Entscheidungsstichwort (Thema)

Überstunden. Überstundenabgeltung. Fälligkeit. Ausschlussfrist. Anerkenntnis. Rechtsmissbrauch

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Überstundenabgeltungsansprüche werden mit einer Freistellungsanordnung, die in einem Kündigungsschreiben enthalten ist, fällig.

2. Der Begriff der Fälligkeit im Sinn einer tariflichen Ausschlussfrist kann nicht für alle Ansprüche im gleichen Sinn ausgelegt werden.

3. Ein Anspruch verfällt nicht, wenn der Anspruchsgegner ihn vor Ablauf der Verfallfrist anerkennt.

 

Normenkette

BGB §§ 611, 614; Manteltarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe des Landes Schleswig-Holstein v. 15.04.2004 § 14

 

Verfahrensgang

ArbG Kiel (Urteil vom 01.04.2010; Aktenzeichen 1 Ca 1945 b/09)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 01.04.2010 – 1 Ca 1945 b/09 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Revision nicht gegeben; im Übrigen wird auf § 72 a ArbGG verwiesen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt im Berufungsverfahren noch Vergütung für 351 Überstunden, die im Zeitraum August 2008 bis einschließlich Mai 2009 aufgelaufen sein sollen. Streit besteht in diesem Zusammenhang vorrangig über das Eingreifen einer Ausschlussfrist.

Der Kläger war vom 15.04.2008 bis 30.06.2009 bei der Beklagten, die damals anders firmierte, als Barchef beschäftigt. Arbeitsvertraglich war eine Vergütung von 1.600,– EUR brutto monatlich zuzüglich hier nicht streitige steuerfreie Zulagen bei einer betriebsüblichen Arbeitszeit von 40 Stunden ohne Pause vereinbart. Überstunden sollten mit dem gezahlten Gehalt abgegolten sein (Anlage K 1, Bl. 7 d. A.). Gelebt wurde diese Regelung des Arbeitsvertrages in Bezug auf die Überstunden jedoch nicht.

Als Restaurantbetrieb unterfällt der Arbeitsvertrag der Parteien dem allgemeinverbindlichen Manteltarifvertrag für das Hotel- und Gaststättengewerbe des Landes Schleswig-Holstein vom 15.04.2004 (im Folgenden: MTV). Ein entsprechender Hinweis befindet sich im Arbeitsvertrag nicht. Ob und ab wann der Tarifvertrag im Betrieb ausgelegen hat, ist streitig. Dieser Manteltarifvertrag enthält in § 14 eine Ausschlussfrist mit folgendem Wortlaut:

㤠14 Ausschlussfristen

1. Forderungen aus angeblicher falscher Tarifeinstufung, unzutreffender Entlohnung und auf Bezahlung von Überstunden und Zuschlägen erlöschen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit geltend gemacht werden. Alle übrigen Ansprüche erlöschen drei Monate nach dem Ausscheiden aus dem Betrieb.

Die Geltendmachung muss während o. g. Fristen gerichtlich erfolgen.

…”

Bei der Beklagten wird ein Zeiterfassungssystem benutzt. Die Anwesenheitszeiten des Klägers im streitigen Zeitraum sind darin unstreitig dokumentiert.

Der Kläger hat während der Dauer seines Beschäftigungsverhältnisses eine Vielzahl von Überstunden bei der Beklagten geleistet. Abweichend von der arbeitsvertraglichen Klausel – Abgeltung durch die Monatsvergütung – kam es in der Vergangenheit, jedenfalls für den Zeitraum bis August 2008, zum Ausgleich von Überstunden teils durch Vergütung, teils durch Abbummeln. Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme ist unstreitig geworden, dass es im Juli/August 2008 – zeitgleich mit kurzfristigem Ausscheiden des damaligen Geschäftsführers – Schwierigkeiten mit dem Personal wegen zu langer Arbeitszeiten gab. Dieses wollte die Überstunden geregelt haben. Es kam zu Gesprächen, u. a. mit dem Kläger. Im Ergebnis dieser Gespräche sind mit der Augustabrechnung 2008 als Überstundenvergütung 1.200,– EUR an den Kläger gezahlt worden. Bei einem unstreitig gewordenen Stundensatz von 9,32 Stunden entspricht das 130 Überstunden. Das war circa die Hälfte der bis Ende Juli 2008 aufgelaufenen Überstunden. Die zweite Hälfte sollte nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und dem insoweit rechtskräftig gewordenen erstinstanzlichen Urteil in der Folgezeit durch Freizeitausgleich in der Winterzeit abgegolten werden. Diese Überstunden sind vorliegend nicht mehr Streitgegenstand des Berufungsverfahrens.

Zum Abbummeln der Überstunden kam es dann jedoch nicht. Im August 2008 wurde die damalige Restaurantleiterin krank. Der Kläger, der unstreitig ganz überwiegend in der späten Schicht eingesetzt war, musste Kassenschluss machen, den Sicherheitsdienst anrufen und abschließen. Er erhielt hierzu den Schlüssel (Bl. 83/90 d. A.). Daraus folgende Details sind streitig.

Die vom Zeiterfassungssystem erfassten Anwesenheitszeiten für den hier noch streitigen Zeitraum 01.08.2008 bis 30.06.2009 ergeben folgende Anwesenheitszeiten:

Monat

geleistete Std. brutto

August 2008

248,16

September 2008

199,52

Oktober 2008

207,31

November 2008

193,44

Dezember 2008

134,98

Januar 2009

172,31

Februar 2009

184,13

März 2009

112,97

April 2009

118,43

Mai 2009

208,77

gesamt

Von diesen Anwesenheitszeiten sind Pausenzeiten nicht in Abzug gebracht worden. Obwohl im Zeiterfassungssystem vorgesehen, hat der Kläger Pausenzeiten nicht gestempelt. Hinsichtlich der Einz...

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