Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwertfestsetzung bei wirtschaftlicher Identität aus Bestandsstreit und Zahlungsklage
Leitsatz (amtlich)
Im Rahmen der Prüfung der wirtschaftlichen Identität eines Bestandsstreits mit einem auf Zahlung von Annahmeverzug gerichteten Antrag sind die zunächst isoliert zu ermittelnden Werte des Bestandsstreits (ggf. unter Berücksichtigung mehrerer Kündigungen mit unterschiedlichen Beendigungszeitpunkten, s. Ziff. I. 21.3 Streitwertkatalog) einerseits und des auf Zahlung des Annahmeverzugs gerichteten Leistungsantrags für den gesamten geltend gemachten Zeitraum andererseits zu vergleichen. Festzusetzen ist der höhere Wert (vgl. Ziff. I. 6 Streitwertkatalog).
Normenkette
RVG § 23; GKG §§ 42, 45, 48; ZPO § 3
Verfahrensgang
ArbG Nürnberg (Entscheidung vom 27.07.2020; Aktenzeichen 17 Ca 4867/19) |
Tenor
Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 27.07.2020, Az. 17 Ca 4867/19, wird zurückgewiesen
Gründe
A.
Die Parteien stritten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung vom 12.09.2019, die gleichzeitig hilfsweise ordentlich zum nächst zulässigen Termin erklärt wurde. Das monatliche Bruttoeinkommen des Klägers ist in der Klage mit 1.650,96 € angegeben. Darüber hinaus wurden Annahmeverzugslohnansprüche eingeklagt und zwar für April 2020 in Höhe von 1.645,60 € brutto abzüglich 583,20 € netto und für Mai und Juni 2020 in Höhe von jeweils 1.570,80 € brutto abzüglich 583,20 € netto. Wegen der genauen Antragstellung wird auf den Schriftsatz der Klagepartei vom 13.07.2020 (Blatt 160 der Akten) verwiesen.
Das Verfahren endete durch Abschluss eines gerichtlich protokollierten Vergleichs (Blatt 174 der Akten). Die Parteien vereinbarten die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch ordentliche betriebsbedingte Kündigung vom 12.2019 zum 31.03.2020 gegen Zahlung einer Abfindung von 2.000,- €.
Mit Beschluss vom 27.07.2020 setzte das Arbeitsgericht den Streitwert auf 4.952,88 € fest (= 1650,96 € × 3).
Hiergegen legten die Prozessvertreter des Klägers mit Schriftsatz vom 05.08.2020 Beschwerde ein mit der Begründung, der streitgegenständliche Annahmeverzugslohn sei zusätzlich in Ansatz zu bringen. Es handele sich beim Bestandsstreit und den Annahmeverzugsansprüchen um verschiedene Streitgegenstände, die zu addieren seien. Ein Additionsverbot wegen wirtschaftlicher Identität könne allenfalls den Zeitraum nach Ausspruch der außerordentlichen Kündigung erfassen.
Mit Beschluss vom 14.08.2020 half das Arbeitsgericht der Beschwerde nicht ab und legte das Verfahren dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur Entscheidung vor (Blatt 185 f der Akten).
Das Landesarbeitsgericht gab den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme bis 10.09.2020. Auf die Stellungnahmen der Beklagtenvertreter, die den Beschluss des Arbeitsgerichts verteidigt, und der Klägervertreter, die an ihrer Rechtsansicht festhält und weiter vertieft, wird Bezug genommen.
B.
I. Die Beschwerde ist zulässig.
Sie ist statthaft, § 68 Abs. 1 GKG, denn sie richtet sich gegen einen Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühr gemäß § 63 Abs. 2 GKG festgesetzt worden ist. Dies gilt auch für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts (LAG Nürnberg 28.05.2020 - 2 Ta 76/20 juris; 24.02.2016 - 4 Ta 16/16 juris mwN). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,- €. Die Beschwerde ist innerhalb der in § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG bestimmten Frist eingelegt worden, § 68 Abs. 1 Satz 3 GKG. Der Klägervertreter kann aus eigenem Recht Beschwerde einlegen, § 32 Abs. 2 RVG.
II. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat ihr mit zutreffender Begründung nicht abgeholfen. Im Einzelnen gilt folgendes:
1. Die seit 01.01.2020 für Streitwertbeschwerden allein zuständige Kammer 2 des Landesarbeitsgerichts Nürnberg folgt grundsätzlich den Vorschlägen der auf Ebene der Landesarbeitsgerichte eingerichteten Streitwertkommission. Diese sind im jeweils aktuellen Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit niedergelegt (derzeitige Fassung vom 09.02.2018, NZA 2018, 498). Der Streitwertkatalog entfaltet zwar keine Bindungswirkung. Er stellt aber aus Sicht des erkennenden Gerichts eine ausgewogene mit den gesetzlichen Vorgaben übereinstimmende Orientierung für die Arbeitsgerichte dar.
2. Das Arbeitsgericht hat den Bestandsstreit zutreffend mit 4.952,88 € bewertet. Nach Ziff. I Nr. 21.1 Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit ist eine außerordentliche Kündigung, die hilfsweise als ordentliche erklärt wird (einschließlich Umdeutung nach § 140 BGB), höchstens mit der Vergütung für ein Vierteljahr zu bewerten, unabhängig davon, ob sie in einem oder mehreren Schreiben erklärt werden. In diesem Falle handelt es sich nämlich wirtschaftlich um eine Einheit, auch der Streitgegenstand ist letztlich der gleiche, da die ausgesprochenen Kündigungen von dem Kündigenden ebenfalls als eine Einheit angesehen werden (GMP Germelmann/Künzl, ArbGG, 9. Aufl., § 12 ArbGG, Rn 109). Deshalb ist auch der Streitwert n...