Entscheidungsstichwort (Thema)
Direktionsrecht. billiges Ermessen. Mitarbeiterkonflikt. Umsetzung. Diskriminierung. Verletzung des Persönlichkeitsrechts
Leitsatz (amtlich)
1. Es ist grundsätzlich Sache des Arbeitgebers, zu entscheiden, wie er auf Konfliktlagen unter Arbeitnehmern reagieren will, ohne dass es auf die Ursachen des Konflikts und die Schuldfrage ankommt. Es obliegt seiner freien unternehmerischen Entscheidung, die aus seiner Sicht zur Konfliktlösung und Wiederherstellung eines guten Betriebsklimas unter Berücksichtigung der betrieblichen Erfordernisse und der Interessen aller Arbeitnehmer geeigneten Maßnahmen zu ergreifen.
2. Bei der zu treffenden personellen Maßnahme hat der Arbeitgeber gemäß § 315 Abs. 3 BGB nicht nur die Interessen der unmittelbar am Konflikt beteiligten Arbeitnehmer, sondern auch die Interessen der übrigen Arbeitnehmer, die von der Maßnahme betroffen sind, als auch seine Prognoseentscheidung über die Erfolgsaussichten der zu treffenden Maßnahme im Hinblick auf die Konfliktlösung zu berücksichtigen.
3. Im Rahmen des Direktionsrechts kann der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auch neue Aufgaben zuweisen, sofern sie dem Berufsbild und den Merkmalen der Vergütungsgruppe entsprechen. Dies gilt erst recht, wenn die Umsetzung auf eine neue Stelle angeordnet wird, um auf immer wieder auftretende Auseinandersetzungen zwischen Arbeitnehmern zu reagieren.
4. Eine vertraglich zulässige Umsetzung erweist sich dann als Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, wenn sich die Zuweisung einer bestimmten Beschäftigung nicht bloß als Reflex einer rechtlichen erlaubten Vorgehensweise darstellt, sondern diese Maßnahme zielgerichtet als Mittel der Zermürbung und Diskriminierung des Arbeitnehmers eingesetzt wird, um diesen etwa selbst zur Aufgabe seines Arbeitsplatzes zu bewegen.
Normenkette
BGB § 611; BAT § 8; BGB § 315 Abs. 3
Beteiligte
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Urteil vom 17.05.2001; Aktenzeichen 2 Ca 871 b/01) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 17.05.2001 – 2 Ca 871 b/01 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:
- Die Klage wird abgewiesen.
- Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte im Rahmen des Direktionsrechts berechtigt war, ihm einen anderen Tätigkeitsbereich zuzuweisen.
Der 51-jährige Kläger ist in dem Kindertagesheim (im Folgendem: KTH) der Beklagten seit dem 01.10.1989 als Erzieher zu einem Monatsgehalt von ca. 1.950,– EUR brutto beschäftigt. Arbeitsvertraglich ist er verpflichtet, jede ihm übertragene Arbeit auch an einem anderen Dienstort oder bei einer anderen Dienststelle zu leisten, die ihm nach seiner Befähigung, Ausbildung und körperlichen Eignung zugemutet werden kann, § 7 des Arbeitsvertrages (Bl. 16–18 d.GA.). In dem KTH werden durchschnittlich 200 Kinder unterschiedlichen Alters in 9 Gruppen betreut. Die Gruppen werden jeweils von einem Erzieher bzw. einer Erzieherin geleitet und daneben i.d.R. von einem Kinderpfleger bzw. einer Kinderpflegerin betreut.
Seit 1990 ist der Kläger Gruppenleiter der Tigerenten-Gruppe (Elementargruppe für 3- bis 6-jährige). Von 1990 bis 1995 arbeitete er mit der Kinderpflegerin St. in dieser Gruppe. Ende 1995 verließ Frau St. die Gruppe, nachdem sie eine weitere Zusammenarbeit mit dem Kläger ablehnte. Zuvor hatte ein Gespräch zwischen ihr, dem Personalrat, der KTH-Leitung und dem Kläger am 04.12.1995 stattgefunden; wegen des Inhalts wird auf das Gesprächsprotokoll verwiesen, Bl. 68 d.GA. Kurzfristig waren als Zweitkräfte Frau Sch. und Frau D. der Tigerenten-Gruppe zugeteilt. Seit Februar 1996 ist die Erzieherin L. vormittags als Zweitkraft in der Gruppe des Klägers tätig, nachmittags leitet Frau L. eine eigene Gruppe. Zwischen dem Kläger und Frau L. bestehen Spannungen, die sich Ende 1999 verschärften. Mit Schreiben vom 20.12.1999 wandte sich der Kläger an den KTH-Leiter und beschuldigte Frau L., 4 Kerzenhalter entwendet zu haben. Daraufhin fand am 06.01.2000 ein Personalgespräch statt, an dem zwei Mitarbeiter der Verwaltung, die Leitung des KTH, der Kläger und Frau L. teilnahmen. Der KTH-Leiter appellierte an den Kläger und Frau L., dienstliche und private Dinge auseinander zu halten, dienstliche Differenzen nicht in Gegenwart der Kinder auszutragen, zur Verbesserung des Betriebsklimas regelmäßige Dienstgespräche zu führen, in den Wochenplänen die Arbeitsverteilung festzulegen, ein Konzept für die Gruppenarbeit zu erstellen und stellte darüber hinaus fest, dass die Verantwortung für die Gruppenarbeit bei dem Gruppenleiter liege (Bl. 34 f. d.GA.). Im Laufe des Jahres 2000 fanden aufgrund anhaltender Auseinandersetzungen weitere Personalgespräche statt. Zwischen den Parteien ist streitig, wer für die Differenzen ursächlich ist.
Mit Schreiben vom 19.02.2001 beantragte die Beklagte die Zustimmung des Personalrats zur Umsetzung des Klägers (Bl. 41 f. d.GA.). Nachdem der Personalrat zugestimmt...