Entscheidungsstichwort (Thema)
Verweigerung amtsärztlicher Untersuchung. Auflösungsantrag des Arbeitgebers. Entbindung von der Schweigepflicht
Leitsatz (redaktionell)
Die Weigerung des Arbeitnehmers, an einer zulässigerweise angeordneten amtsärztlichen Untersuchung mitzuwirken stellt die Verletzung einer arbeitsvertraglichen Nebenpflicht dar, die bei entsprechender Beharrlichkeit nach einschlägiger Abmahnung eine Kündigung rechtfertigen kann.
Normenkette
KSchG § 1; BAT § 7 Abs. 2; TV-L § 3 Abs. 5
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Urteil vom 13.11.2008; Aktenzeichen 1 Ca 158 b/08) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 13. November 2008, Az. ö. D. 1 Ca 158 b/08, teilweise abgeändert:
- Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 28. Dezember 2007 zum 31. März 2008 aufgelöst ist.
- Auf Antrag der Beklagten wird das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 5.000,00 EUR gem. §§ 9, 10 KSchG zum 31. März 2008 aufgelöst.
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Parteien je zur Hälfte.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Revision nicht gegeben; im Übrigen wird auf § 72 a ArbGG verwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen Kündigung und die Begründetheit des Auflösungsantrages der Beklagten.
Der 40 Jahre alte Kläger ist ausgebildeter Sozialpädagoge und seit dem 01.11.2002 bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft einzelvertraglicher Vereinbarung der Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) bzw. der diesen ersetzende Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) Anwendung. Zu den Aufgaben des Klägers gehörte die Sozialberatung von Suchtkranken, insbesondere im Hinblick auf deren Weiterbehandlung, die nach dem Willen der Beklagten in der Fachklinik H., mit der die Beklagte eine Kooperationsvereinbarung getroffen hatte, durchgeführt werden sollte. Der Kläger lehnte es ab, die von ihm betreuten Patienten dazu zu veranlassen, sich zur Nachbehandlung in die genannte Klinik einweisen zu lassen. Er meint, dadurch würde in unzulässiger Weise in die Entscheidungsfreiheit dieser Patienten eingegriffen. Auch aus diesem Grund kam es zwischen ihm und den Ärzten der Klinik zu Konflikten.
Mit Schreiben vom 10.11.2006 erteilte die Beklagte dem Kläger eine Abmahnung, weil er sich geweigert hatte, seinem direkten Vorgesetzten Sozialberichte der Patienten vorzulegen (Bl. 24 d. A.). Wegen eines gleichgearteten Verstoßes erhielt der Kläger eine weitere Abmahnung vom 28.11.2006 (Bl. 25 d. A.).
Seit dem 20.11.2006 ist der Kläger fortlaufend arbeitsunfähig krank. Mit Schreiben vom 09.02.2007 bot die Beklagte ihm daraufhin die Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements an (Bl. 27 d. A.). Der Kläger reagierte hierauf nicht, woraufhin die Beklagte ihr Angebot mit Schreiben vom 10.09.2007 wiederholte (Bl. 28 d. A.). Auch hierauf antwortete der Kläger nicht.
Am 10.09.2007 initiierte der Kläger durch eine Beschwerdeschrift ein Ermittlungsverfahren gegen neun Mitarbeiter der Beklagten wegen diverser Straftaten (Bl. 70 f. d. A.), unter anderem wegen Betrug, Nötigung, Verleumdung und Prozessbetrug.
Am 18.10.2007 forderte die Beklagte den Kläger gemäß § 7 Abs. 2 BAT zur amtsärztlichen Untersuchung im Hinblick auf seine Dienstfähigkeit auf (Bl. 29 d. A.). Mit Schreiben vom 14.11.2007 teilte der zuständige Amtsarzt der Beklagten mit, dass er den Kläger schriftlich am 23.10.2007 für den 06.11.2007 einbestellt habe, der Kläger indessen den Termin weder wahrgenommen noch abgesagt habe (Bl. 31 d. A.). Daraufhin mahnte die Beklagte den Kläger am 14.11.2007 schriftlich ab und forderte ihn zur Mitwirkung nach § 7 Abs. 2 BAT auf (Bl. 32 d. A.). Mit Schreiben vom 22.11.2007 widersprach der Kläger der Abmahnung vom 14.11.2007, da er die Einladung zur amtsärztlichen Untersuchung erst „nach Ihrem Schreiben” erhalten habe, sodass er den Termin nicht habe wahrnehmen können (Bl. 33 d. A.). Zu der vom Gesundheitsamt erneut anberaumten amtsärztlichen Untersuchung am 04.12.2007 erschien der Kläger, weigerte sich jedoch, sich untersuchen zu lassen und die Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht gegenüber der Universitätsklinik L. zu erklären (Bl. 37 d. A.).
Mit Anwaltsschreiben vom 04.12.2007 erklärte der Kläger nunmehr seine Bereitschaft zur Teilnahme an einem betrieblichen Eingliederungsmanagement. Die Konflikte, die zu seiner Erkrankung geführt hätten, lägen nicht im Umgang mit den Patienten, sondern im Umgang mit den ärztlichen Mitarbeitern der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie (Bl. 38 f d. A.). Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 06.12.2007 ab und sah die Vertrauensbasis aufgrund der fehlenden Mitwirkung des Klägers als gestört an und behielt sich arbeitsrechtliche Schritte vor (Bl. 40 f. d. A.).
Am 07.12.2007 leitete die Be...