Rechtsmittel zugelassen

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung einer Betriebsvereinbarung über betriebliche Altersversorgung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Betriebsvereinbarungen über betriebliche Altersversorgung sind nach § 77 Abs. 5 BetrVG kündbar. Die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit begrenzen aber die Kündigungswirkungen. Soweit Versorgungsbesitzstände unangetastet bleiben, ist deren Rechtsgrundlage weiterhin die gekündigte Betriebsvereinbarung (wie BAG, B. v. 17.08.1999, 3 ABR 55/98).

2. Bei triftigen Gründen kann auch in die schon erdiente Dynamik eingegriffen werden. Jedoch ist in Anlehnung an § 16 BetrAVG alle drei Jahre zu prüfen, ob die Betriebsrenten wegen des Berechnungsfaktors Bruttoverdienste den Effektivdiensten angepasst werden können.

 

Normenkette

BetrVG §§ 77, 87; BetrAVG §§ 1, 16

 

Verfahrensgang

ArbG Nürnberg (Beschluss vom 30.03.1999; Aktenzeichen 3 BV 102/98 A)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 21.08.2001; Aktenzeichen 3 ABR 44/00)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 30.03.1999 – Gz. 3 BV 102/98 A – abgeändert.

2. Es wird festgestellt, dass Arbeitnehmer der Antragsgegnerin, die spätestens am 01.01.1995 bei ihr eingetreten sind, noch bei Vollendung des 35. Lebensjahres und einer Betriebszugehörigkeit von insgesamt 12 Jahren einen Anspruch auf betriebliche Altersversorgung erwerben.

3. Es wird festgestellt, dass die Antragsgegnerin verpflichtet ist, alle drei Jahre, erstmals beginnend am 01.01.2002, die für die Berechnung der Altersversorgung maßgeblichen Bruttoverdienste der Arbeitnehmer bis zur Obergrenze des zu diesem Zeitpunkt erzielten Bruttolohns zu dem Prozentsatz anzupassen, zu dem die Betriebsrenten der Betriebsrentner der Antragsgegnerin nach § 16 BetrAVG angepasst werden.

4. Im Übrigen wird die Beschwerde gegen die Abweisung des Hauptantrags zurückgewiesen.

5. Die Beschwerde gegen die Abweisung des 1. Hilfsantrags wird zurückgewiesen.

6. Der 2. Hilfsantrag wird abgewiesen.

7. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Der Antragsteller war bis 31.12.1996 der Betriebsrat der Antragsgegnerin. Seit 01.01.1997 ist er der Betriebsrat des Gemeinschaftsbetriebes der Unternehmen W. & … und W. & … Die Antragsgegnerin war früher Teil eines Konzerns. Am 20.06.1980 vereinbarten Geschäftsleitung und damaliger Gesamtbetriebsrat eine Betriebsvereinbarung über die Altersversorgung bei der Firma W. & … … Nach dieser Betriebsvereinbarung gelten die Versorgungsordnung vom 19.06.1980, die Richtlinien für die Gewährung von Leistungen des Unterstützungsvereins vom 19.06.1980 sowie eine Zusatzbetriebsvereinbarung. Auf die Regelungen wird Bezug genommen (Bl. 12 bis 40 d.A.). Mit Zusatzvereinbarung vom 14.11.1990 wurde der Kreis der Versorgungsberechtigten erweitert. Ferner wurde bestimmt:

„Jede Änderung der Versorgungsordnung bedarf der Zustimmung der Geschäftsführung und des Gesamtbetriebsrates der Firma.

Geschäftsführung und Gesamtbetriebsrat der Firma können die Richtlinien unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten auf das Ende eines jeden Geschäftsjahres der Firma kündigen.”

Mit weiterer Betriebsvereinbarung vom 14.11.1990 wurde eine Direktzusage mit Rechtsanspruch vorgenommen. Mit weiterer Betriebsvereinbarung vom 27.01.1995 wurde die Leistungsverpflichtung vom Unterstützungsverein direkt auf die damalige GmbH übertragen.

1996 wurde der D. Betrieb der GmbH von der Antragsgegnerin übernommen. Mit Schreiben vom 28.11.1996 kündigte die Antragsgegnerin eine Reihe von Betriebsvereinbarungen, darunter auch die Betriebsvereinbarung über die betriebliche Altersversorgung vom 20.06.1980 und vom 14.11.1990 sowie die Zusatzbetriebsvereinbarung vom 14.11.1990 zum nächstzulässigen Termin. Die Beteiligten streiten um die Rechtsfolgen dieser Kündigung.

Die Umsätze der Antragsgegnerin entwickelten sich wie folgt:

1994

ca.

195 Mio.

DM

1995

171 Mio.

DM

1996

106 Mio.

DM

Nach Darstellung des Antragstellers war 1996 ein Umsatzrückgang von mindestens 50 Mio. DM auf den Verkauf der Sparte „Industrielle Backtechnik” zurückzuführen sowie auf stetigen Personalabbau.

Die Jahresfehlbeträge betrugen 1994 5,6 Mio. DM, 1995 11,176 Mio. DM und 1996 noch rund 44 Mio. DM. 1996 wurden 55,2 Mio. vom Vorbesitzer K. eingebracht. Nach Darstellung des Antragstellers enthält der Jahresabschluss außerordentliche Aufwendungen von 24,9 Mio. DM.

Zur Sanierung des Unternehmens schlossen Arbeitgeber und Betriebsrat am 02.05.1997 eine Betriebsvereinbarung über zusätzliches Urlaubsgeld und betriebliche Sonderzahlungen, Langzeitkonten und Gewinnausschüttungen. Ferner wurde ein Maßnahmenplan vereinbart. Durch Zusatztarifvertrag vom 03.06.1997 wurde eine Absenkung entsprechend der Betriebsvereinbarungen vereinbart.

Der Betriebsrat hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die Kündigung der Betriebsvereinbarungen seien wegen fehlender Beteiligung des Betriebsrats unwirksam. Die den Arbeitnehmern eingeräumten Anwartschaften könnten nicht rückwirkend beseitigt wer...

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