Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwerterhöhende Bewertung eines Antrags auf vorläufige Weiterbeschäftigung. Wirtschaftliche Identität von Kündigungsschutz- und Zahlungsklage

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung ist nur dann streitwerterhöhend zu berücksichtigen, wenn über ihn entschieden wurde, wenn der Antrag in einer Vergleichslösung mitgeregelt wurde oder wenn der Antrag ausdrücklich als Hauptantrag gestellt wurde.

2. Hängt der Erfolg einer Zahlungsklage aus Annahmeverzug unmittelbar vom Erfolg in der Kündigungsschutzklage ab, verfolgt der Kläger mit beiden Klagen dasselbe wirtschaftliche Ziel, nämlich die Erhaltung und Durchsetzung seiner Entgeltansprüche nach dem Beendigungstermin der angegriffenen Kündigung.

 

Normenkette

GKG §§ 42, 45, 63; RVG § 23 Abs. 1; GKG § 48 Abs. 1; ZPO § 3

 

Verfahrensgang

ArbG Würzburg (Entscheidung vom 30.07.2021; Aktenzeichen 12 Ca 1372/21)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Streitwertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts Würzburg vom 30.07.2021 (Az. 12 Ca 1372/21) abgeändert.

2. Der Gegenstandswert für den Streit über die Fortführung des Verfahrens wird ab 27.01.2021 auf 8.230,89 € festgesetzt.

3. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

 

Gründe

A.

Die Parteien stritten um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Aufhebungsvertrag zum 31.07.2019, um Weiterbeschäftigung und um die Vergütung für die Zeit des Annahmeverzuges. Das monatliche Einkommen des Klägers betrug 2.743,63 brutto.

Mit Beschluss vom 11.02.2020 stellte das Arbeitsgericht das Zustandekommen eines Vergleichs fest. Darin einigten sich die Parteien u.a. auf die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.08.2019, auf Abrechnung des Lohnes und Auszahlung des entsprechenden Nettolohnbetrags und auf eine Abgeltungsklausel. Den Gegenstandswert für das Verfahren und Vergleich setzte das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 10.03.2020 (Bl. 73 der Akten) fest.

Mit Schreiben vom 26.11.2020 (Az. 12 Ca 1690/20) beantragte der Kläger festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis weder zum 31.07.2019 durch den Aufhebungsvertrag noch durch den Gerichtsvergleich vom 11.02.2020 zum 31.08.2019 beendet wurde. Darüber hinaus beantragte der Kläger die Weiterbeschäftigung sowie den Bruttolohn unter Anrechnung der Einmalzahlung von 5.000,-- € sowie des Arbeitslosengeldes. Das Arbeitslosengeld betrug monatlich 1.225,80 €. In der Sitzung vom 27.01.2021 erklärte der Kläger, dass er in diesem Verfahren festgestellt haben möchte, dass das Verfahren 12 Ca 1291/19 nicht durch den Vergleich vom 11.02.2020 beendet wurde. Das Arbeitsgericht verband beide Verfahren mit Beschluss vom 27.01.2021.

Mit Endurteil vom 27.04.2021 stellte das Arbeitsgericht fest, dass der Rechtsstreit (Az. 12 Ca 1372/21) durch den Vergleich vom 11.02.2020 erledigt wurde (Bl. 128 der Akten).

Mit Beschluss vom 30.07.2021 setzte das Arbeitsgericht den Streitwert auf 12.804,76 € fest.

Mit Schreiben vom 03.12.2021 griff der Kläger im Rahmen einer von ihm erhobenen "Restitutionsklage mit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand" unter anderem den "Kostenfeststellungsbeschluss mit Beschluss vom 30.07.2021 in seiner Höhe von Euro 12.804,76 dem Grunde nach" an (Bl. 38 der Beschwerdeakte 2 Ta 126/21).

Mit Beschluss vom 10.12.2021 half das Arbeitsgericht dem als Streitwertbeschwerde ausgelegten Antrag nicht ab und legte das Verfahren dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur Entscheidung vor.

B.

I. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist statthaft, § 68 Abs. 1 GKG, denn sie richtet sich gegen einen Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühr gemäß § 63 Abs. 2 GKG festgesetzt worden ist. Dies gilt auch für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts (LAG Nürnberg 28.05.2020 - 2 Ta 76/20 juris; 24.02.2016 - 4 Ta 16/16 juris mwN). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,- €. Die Beschwerde ist innerhalb der in § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG bestimmten Frist eingelegt worden, § 68 Abs. 1 Satz 3 GKG.

II. Die Beschwerde ist zum Teil begründet. Der Gegenstandswert war für das Verfahren über die Anfechtung des Vergleichs insgesamt auf drei Monatsgehälter, also auf 8.230,89 € festzusetzen. Im Einzelnen gilt folgendes:

1. Der Wert eines Rechtsstreits über die Wirksamkeit eines Prozessvergleichs bestimmt sich grundsätzlich nicht nach dem Wert des Vergleichs, sondern nach dem Wert der ursprünglich gestellten Anträge (BGH 09.10.2019 - IV ZR 171/18 Rn 5 mwN). Etwas anderes gilt nur, wenn die Anfechtung des Vergleichs den Rechtsstreit nicht auf den ursprünglichen Streitstand zurückführt, sondern einen bereits erzielten Teilerfolg bestehen lässt. Dann kommt es auf das noch verbleibende Interesse an. Das (den Wert des ursprünglichen Rechtsstreits übersteigende) Interesse an der Wirksamkeit des Vergleichs oder der Wert des Vergleichs ist nur maßgeblich, wenn neben der Fortsetzung des ursprünglichen Rechtsstreits nach § 256 Abs. 2 ZPO auch die Feststellung der Wirksamkeit des Vergleichs beantragt wird (BGH 19.09.2012, Az. V ZB 56/12 Rn. 5).

Im vorliegenden Fa...

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