Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung
Leitsatz (amtlich)
Der allgemeine Weiterbeschäftigungsanspruch hat gegenüber der Kündigungsschutzklage einen eigenen Streitwert. Er ist in die Zukunft gerichtet und überschreitet daher den Zeitraum von drei Monaten des § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG. Wenn er auf den Zeitraum bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Kündigungsschutzprozesses beschränkt ist, erscheint in der Regel ein Monatsverdienst als angemessen.
Normenkette
GKG § 12 Abs. 1, § 19 Abs. 1 S. 3; ZPO § 3; ArbGG § 11 Abs. 7
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Beschluss vom 07.07.1999; Aktenzeichen 5 Ca 385/99) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten der Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 07.07.1999 aufgehoben.
2. Die Sache wird zur anderweitigen Entscheidung an das Arbeitsgericht Nürnberg zurückverwiesen.
Gründe
Mit der Klage wehrt sich die Klägerin gegen eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom 29.12.1998 zum 30.06.1999. Mit Klageerweiterung vom 14.04.1999 beantragte sie, die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin bis zur Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung als Sachbearbeiterin in der Unfallversicherung in der Filialdirektion Nürnberg weiterzubeschäftigen. Der gesamte Rechtsstreit endete durch Vergleich vom 22.06.1999.
Das Arbeitsgericht setzte den Streitwert mit Beschluss vom 07.07.1999 auf DM 13.887,– fest. Mit der Beschwerde gegen diesen Beschluss machen die Beschwerdeführer geltend, der Gegenstandswert für Klage und Vergleich müsse auf DM 18.516,– festgesetzt werden. Der Weiterbeschäftigungsantrag müsse zusätzlich bewertet werden. Mit Beschluss vom 16.07.1999 hat das Arbeitsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen. Es hat die Auffassung vertreten, nach der Klagebegründung seien keine über die rein funktionelle Bedeutung des geltend gemachten Weiterbeschäftigungsanspruchs hinausreichende Interessen der Parteien erkennbar. Der soziale Schutzzweck des § 12 Abs. 7 ArbGG gebiete es, das Kostenrisiko des Arbeitnehmers nicht dadurch zu erhöhen, dass der Wert des Weiterbeschäftigungsanspruchs den Streitwert des gegen die Kündigung gerichteten Antrags hinzugerechnet werde.
Die Beschwerde ist begründet.
Die 6. Kammer des Landesarbeitsgericht vertritt die Auffassung, dass dem Beschäftigungsanspruch für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist ein eigener auch wirtschaftlicher Wert zukommt, der über die Grenze des § 12 Abs. 7 ArbGG hinausreicht. Die Ansprüche sind daher gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 GKG zusammenzurechnen. In der Regel ist es daher nicht möglich, den Beschäftigungsanspruch überhaupt nicht zu berücksichtigen. Die 1. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat zwar im Beschluss vom 20.02.1987 – 1 Ta 3/86 – nicht beanstandet, dass das Arbeitsgericht dem Weiterbeschäftigungsanspruch keinen eigenen Streitwert beigemessen hat. Es hat wirtschaftliche Identität angenommen. Die 2. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg hat im Beschluss vom 04.05.1999 – 2 Ta 81/99 – auf das Ermessen des Arbeitsgerichts abgestellt. Es sei nicht ermessensfehlerhaft, wenn das Arbeitsgericht die Auffassung vertrete, dass der Weiterbeschäftigungsanspruch nicht streitwerterhöhend zu berücksichtigen sei.
Die Frage, ob der Weiterbeschäftigungsanspruch streitwerterhöhend zu berücksichtigen ist, ist außerordentlich umstritten. Auf die umfangreiche bei KR-Friedrich, 5. Aufl., § 4 KSchG Rn. 281 b und Germelmann, ArbGG, 3. Aufl., § 12 Rn. 108 wiedergegebene Rechtsprechung wird verwiesen. Die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts Nürnberg folgt der Auffassung von Germelmann in Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 3. Aufl., § 12 Rn. 109. Danach ist die Frage, ob der Weiterbeschäftigungsanspruch neben dem Feststellungsantrag streitwertmäßig gesondert zu berücksichtigen ist, nach den gleichen Grundsätzen zu beurteilen wie bei der gleichzeitig erhobenen Leistungsklage. „Grundsätzlich handelt es sich bei dem geltend gemachten vorläufigen Weiterbeschäftigungsanspruch nur um die wirtschaftliche Seite des mit dem Feststellungsantrag verfolgten Klageziels. Ebenso wie der Entgeltzahlungsanspruch für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist nur dann zusätzlich streitwerterhöhend wirkt, wenn der Streitwert für den Feststellungsantrag überschritten wird, muss dies auch für den Weiterbeschäftigungsantrag gelten. Zu berücksichtigen ist dabei, dass der Weiterbeschäftigungsanspruch zeitlich nur dadurch begrenzt wird, dass die Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens erfolgen soll. Der Weiterbeschäftigungsanspruch geht damit von seiner Zielrichtung her über den den Dreimonatszeitraum des § 12 Abs. 7 Satz 1 ArbGG hinaus. Dies rechtfertigt es aber, den Weiterbeschäftigungsanspruch zusätzlich zu bewerten, zumal eine völlige Identität des Streitgegenstandes für den Feststellungsantrag nicht besteht… Da es sich bei dem Weiterbeschäftigungsanspruch… um ein vorläufiges Rechtsmittel handelt,… ist es gerechtfertigt, den Wert mit einem Monatsentgelt festzulegen”.
Die Argumentation von Germelma...