens, längstens jedoch bis zum 31.03.1998.
Ihre Aufgaben ersehen Sie aus dem Ihnen vorliegenden Geschäftsverteilungsplan. Mit der Übertragung der Aufgaben ist, soweit nichts anderes vermerkt ist, das Zeichnungsrecht verbunden.
Über die Gewährung einer persönlichen Zulage gem. § 24 Abs. 1 BAT erhalten Sie zu gegebener Zeit weitere Nachricht.”
Die Übertragung wurde verlängert durch Verfügung vom 19.03....