Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksamkeit der Kürzung des Urlaubsanspruchs in der Elternzeit. Ausdrücklicher empfangsbedürftiger Kürzungswille des Arbeitgebers. Auslegung einer Kündigungserklärung anhand der §§ 133, 157 BGB
Leitsatz (redaktionell)
Die Kürzung des Urlaubsanspruchs in der Elternzeit durch den Arbeitgeber kann stillschweigend oder durch ausdrückliche Erklärung erfolgen. Ein Gespräch auf der Weihnachtsfeier reicht dafür nicht.
Normenkette
BEEG § 17 Abs. 1 S. 1; BGB §§ 133, 157; BUrlG § 7 Abs. 4; ZPO § 97 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Entscheidung vom 12.08.2020; Aktenzeichen 7 Ca 617/20) |
Tenor
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 12. August 2020, Az.: 7 Ca 617/20, wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung von Urlaubsabgeltung für während der Elternzeit entstandene Urlaubsansprüche.
Die 2012 geborene Klägerin war bei der Beklagten seit dem 9. Januar 2012 als Kunststoffverarbeiterin beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis lag ein Arbeitsvertrag vom 29. November 2011 (Bl. 4 ff. d. A.) zugrunde.
Mit Schreiben vom 27. Juni 2017 (Bl. 24 d. A.) beantragte die Klägerin nach der Geburt ihres Kindes am 24. Juni 2017 Elternzeit vom 20. August 2017 bis 25. Juni 2020.
Die Klägerin kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 21. September 2019 (Bl. 7 d. A.), das am 27. September 2019 bei der Beklagten einging. In diesem heißt es auszugsweise:
"hiermit kündige ich das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich und fristgerecht zum 01.12.2019.
Zeitgleich beantrage ich hiermit die angefallenen Urlaubstage, ab dem 01.01.2017 bis einschließlich 19.08.2017, die aus der Zeit meines Beschäftigungsverbotes bis Ende des Mutterschutzes entstanden sind. (...)
Bitte bestätigen Sie mir den Erhalt meiner Kündigung sowie das Datum, wann der Arbeitsvertrag endet, schriftlich."
Den ihr ab dem 1. Januar 2017 zustehenden Urlaub konnte die Klägerin aufgrund eines Beschäftigungsverbotes und anschließenden Mutterschutzes sowie Elternzeit nicht mehr nehmen.
Mit Schreiben vom 29. November 2019 (Bl. 90 d. A.), das von der Post am 5. Dezember 2019 gestempelt wurde, bestätigte die Beklagte den Erhalt der Kündigung und teilte mit, dass der Arbeitsvertrag nach gesetzlicher Frist (3 Monate) zum 31. Dezember 2019 ende. Im letzten Satz dieses Schreibens heißt es:
"Desweiteren machen wir von unserer Befugnis § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEGG gebrauch, den Erholungsurlaub, der Ihnen für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat Ihrer Elternzeit um 1/12 zu kürzen."
Mit anwaltlichem Schreiben vom 12. Dezember 2019 (Bl. 8 d. A.) machte die Klägerin Urlaubsansprüche in Höhe von 5.644,80 € brutto (72 Urlaubstage für drei Jahre x 7 Stunden x 11,20 € brutto) geltend. 105 Urlaubsstunden wurden von der Beklagten mit der Abrechnung Dezember 2019 (Bl. 77 d. A.) abgerechnet und an die Klägerin ausgezahlt. Die Abrechnung weist das Austrittsdatum "31.12.19" aus.
Das der Klägerin von der Beklagten erteilte Arbeitszeugnis (Bl. 74 f. d. A.) nennt als Enddatum den 31. Dezember 2019. Die Klägerin wurde ausweislich der Meldebescheinigung für den Arbeitnehmer nach § 25 DEÜV (Bl. 76 d. A.) von der Beklagten zum 31. Dezember 2019 bei der Sozialversicherung abgemeldet.
Die Klägerin hat vorgetragen,
zwischen der Geschäftsführerin der Beklagten und ihr habe nie ein Gespräch stattgefunden, in dem das Thema Urlaub während der Elternzeit thematisiert worden und in dem besprochen worden sei, dass der Urlaub während der Elternzeit um 1/12 für jeden Monat zu kürzen sei. Dafür, dass eine Kürzungsvereinbarung nicht getroffen worden sei, spreche insbesondere das Schreiben der Beklagten vom 29. November 2019.
Ihre Kündigung sei als Kündigung zum 30. November 2019 auszulegen.
Die Klägerin hat erstinstanzlich zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 4.468,80 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz nach §§ 247, 288 BGB seit dem 6. Januar 2020 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen,
wenige Tage nach Ausspruch des Beschäftigungsverbotes durch den die Klägerin behandelnden Arzt habe ein persönliches Gespräch zwischen der Klägerin und ihrer Geschäftsführerin stattgefunden. In diesem Gespräch, in dem die Klägerin ihre Vorstellungen zur Dauer der Elternzeit mitgeteilt habe, sei auch der Urlaub thematisiert worden. Ihre Geschäftsführerin habe der Klägerin bereits zu diesem Zeitpunkt erklärt, dass der Urlaub während der Elternzeit um 1/12 für jeden Monat gekürzt sei und es sei vereinbart worden, dass die 15 Tage, die der Klägerin noch für die Dauer des Beschäftigungsverbotes und des Mutterschutzes zustünden, zu ihren Gunsten bestehen bleiben sollten, bis sie nach der Elternzeit ihre Tätigkeit wiederaufnehme.
Sie war der Ansicht, unabhängig davon habe die Klägerin das Schreiben mit der Kürzungserklärung vom 29. November 2019 vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten. Das Kündigungs...