Verfahrensgang
ArbG Nienburg (Urteil vom 27.08.1997; Aktenzeichen 2 Ca 1034/97) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Nienburg vom 27.08.1997 – 2 Ca 1034/97 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob dem Kläger für Zeiten der Arbeitsunfähigkeit im Monat Mai und Juni 1997 Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu 100 % oder nur zu 80 % zusteht.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Tarifbindung der Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer in der Beton- und Fertigteilindustrie und dem Betonsteinhandwerk Norddeutschland vom 14.09.1993 (RTV) Anwendung.
Der § 6 Abs. 6 RTV hat folgenden Wortlaut:
Arbeitsausfall in Folge Krankheit
„Es gelten die Bestimmungen des Gesetzes über die Fortzahlung des Arbeitsentgeltes im Krankheitsfall”
Der Kläger hat mit Schreiben vom 25. Juli 1997 für den Monat Mai 1997 einen Betrag von 430,40 DM und für den Monat Juni 1997 einen Betrag von 624,04 DM brutto geltend gemacht, den die Beklagte nicht ausbezahlt hatte, weil sie sich auf den Standpunkt stellte, nur zur 80 %igen Entgeltsfortzahlung im Krankheitsfall verpflichtet zu sein.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe aufgrund des § 6 Abs. 3 RTV Anspruch auf die 100 %ige Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Die durch das Gesetz zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung 1996 eingefügte Neuregelung der Entgeltsfortzahlung im Krankheitsfalle könne nicht zur Anwendung kommen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.154,44 DM brutto zuzüglich 4 % Zinsen auf den sich hieraus ergebenen Nettobetrag seit dem 28. Juli 1997 zu zahlen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits auferlegt und den Streitwert auf 1.154,44 DM festgesetzt.
Wegen der Urteilsbegründung im einzelnen wird auf die angefochtene Entscheidung verwiesen.
Der Kläger hat gegen das ihm am 11.09.1997 zugestellte Urteil am Montag, den 13.10.1997 Berufung eingelegt und diese am 13.11.1997 begründet.
Er ist der Auffassung, nach dem Tarifvertrag weiterhin Anspruch auf 100 %ige Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall zu haben. Die textliche oder inhaltliche Übernahme gesetzlicher Regelungen in Tarifvertragsnormen sei ein Hinweis auf den von den Tarifparteien gewollten konstitutiven Charakter einer Regelung. Die Regelung sei im übrigen als statische Regelung zu verstehen, die die Lohnfortzahlung wie im Zeitpunkt des Tarifabschlusses (14.09.1993) festschreibe. Dies auch deshalb, weil bei Abschluß des Tarifvertrages nicht erkennbar gewesen sei, daß sich die gesetzliche Regelung der Lohnfortzahlung in der Weise ändern würde, daß statt der bisherigen 100 %igen Lohnfortzahlung in Zukunft nur noch eine 80 %ige Zahlung der Vergütung erfolgen würde. Deshalb sei der mutmaßliche Wille der tarifvertragschließenden Parteien dahin gegangen, die 100 %ige Lohnfortzahlung festzuschreiben, denn eine „Jeweiligkeitsklausel”, mit der eine Dynamik hätte zum Ausdruck zum Ausdurck gebracht werden können, fehle.
Der Kläger und Berufungskläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Nienburg vom 27.08.1997 – 2 Ca 1034/97 – die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.154,44 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den sich ergebenden Nettobetrag seit Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe ihres Schriftsatzes vom 26.11.1997 (Bl. 44–48 d. A.), auf den Bezug genommen wird.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerechte und insgesamt zulässige Berufung ist unbegründet.
Das Arbeitsgericht hat den Rechtsstreit zutreffend entschieden. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Restliche Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall in Höhe von weiteren 20 % gestützt auf § 6 Abs. 3 RTV in Verbindung mit § 2 Lohnfortzahlungsgesetz (1969) zu.
Die erkennende Kammer schließt sich dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 26.09.1997 – 2 Sa 1225/97 – an und macht sich dessen Ausführungen zu eigen, die wie folgt lauten:
Das Bundesarbeitsgericht geht mit ständiger Rechtssprechung (vergleiche BAG, Urteil vom 14.02.1996, 2 AZR 166/95, in EZA Nr. 54 zu § 622 n. F. mit zahlreichen weiteren Nachweisen) davon aus, daß bei Tarifverträgen jeweils durch Auslegung zu ermitteln ist, inwieweit die Vertragsparteien eine selbständige, d. h. in ihrer normativen Wirkung von der außertariflichen Norm unabhängige eigenständige Regelung treffen wollen. Dieser Wille müsse im Tarifvertrag einen hinreichenden erkennbaren Ausdruck gefunden haben. Das sei regelmäßig anzunehmen, wenn die Tarifvertragsparteien eine im Gesetz nicht oder anders enthaltene Regelung treffen oder eine gesetzliche Regelung übernehmen, die sonst nicht für die betroffenen Arbeitsverhältnisse gelten würde. Für einen rein deklaratorischen Charakter der Übernahme spreche hingegen, wenn einschlägige gesetzliche Vorschriften wörtlich oder inhaltlich unverändert üb...