Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterlassungsbeschluss, Globalverurteilung, vertrauensvoll, Zusammenarbeit, Zwangsvollstreckung, Beschlussverfahren, Ordnungsgeld, Ordnungsgeldandrohung, Erkenntnisverfahren, Vorsitzender, Alleinentscheid, Rechtsnachfolger, Betriebsübergang, Titelumschreibung, Androhung, Zustellung, Empfangsbekenntnis, Unterschrift, Rechtsanwalt, Verbandsvertreter, Arbeitgeberverband, Titelschuldnerbezeichnung, Identitätsprüfung, vollstreckungsfähig, Ermittlungspflicht, Kollektivbezug, Überstundenanordnung, Betriebsrat, Bestimmtheit, Eilantrag, Verzögerung, Eilfall
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Entscheidung über den Antrag auf Verurteilung zu Ordnungsgeld nach § 23 Abs. 3 Satz 2 BetrVG ist der Vorsitzende und nicht die Kammer des Arbeitsgerichts zuständig, denn es handelt sich nicht um das Erkenntnisverfahren, sondern um eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO, über die durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung entschieden wird.
2. Das Ordnungsgeld darf nur verhängt werden, wenn die Voraussetzungen für die Zwangsvollstreckung – Titel, Klausel, Zustellung – vorliegen und seine Verhängung wirksam angedroht worden ist.
3. Auch ein Ordnungsgeldandrohungsbeschluss muss ordnungsgemäß zugestellt werden. Dabei ist die Amtszustellung eines Beschlusses gegen Empfangsbekenntnis nur dann rechtswirksam, wenn das Empfangsbekenntnis eigenhändig unterzeichnet ist.
4. Die Zustellung gegen Empfangsbekenntnis darf nicht nur gegenüber Rechtsanwälten, sondern auch gegenüber einem Syndikus eines Arbeitgeberverbandes vorgenommen werden (im Anschluss an BAG, v. 10.11.1993 – 4 AZR 375/92 –).
5. Das Ordnungsgeld darf grundsätzlich nicht verhängt werden, wenn der in Anspruch genommene Arbeitgeber in dem dem Ordnungsgeldverfahren zugrundeliegenden Beschluss nicht als Schuldner aufgeführt ist. Änderungen des Namens schaden nur dann nicht, wenn die Feststellung der Identität des Schuldners mit dem im Titel bezeichneten Namensträger durch das Vollstreckungsgericht sicher gewährleistet bleibt. Die Identitätsprüfung muss im Zwangsvollstreckungsverfahren ohne große Schwierigkeit möglich sein, wobei Ermittlungspflichten zu Gunsten des Gläubigers dem Vollstreckungsgericht nicht obliegen.
6. Die Verurteilung zu Ordnungsgeld darf nur erfolgen, wenn der der Zwangsvollstreckung zugrundeliegende Titel vollstreckungsfähig ist. Hat das Arbeitsgericht in seiner Grundentscheidung der Arbeitgeberin aufgegeben, es zu unterlassen, eine Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit mit Kollektivbezug für einen oder mehrere Arbeitnehmer ihres Betriebes anzuordnen oder zu dulden, ohne dass die vorherige Zustimmung des Betriebsrats dazu vorliegt, ist der Titel nicht vollstreckungsfähig, denn es fehlt an der Regelung eines konkreten betrieblichen Sachverhaltes. Die vermeintliche Eingrenzung mit der im Tenor ausgesprochenen Fassung „mit Kollektivbezug” verstärkt die Unbestimmtheit des gerichtlichen Verbots, denn es kann nicht erst im Wege der Zwangsvollstreckung festgestellt werden, ob ein kollektiver Bezug vorliegt.
7. Werden aufgrund einer Notlage – hier: Schwelbrände in einem chemischen Betrieb – Überstunden kurzfristig erforderlich, besteht eine Pflicht des Betriebsrats, über den Eilantrag des Arbeitgebers schnellstmöglichst zu entscheiden, denn der Betriebsrat darf wegen des Gebots zur vertrauensvollen Zusammenarbeit nicht den Betrieb blockieren, sondern hat das einwandfreie Funktionieren der Betriebsabläufe zu fördern. Der Betriebsrat handelt arglistig, der einerseits die Entscheidung über den eilbedürftigen Antrag des Arbeitgebers auf Überstundengenehmigung nicht bescheidet und andererseits den Arbeitgeber wegen der dann ohne Entscheidung des Betriebsrats durchgeführten Überstunden mit Ordnungsgeld bestrafen lassen will.
Normenkette
BetrVG §§ 2, 23 Abs. 3 S. 2, § 26 Abs. 3; ArbGG §§ 11, 50 Abs. 2, § 80 Abs. 2, § 85; ZPO § 187 S. 2, §§ 212a, 727, 750 Abs. 1 S. 1, § 888; BGB §§ 242, 138
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Entscheidung vom 11.07.2000; Aktenzeichen 2 BV 44/92) |
Tenor
Die Beschwerde des Betriebsrats gegen den Ordnungsgeldbeschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 11. Juli 2000 – 2 BV 41/92 – wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Das Arbeitsgericht Lübeck hat mit Beschluss vom 17. Dezember 1992, der rechtskräftig wurde, der Schuldnerin auf der Grundlage von § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG aufgegeben, es zu unterlassen, eine Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit mit Kollektivbezug für einen oder mehrere Arbeitnehmer ihres Betriebes anzuordnen oder zu dulden, ohne dass die vorherige Zustimmung des Gläubigers dazu vorliegt oder der Beschluss einer Einigungsstelle die verweigerte Zustimmung des Gläubigers ersetzt hat oder es sich um eine betrieblich oder technisch notwendige Sofortmaßnahme i. S. d. § 3 Abs. 4 des Manteltarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer und Angestellten der in der Chemischen Industrie in den jeweils gültigen Fassung handelt. Mit Beschluss vom 2. Dezember 1994 hat das Arbeitsgericht der Schuldnerin für jeden Verstoß ...