Entscheidungsstichwort (Thema)

Begriff des amtsärztlichen Gutachtens i.S. von § 33 Abs. 4 TVöD

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses gem. § 33 Abs. 4 TVöD setzt das Vorliegen eines amtsärztlichen Gutachtens und nicht nur einer irgendwie gearteten Stellungnahme des Amtsarzts voraus.

 

Normenkette

TVöD § 33 Abs. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 19.08.2015; Aktenzeichen 6 Ca 2438/14)

 

Tenor

  1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 19.8.2015 - 6 Ca 2438/14 - aufgehoben.
  2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien über den 30.6.2014 zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.
  3. Die Beklagte hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.
  4. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund des Eintritts einer auflösenden Bedingung nach § 33 Abs. 4 TVöD sein Ende gefunden hat, oder aber nicht.

Der Kläger ist seit dem 01.09.1974 als Angestellter bei der Beklagten zu einem Nettomonatsgehalt von zuletzt 1.685,00 EUR beschäftigt. Er war bei der Beklagten zuletzt für das Abheften von Bescheiden in Akten eingesetzt. Bei dem Kläger besteht von Geburt an eine ausgeprägte Behinderung, er ist schwerbehindert im Sinne des SGB IX.

Nach einer amtsärztlichen Untersuchung im Jahr 2007, bei welcher festgestellt wurde, dass der Kläger zu leichten körperlichen Arbeiten ohne Zeitdruck und ohne Anforderung an die Feinmotorik arbeitsfähig sei, verschlechterte sich der Gesundheitszustand des Klägers. Im Januar 2011 regt die Beklagte daher erstmals an, dass der Kläger einen Rentenantrag stellen solle. Dies lehnte der Kläger aus finanziellen Gründen ab. Seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit, das Abheften von Bescheiden, konnte er seit März 2012 nicht mehr verrichten und hat seitdem keine Arbeitsleistung mehr erbracht. Seit Vollendung des Entgeltfortzahlungszeitraums von 6 Wochen hat die Beklagte keinen Lohn bzw. Lohnersatzleistungen mehr an den Kläger gezahlt.

Nach Personalgesprächen unter Beteiligung der zuständigen Integrationsstellen im Jahr 2012 wurde dem Kläger eine Reha empfohlen. Der zuständige Amtsarzt stellte mit Schreiben vom 08.12.2012 fest:

"Demnach halten wir Herrn B. für bis auf Weiteres arbeitsunfähig. Aufgrund der Tetraspastik ist Herr B. hochgradig sturzgefährdet, so dass bereits der Weg zur und von der Arbeit ein erhebliches Unfallrisiko darstellt.

Im Rahmen der depressiven Episode, ausgelöst durch eine schlechte Beurteilung, hat die psychomentale Leistungsfähigkeit erheblich nachgelassen. Aufgrund der bisher genannten Beeinträchtigungen, gepaart durch die chronifizierte Zwangsstörung mit krankhafter Papiersammelleidenschaft, ist die Leistungsfähigkeit derart eingeschränkt, dass eine nennenswerte Arbeitsleistung in seiner ehemaligen Verwendung derzeit nicht möglich ist.

Hinzu kommt die Sturzgefährdung und Unfallträchtigkeit bei den Archivarbeiten und beim Überwinden einer kleinen Zwischentreppe. Die Arbeitsfähigkeit ist bis zur Durchführung der stationären Reha-Maßnahme zu verneinen. Nach Abschluss der Maßnahme ist die Leistungs- und/oder Verwendungsfähigkeit neu zu prüfen."

Hinsichtlich des weiteren Inhalts des Schreibens des Medizinaldirektors Dr. D. an die Beklagte wird auf Bl. 19 d. A. Bezug genommen.

Im Jahr 2013 tauschten die Parteien Schreiben zum aktuellen Sachstand-Gesundheitszustand des Klägers aus. Der Kläger erteilte schriftlich die Auskunft, im Herbst 2013 eine Reha-Maßnahme antreten zu wollen, tat dies jedoch letztlich nicht.

Mit Schreiben vom 15.01.2014 forderte die Beklagte den Kläger daher auf, sich amtsärztlich auf seine Erwerbsfähigkeit untersuchen zu lassen. Diese Untersuchung fand schließlich am 01.04.2014 statt. Allerdings hatte der Kläger zuvor durch ein handschriftliches Schriftstück dem Amtsarzt mitgeteilt, dass er ab sofort die Schweigepflichtentbindung vom 01.04. und auch alle sofortigen Erklärungen widerruft.

Demzufolge hat der Medizinaldirektor Dr. D. folgendes Schreiben an die Beklagte unter dem 14.05.2014 gerichtet, hinsichtlich dessen weiteren Inhalts auf Bl. 5, 6 d. A. Bezug genommen wird:

"Nach nochmaliger schriftlicher Einladung hat Herr B. den Untersuchungstermin am 01.04.2014 wahrgenommen.

Um mit dem Rentenversicherer in Kontakt zu treten, ließen wir Herrn B. eine Schweigepflichtentbindungserklärung unterschreiben. Uns erreichte dann am 10.04.2014 ein handschriftliches Schriftstück, in dem Herr B. ab sofort die Schweigepflichtentbindung vom 01.04. und auch alle vorherigen Erklärungen widerruft.

Daher können über die amtsärztliche Untersuchung vom 01.04.2014 keine weiteren Angaben gemacht werden.

Das Verhalten des Herrn B. gegenüber seinem Arbeitgeber, dem "Amt für XY" und dem Gesundheitsamt, bzw. dem Amtsarzt, lässt darauf schließen, dass Herr B. weder an einer stationären Reha-Maßnahme zur Klärung seines Leistungsvermögens, noch der Stellung eines Rentenantrages interessiert ist. Daraus kann ges...

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